Kräfte in einem Fahrrad

Hallo,

bei den Rädern ist ja häufig die von den Pedalen zum Lenker verlaufende Strebe sehr viel dicker ausgeführt als die anderen Rahmenteile; ich habe mich gefragt, warum wohl. Deshalb habe ich die Kräfte in meinem Rad mal berechnet (vereinfacht als ebenes statisches System) und festgestellt, dass diese Strebe die geringste Kraft erfährt. Zudem handelt es sich hier um eine Zugkraft, so dass Knicken usw. keine Rolle spielt. Warum wird nun diese Strebe so dick ausgeführt (es handelt sich um einen ganz normalen Rahmen ohne Federungen bzw. Federteile usw.)? Der einzige Grund, der mir jetzt noch einfällt, ist, dass man hier eine große Werbeschrift unterbringen kann, bei mir steht da von weitem lesbar PRINZIPIA. Oder gibt es einen anderen Grund, die Strebe so dick auszuführen?

Mit Gruß Ernst Sauer

Reply to
Ernst Sauer
Loading thread data ...

Unwissenschaftliche Antwort: Das merkst du, wenn du dir die Eier anhaust. :-)

Nick

Reply to
Nick Mueller

Ernst Sauer schrieb:

Du gehstvon einer falschen Prämisse aus. Die Zug- und Druckspannungen sind vernachlässigbar klein. Die kritischen Lasten sind Biegung und Torsion. Das Unterrohr (so heißt das von dir als "Strebe" bezeichnete Teil) wird beim beim Bremsen auf Biegung und beim Treten auf Wechsel-Verdrehung beansprucht

- bei Schwertretern/Wiegetritt mit relativ hohen Spannungen. Deshalb ist es meistens just dieses Rohr, das ermüdungsmäßig zuerst bricht.

Prinzipia mit "Z"? Bist du dir sicher? Die besseren sind mit "C" ;o)

Siehe oben. Neben der Festigkeit geht es da auch um die Steifigkeit (bzw. seitliche elastische Nachgiebigkeit) des Rahmens.

Rainer

Reply to
Rainer Mai

Rainer Mai schrieb:

Die Biegemomente habe ich schon erfasst, aber die Torsionsmomente natürlich nicht, dazu müsste ich das System 3-dimensional rechnen. Die größten Biegemomente bekomme ich beim Bremsen in dem Teil oberhalb der Gabel und dieses Stück ist schwächer als das Unterrohr.

Aha!

Natürlich mit C, habe es gebraucht gekauft, war nicht billig, aber das Rad fährt sich sehr schön.

Hm, hätte vermutet, dass ein Bruch eher oberhalb der Gabel eintritt. Kündigt sich so ein Bruch an (sichtbarer Riss), oder tritt er eher schlagartig auf?

Mit Gruß Ernst Sauer

Reply to
Ernst Sauer

Am Sat, 03 May 2008 22:49:24 +0200 schrieb Rainer Mai:

Wo kann man eigentlich sowas nachlesen? Gips da auch für den Laien verständliches Material?

Ciao,

Rudi

Reply to
Rudolf Ziegaus

Rainer Mai schrieb:

Wenn das Unterrohr dann allerdings hochovalisiert ist, ist es zwar "dick" und bietet viel Fläche für Namenszüge, Für eine gute Seitensteifigkeit wäre /querovalisiert/ aber doch sicher die bessere Wahl?

Wolfgang

Reply to
Reindl Wolfgang

Die frage ist was bedeutet "dick". Mittlerweile sind viele räder aus alu und da baut man das unterrohr oft oval. Dann sieht es fetter aus, ist aber schmaler. Ich glaube das sind eher designgründe als technische notwendigkeiten.

Reply to
JÅns MÁrtin SchlÁttÅr

Durch den Fahrer kommen, speziell im Wiegetritt, signifikante seitliche Kraefte auf das Rad.

Trotzdem knickt ein Rahmen bei Ueberlast, zB Kollision, idR an Ober- und Unterrohr, knapp hinter den Steuerrohrmuffen bzw. nach Uebergang zu duennerer Wandstaerke. Alternativ werden die Gabelscheiden nach hinten gebogen, das halte ich dann aber eher fuer unterdimensioniert. Das Steuerrohr ist ziemlich kurz, und darin befindet sich noch der Gabelschaft...

