Strassenbahnen mit Akkumulator-Antrieb

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Moin!

Anläßlich der Gewerbe- und Industrieausstellung im Bremer Bürgerpark

1890 beantragte Otto Bohlmann, Vorstandsmitglied der Bremer Pferdebahn, 1889 beim Senat die Genehmigung für einen elektrischen Straßenbahnbetrieb System Thomson-Houston nebst Straßenbeleuchtung mit Bogenlampen von der Börse (am Markt) bis zum Ausstellungsgelände (ca. 2 km Streckenlänge). Senator Schultz beauftragte deswegen Professor Kittler aus Darmstadt mit einem Gutachten. Kittler schrieb:

  1. Die Firma Thomson-Houston in Boston zählt zu den anerkannt leistungsfähigsten Firmen der Welt.

  1. Ein Gleichstrom von 500 Volt Spannung kann nicht als lebengefährlich bezeichnet werden. Immerhin ist nicht ausgeschlossen, daß bei Verwendung oberirdischer Leitungen in außergewöhnlichen Fällen (Feuer, Stürme oder dergleichen) die betreffende Betriebsspannung zu unangenehmen Zwischenfällen Anlaß geben kann.
  2. Oberirdische Leitungen für Abgabe von Licht oder motorische Zwecke halte ich in der Straße Schüsselkorb-Bahnhofstraße als eine in mannigfacher Beziehung bedenkliche Einrichtung. Im allgemeinen ist man bestrebt, oberirdische Leitungen nach Möglichkeit zu vermeiden, und es ist nur eine Frage der Zeit, daß auch der Telefonbetrieb unterirdisch erfolgt.
  3. Die Genehmigung dürfte daher nur eine provisorische sein, um so mehr, als für nicht zu ferne Zeit der in jeder Beziehung einfachere Betrieb mit Accumulatoren erhofft werden kann. (Aus dem Buch "Bremen und seine Straßenbahn", Bremen: Kellner, 2001, ISBN 3-927155-47-0)

Und ich frage mich jetzt gerade, ob es eigentlich nicht eine ganz gute Idee wäre, Straßenbahnen mit Akkus fahren zu lassen. Anstatt über Oberleitungen versorgt zu werden, könnte sie dann über (automatische) Steckkontakte an den Haltestellen jeweils mit Hochstromladungen nachgeladen werden.

Eckdaten: Eine Straßenbahn wiegt etwa 40 t bei einer Antriebsleistung von rund 350 kW - für 10 Vollastminuten braucht sie demzufolge ca. 50 kWh Speicherkapazität. Bei einer spezifischen Energiedichte von 80 kWh/t wäre das zusätzliche Akkumulatorengewicht also vernachlässigbar, dafür könnte man das ziemlich aufwendige Oberleitungssystem nebst Gleichrichterwerken einsparen.

Wenn man (grob) abschätzt, daß eine Straßenbahn im Mittel 100 kW verbraucht (wegen der Nutzbremsung eher weniger) und ca. 10-20 % der gesamten Fahrzeit an Haltestellen (oder verkehrsbedingten Wartepunkten) steht, dann müßten die "Ladestecker" also für eine Ladeleistung von 1 MW (2 kA bei 500 V) ausgelegt sein - liegt durchaus im realisierbaren Bereich. Die "schwellende" Belastung des Netzes sollte auch kein Problem sein: Zum einen fahren die Bahnen eines Nahverkehrsnetzes die Haltestellen nicht synchron an, so daß sich die Belastung im Mittelspannungs-Stadtnetz wegmitteln dürfte (punktuell kurzzeitig 1 MW dürfte es problemlos "wegstecken" können), zum anderen könnte man durch eine stationäre Fernwirktechnik die Gesamtaufnahme der Umrichter auf eine maximale Leistung begrenzen.

Notfalls könnte man den Antrieb auch um Hybrid-Komponenten erweitern, z. B. eine Gasturbine, die einen Generator zum Nachladen antreibt, oder auch die konventionellen Stromabnehmer beibehalten, aber nur in Außenbereichen mit langen Strecken zwischen Haltestellen Oberleitungen installieren. Notwendig wäre beides nicht unbedingt.

