Hallo,
die beschriebene Umschaltung einphasiger Verbraucher (für Drehstromverbraucher scheidet diese Maßnahme ohnehin aus) von einem gestörten Außenleiter (früher Phase bezeichnet) zu einem verbleibenden gesunden Außenleiter ließe sich prinzipiell mit Schützschaltungen oder manuellen Umschaltsystemen realisieren. Üblich ist diese Vorgehensweise der Umschaltung in der Industrie jedenfalls nicht.
Weiß jemand wie das bei den öffentlichen Netzen der Netzbetreiber (früher VNB, EVU-Netz bezeichnet) aussieht? Ich vermute mal, auch da wird es nicht anders sein.
In der Praxis werden notstromberechtigte Verbraucher in so einem Fall möglichst unterbrechungsfrei über schnelle Transferschalter (STS) komplett vom gestörten Netz getrennt und über eine andere Sammelschiene gespeist.
Grundsätzlich ist der Weiterbetrieb eines gestörten TN-Netzsystems problematisch, im Rahmen der Reparatur wird es sich nicht vermeiden lassen, alle Außenleiter über den Leistungsschalter vom Netz zu nehmen. Für das IT-Netzsystem mit isoliertem Sternpunkt sieht das anders aus, weswegen das IT-Netzsystem mit seiner Isolationsüberwachung in kritischen Umgebungen (Krankenhaus, Stahlwerk, Schiff, ...) bevorzugt eingesetzt wird.
Zurück zur Ausgangsfrage: Würde man in einem bereits gestörten Drehstromnetz (TN-C-S-System) ganze Verbrauchergruppen womöglich noch automatisiert schlagartig auf verbleibende Außenleiter verteilen, hätte das Schaltüberspannungen und einen Schieflastfall zur Folge. Der Leistungsfaktor und Oberschwingungsgehalt dürften sich ebenfalls, dank der nicht ganz netzrückwirkungsfreien Verbraucher, zum schlechteren wenden. Schlimmstenfalls käme es zu einem Dominoeffekt, aufgrund der Überlastung verbleibender Außenleiter bzw. zu einer Neutralleiterüberlastung (Überhitzung ohne Erfassung durch Schutzorgan) aufgrund des hohen Oberschwingungsgehalts.
Gerade EVGs würde ich (auch von den noch gesunden Außenleitern) schnell aus dem gestörten Netz nehmen, denn sollte im gestörten Netz zusätzlich der N bzw. PEN beeinträchtigt sein, kommt es zu einer Sternpunktverschiebung und dadurch zu Überspannungen, die die EVGs zerstören können.
Kurzum: Es ist wesentlich einfacher und risikoärmer wichtige Verbraucher vom gestörten Netz zu nehmen und über eine separate Sammelschiene zu versorgen. Die automatisierte Umschaltung von gestörten Außenleitern auf verbleibende ist im großen Maßstab, ohne eine eigens dafür angefertigte Netzstudie, zu riskant.
Frohe Weihnachten!
Mit freundlichen Grüßen Michael Kreienberg