Wohl auch Materialfrage. Ermuedungsbruch in Stahl faengt idR mit einem kleinen Riss an, eher unkritisch.

Reply to
Helmut Springer

Ja. Weswegen bei etwas besseren Rahmen das Unterrohr so umgeformt wird, dass am Tretlager Querovalisierung vorliegt.

Alurohr in fast beliebige Form zu bekommen hat man mittlerweile im Griff. Es gibt uebrigens auch Stahlrahmen mit entsprechenden Rohren und sogar Muffen, allerdings selten.

Reply to
Helmut Springer

Mein Rahmenbruch (bei einem Stahlrahmn mit duennem Unterrohr) war im Steuerrohr (das Rohr "oberhalb der Gabel").

Bei mir war er zunaechst hoerbar (Knacken, Knarzen), dann sichtbar (Lackschaden).

Einen Bruch einer Stahlgabelscheide hatte ich auch noch, der hat sich ebenfalls so angekuendigt. Alu soll da unangenehmer sein, aber da hatte ich noch keinen Bruch.

Ach ja, um nicht laenger Deine unbeholfenen Beschreibungen lesen zu muessen, hier ein bisschen Terminologie:

Diamant-Rahmen: Steuerrohr, Oberrohr, Unterrohr, Sattelrohr, Sattelstreben, Kettenstreben.

Gabel: Gabelschaft (im Steuerrohr), Gabelscheiden.

Vorbau, Lenker, Sattelstuetze.

Followups auf d.r.f gesetzt.

- anton

Reply to
Anton Ertl

Hallo Ernst!

Welche Kräfte hast Du denn beispielsweise für den Lastfall "Plumps ins große Schlagloch" angesetzt oder für den Lastfall "Sprung über die Gehwegkante auf die Fahrbahn"?

Ein Fahrrad muß weit mehr aushalten als die statische Gewichtskraft, die der Fahrer und sein Gepäck erzeugt.

Bei Stahlrahmen nennt sich die Bauweise mit dickerem Unterrohr wohl "Oversized" und das deutet für mich auf eine besonders hohe Belastbarkeit hin. Typische Versagensfälle von Fahrradrahmen sind ja beispielsweise "Stauchung des Unterrohrs am Steuerrohr" (z.B. nach Auffahrunfällen, heftigem Aufprall in größerem Schlagloch), "Abriß des Unterrohrs am Steuerrohr" (als Gewalt- oder Ermüdungsbruch nach Sprüngen von Gehwegkanten oder über Treppenabsätze auf die Fahrbahn). Die Leute sind im Schnitt heute ja nicht leichter als vor 30 Jahren, sondern eher umgekehrt, da müssen Rahmen eben im Schnitt etwas stabiler gebaut werden als früher.

Jürgen

Reply to
Jürgen Schlottke

Jürgen Schlottke schrieb:

Sprünge *über* Gehwegkanten sind für einen Rahmen keine ernsthafte Belastung. Genausowenig wie das halbwegs planvolle Heizen über Schotterpisten.

Auch deshalb, weil es abgesehen von Rennrädern vor 30 Jahren nur symbolische Bremsen gab und heute richtige. *Das* ist ein wirklich belastungsrelevanter Unterschied.

Rainer

Reply to
Rainer Mai

Jürgen Schlottke schrieb:

Für meine Fragestellung sind die absoluten Größen der Kräfte unwichtig, interessant sind zunächst nur die Verhältnisse zueinander. Bei einem Stoß werden die Kräfte insgesamt größer (Stoßfaktor), aber die Verhältnisse bleiben in der Größenordnung gleich.

Das Unterrohr hat bei meinem Rad einen Durchmesser von 50 mm, dagegen sind die 2 Rohre, die vom Hinterrad Richtung Sattel verlaufen nur 15 mm dick (bei anderen Rädern sind diese Rohre meist stärker ausgebildet).