(Die Ausstellungs-Straßenbahn wurde als - durchaus erfolgreicher - Versuch vom 21. Juni 1890 bis zum 16. Oktober 1890 mit sechs Motorwagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h betrieben und dann wieder stillgelegt; am 27. September 1890 hatte der Vorstand aber die Gesamt-Elektrifizierung des bis dahin als Pferdebahn betriebenen Straßenbahnnetzes beschlossen und sich im Mai des Folgejahres von der Gesellschafterversammlung genehmigen lassen - der regelmäßige Betrieb mit der "Elektrischen" begann dann schon am 1. Mai 1892 auf der ca. 5 km langen Strecke vom Herdentor (am Hauptbahnhof) nach Horn.)

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz
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Moin,

Ralf Kusmierz schrieb:

AFAIR hatte ich in einem der letzten "American Scientist" einen Artikel über eine neuartige Hochstrom-Akku Technologie (mit Lithium) gelesen, finde es aber gerade nicht wieder. Weiß jemand mehr darüber?

Falls es tatsächlich mal langlebige, bezahlbare und ausreichend leichte für Fahrzeuge geeignete Zellen gibt, die sich in Sekunden nennenswert laden lassen, wäre dies für alle Arten von Landfahrzeugen interessant.

Bis dahin bleiben elektische Fahrzeuge ein Nischenprodukt wegen der bekannten Probleme von Gewicht, Kosten, Ladezeiten/Verluste, Brandgefahren usw.

O.J.

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Ole Jansen

Hallo,

solche Ideen gab es schon öfters, Problem werden hier die Akkus sein. Hochstromfähig, Schnelladung und lange Lebensdauer sowie Umweltfreundlichkeit sind nicht leicht unter einen Hut zu bekommen.

Einen weiteren Ansatz gab es wohl mit unterstützend wirkenden Kondensatoren mit angeblich 20% Einsparung.

Soweit ich weiß, gab es aber auch die Idee, eine Schwungmasse auf so ca

10.000 bis 20.000 Umdrehungen zu beschleunigen und die so gepeicherte Energie zum Fahren zu nutzen.

Prinzipiell ist sicher auch Druckluft als Speichermedium denkbar.

Es muß halt billig und Wartungsarm sein (Funktion wär natürlich auch nicht schlecht).Akkus könnten zu teuer sein.

Gruß Jan Conrads

Ralf Kusmierz schrieb:

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Jan Conrads

On 22 Okt., 00:47, Jan Conrads wrote: >

Das war keine Idee, sowas ist in mehreren L=C3=A4ndern Europas jahrelang rumgefahren, mit Erfolg.

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Ein Gyrobus ist ein Autobus mit Gyroantrieb, einem Elektroantrieb, der seine Energie nicht wie Oberleitungsbusse / Trolleybusse von einer Fahrleitung bezieht, auch nicht von einem Akkumulator =C3=BCblicher Art, sondern von einem Schwungrad. Auf dieses weist der Wortteil Gyro hin, welcher von griech. =CE=B3=CF=8D=CF=81=CE=BF=CF=82 kommt, was =E2=80=9EKrei= sel=E2=80=9C oder =E2=80=9ERunde=E2=80=9C bedeutet.

Seine Vorteile: leise und umweltfreundlich, kommt ohne Fahrleitung aus und kann damit auch flexibel an wechselnden Strecken verkehren. Sein Nachteil ist das Gewicht, ein Bus f=C3=BCr ca. 20 Personen muss f=C3=BCr ei= nen Aktionsradius von 20 km etwa 1,5 t Schwungradmasse sowie dessen Antrieb (Elektromotor/Generator) und die eigentlichen Fahrmotoren mitf=C3=BChren. Die Scheibe, die mit 3000 Umdrehungen pro Minute dreht, erfordert besondere Befestigung und Sicherheit - die Umfangsgeschwindigkeit betr=C3=A4gt bei einem Scheibendurchmesser von 1,6 m etwa 900 km/h.

Ein weiteres Problem stellt die Luftreibung und der damit einhergehende Energieverlust der Schwungmasse dar: er ist nur durch Evakuierung des Schwungradgeh=C3=A4uses zu vermeiden. Auch ist das Fahrverhalten eines Gyrofahrzeugs nicht ganz unproblematisch, versucht doch das Schwungrad, die Lage immer gleich zu halten: starke =C3=84nderungen der Steigung/des Gef=C3=A4lles der Stra=C3=9Fe f=C3=BChren = bei senkrechter Schwungradachse beispielsweise zu Kippkr=C3=A4ften auf das Fahrzeug.

An den Endstationen wird eine Verbindung mit dem Stromnetz hergestellt und das Schwungrad wird wieder beschleunigt. Auch die Bremsenergie kann wie bei Hybridfahrzeugen wieder zur=C3=BCckgewonnen und auf das Schwungrad =C3=BCbertragen werden. Die Versuche in den 50er Jahren waren recht hoffnungsvoll, denn die Menschen entlang der Fahrstrecke waren froh, dass sie von Dieselkraftstoffabgasen befreit werden konnten und auch nicht den Anblick der Oberleitungen ertragen mussten, doch die fortschreitende Motorisierung und der Wunsch der Betreiber nach Flexibilit=C3=A4t haben die Forschung vorzeitig beendet.

In der Schweiz wurden Gyrobusse zwischen Oktober 1953 und Oktober 1960 zwischen den St=C3=A4dten Yverdon-les-Bains und Grandson auf einer 4,5 km langen Strecke im Stundentakt eingesetzt (in Spitzenzeiten im Halbstundentakt). Au=C3=9Ferdem wurden die bei der Schweizer Firma Oerlikon hergestellten auch in Gent (Belgien) und Leopoldville (ehem. Belgisch Kongo) benutzt.

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bastian

Ralf Kusmierz schrieb:

Die Bundespost verwendete f=FCr die Zustellung der Pakete in den

1950er-1960er Elektroautos. Nach Zustellung wurden die Akkus wieder aufgeladen.

Gleichrichter waren Hg Dampfgleichrichter.

--=20 mfg hdw

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Horst-D.Winzler

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begin quoting, "Horst-D.Winzler" schrieb:

Die Existenz von Elektro-Autos ist wohl allgemein bekannt. Mit ging es wirklich um Straßenbahnen (mit den genannten Eckdaten).

Wahrscheinlich Thyratrons ().

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz

Ich meine, daß der größte Nachteil die Energiekurve ist. Wenn die Drehzahl runter geht, dann ist "nix mehr drin" im Speicher:

I * omega^2 / 2

Das Schwungrad muß immer auf hoher Drehzahl gehalten werden, das bedeutet, daß nur ein Teil der Energie nutzbar ist. Umgekehrt aber heißt das, daß sich der Antrieb verhält wie ein Motor, der immer auf fast gleicher Drehzahl dreht. Das Fahren ist Sache eines stufen- losen Getriebes.

Mir würde ein kleines Unterflur-Kernkraftwerk besser gefallen ;-o)

MfG

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Franz Glaser (KN)

Hallo, Franz,

Du (franz) meintest am 21.10.07:

Im Rahmen von Vorträgen über die Energieversorgung berichtete einer meiner Studierenden, dass vor einigen Jahrzehnten die damals noch ruhmreiche Sowjetarmee auch mit Bussen experimentiert habe, die mit Mini-Atomreaktoren angetrieben wurden.

Er wusste allerdings nicht, ob für den Antrieb noch ein Elektrogenerator-/-motorsatz dazwischengeschaltet war. Dampfturbinen gehören ja nicht so recht zu den Themen dieser Newsgroup.

Viele Gruesse! Helmut

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Helmut Hullen

Hallo, Ralf,

Du (me) meintest am 21.10.07:

Nein - zu viel Aufwand. Da musste ja nur aus konstanter Wechselspannung (pulsierende) Gleichspannung mit konstantem Mittelwert gemacht werden. Da reichen ungesteuerte Gleichrichter, auch Dioden genannt.

Viele Gruesse! Helmut

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Helmut Hullen

Wozu das ganze, wenn man billig ein Oberleitung haben kann? Spart man sich Akkus, Chemie und alle Probleme.

#
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AndyHerder

Moin,

Helmut Hullen schrub:

Das würde ich annehmen, Turbinen laufen so richtig gut erst bei wirklich großen Drehzahlen. Solche Drehzahlen mit einem Getriebe runterzuübersetzen, dürfte ziemlich umständlich werden.

CU Rollo

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Roland Damm

Roland Damm schrieb:

L=E4uft nicht der Abraham Panzer der Amis mit Turbinen?

--=20 mfg hdw

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Horst-D.Winzler

Ralf Kusmierz schrieb:

Ja, solche "Thyratrons" wie auf dem Bild zu bewundern ;-)

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--=20 mfg hdw

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Horst-D.Winzler

Jan Conrads schrieb:

Aber wirklich nur prinzipiell. Das Problem: Bei der Kompression heizt sich die Luft erheblich auf und gibt sehr viel Wärmeenergie an die Umgebung ab. Diese Energie ist das Fahren nicht mehr zu gebraucht. Der Wirkungsgrad ist miserabel. Es gibt bessere Konzepte. Z.B. Schwungräder und Kondensatoren, die an jeder Haltestelle wieder geladen werden könnten. Was bastian mit der Lagekonstanz angesprochen hat, lässt sich mit einer kardanischen Aufhängung lösen.

Grundsätzlich gilt, dass das Gefahrenpotenzial mit zunehmender Enerigedichte und -menge steigt. Außerdem damit, ob die Energie physikalisch hoch- oder niederwertig vorliegt. Das größte Gefahrenpotenzial geht demnach von Akkus/Kondensatoren und Schwungrädern aus (elektrische und mechanische Energien sind aus physikalischer Sicht die hochwertigsten - damit lassen sich beliebig hohe Temperaturen produzieren). Dafür sind aber auch die speicherbaren Mengen eher bescheiden. So gesehen sollte man gar nicht auf allzugroße Speicherinhalte drängen, sondern sie dem jeweiligen Fall anpassen und dafür möglichst klein dimensionieren.

Servus Christoph Müller

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Christoph Müller

Franz Glaser (KN) schrieb:

Ist bei Batterien, Akkus und vor allem Kondensatoren auch nicht viel anders. Unterhalb einer bestimmten Spannung kann man mit der Restenergie auch nicht mehr viel anfangen.

Das man leistungselektronisch ganz gut realisieren kann. Schwungradspeicher werden meines Wissens i.d.R. elektrisch geladen und gebremst. Nicht mechanisch. Das wäre zu kompliziert/teuer.

Unter dem Boden - im Erdmittelpunkt ;-)

Servus Christoph Müller

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Christoph Müller

AndyHerder schrieb:

Mit "alle" wäre ich etwas vorsichtig. Mit Oberleitungen fängt man sich auch neue Probleme ein. Insbesondere innerorts sind sie dem Erscheinungsbild nicht unbedingt förderlich. Sie sind schwierig zu warten. Man braucht zwei Pole. Die Abnehmer fliegen gerne mal von der Leitung, was zumindest ärgerlich ist. Baustellen mit kleinen Umleitungen führen zu erheblichen Aufwand.

Was mich durchaus wundert: Wieso baut man nicht an jede Haltestelle eine Ladestation, an die der Bus automatisch andockt, während die Fahrgäste ein- und aussteigen?

Servus Christoph Müller

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Christoph Müller

Batterien und Akkus sind bis ca. 20% praktisch "flach".

achsoooo)

servas

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Franz Glaser (KN)

bastian schrieb:

bedeutet.

Von einer englischen Firma weiterentwickelt, siehe

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Ulrich Nehls

Moin,

Christoph Müller schrub:

Das stimmt so nur, wenn die Energiespeicherung über lange Zeit erfolgen soll. Würde der Bus den Kompressor eingebaut haben (es könnte die selbe Maschine sein, wie der Antriebsmotor) und der Druckkessel wäre einigermaßen Isoliert, dann würde diese Wärme nicht so sehr verloren gehen. Man müsste nur den Kompressor und die Leitung zum Kessel isolieren und den Kessel am Besten auf der Innenseite isolieren damit nicht der Stahlbehälter Wärme aufnimmt. Im Winter könnte man die Wärme ja zum Heizen nutzen - was sicher kaum ausreichen dürfte um den Bus auf angenehmen Temperaturen zu halten (man müsste wohl eine Dieselbetriebene Zusatzheizung haben, ist aber ökologisch gesehen nicht das schlimmste, da diese ja ohne Verluste arbeitet (im Vergleich zu einer Heizung mit Strom -> Kraftwerksverluste)).

CU Rollo

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Roland Damm

Moin,

Horst-D.Winzler schrub:

Hab ich auch so gehört. Ich weiß aber auch nicht, ob der nicht mit der Turbine zunächst Strom erzeugt und dann elektrisch antreibt. Vielleicht passiert da die Umsetzung ja auch hydraulisch, für den Kettenantrieb ist Hydraulik ja ohnehin praktisch.

Etwas nachsuchern...: Irgendwas hydraulisches hat er drin, also vermutlich eine elektrische Umsetzung.

Aber der Panzer ist ja auch überall dafür bekannt, wie viel Sprit er sogar schon beim Herumstehen verheizt.

CU Rollo

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Roland Damm

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