Ich denke, dass Rainer Mai mit seiner Einschätzung richtig liegt, dass sich der kritische Lastfall im normalen Betrieb (Unfälle mal ausgenommen) bei einem starken Bremsvorgang ergibt. Dann bekommt das Unterrohr Druck, hat die größte Knicklänge, muss versteift werden und zieht dadurch zusätzliche Biegemomente an. Dadurch erklärt sich dann der Versagensfall "Stauchung des Unterrohrs am Steuerrohr".

Die vertikalen Lasten (auch Stoßbelastungen) scheinen nicht so sehr das Problem zu sein, sonst müssten die Rohre, die vom Hinterrad Richtung Sattel verlaufen, stärker ausgebildet werden.

Mit Gruß Ernst Sauer

Reply to
Ernst Sauer

Ernst Sauer schrieb:

Ein FE-Modell? Gib doch mal ein paar Basisinfos über die Aufgabenstellung und das Drumherum (Studien-/Diplomarbeit? - oder Junggesellenarbeit, wie das heute heißt?;o) zum Besten.

Völlig unrealistisch ist das jedenfalls nicht. BTW, die Kombination steifer Vorderbau / weicher Hinterbau (dünne, gebogene Sattelstreben, komfortmotiviert) ist bei Rennradrahmen aktuell Mode.

Nee, das ist ein (dreidimensionales) Fachwerk. Der Hinterbau in Längsebene verkraftet die Abstand größten externen Lasten. Z.B. hinten auffahrende Dose -> Hinterrad kollabiert -> Maschine wird hinten hochkatapultiert und diverse Meter weggestoßen, mit oder ohne Fahrer. Wenn der Aufprall nicht schief war, hat der Rahmen meist nichts.

Rainer, hoffentlich bald dazu kommend, zu Ernsts älteren Nachrichten was zu schreiben

Reply to
Rainer Mai

Rainer Mai schrieb:

Im Moment ist es noch ein 2-dimensionales Stabwerkmodell (Rahmensystem), werde es bei Gelegenheit aber auch 3-dimensional rechnen (wegen der Torsion).

Weder noch, als Bauing. sieht man überall Kräfte und macht sich so seine Gedanken über die diversen Konstruktionstypen der Räder.

Was mich übrigens auch noch interessiert: hast Du eine Ahnung, mit welcher (ca.)Kraft die Speichen vorgespannt sind?

Mit Gruß Ernst Sauer

Reply to
Ernst Sauer

Ernst Sauer schrieb:

Sollte sein, macht sonst wenig Sinn. Eigentlich interessiert natürlich auch seitliche Biegung (hängt zusammen: Wenn z.B. beim Treten das U'rohr tordiert wird, wird das Sattelrohr unten seitlich gebogen - z.T. heftig, war bei einer historischen US-FE-Untersuchung (1986) die max. Spannung überhaupt.

Wie, wirklich nur aus Daffke? Sportlich, sportlich ;o)

Ungefähr ja ;o) Da haben andere Leute aber viel mehr Ahnung von. Du könntest nach Texten und Werten googeln. Spontan zum Thema Laufradmechanik fällt mir Olaf Schultz' Felgenkipp-Werk ein:

formatting link
Rainer

Reply to
Rainer Mai

IIRC 700N-1100N/Speiche, bei Systemlaufraedern wohl mehr.

Followups to d.r.f

- anton

Reply to
Anton Ertl

Ernst Sauer :

An dieser Stelle: wirf mal einen Blick in Jobst Brandt, "Das Fahrrad-Rad" und/oder den Text von Olaf Schulz' Studienarbeit:

formatting link

Reply to
Wolfgang Strobl

Ernst Sauer schrieb:

Mach mal, das lohnt sich.

Korrekt. Das Teil heißt Gabelschaft(rohr).

Es ist konifiziert - im Hinblick auf eben diese Bremsbiegung unten erheblich dickwandiger als andere anderen Rohre. Und trotzdem bleibt es das belastetste Rohr im System. Andererseits sind gelegentliche Vollbremsungen nur stastische Belastungen - im Unterschied zur Wechseltorsion (Unterrohr) und Wechselbiegung (Sattelrohr unten) beim Schwertreten.

Trotzdem, wenn du z.B. mal von nem Systemgewicht von 100 kg und 6 m/s² ausgehst (Fahrer ist zwar übergewichtig, aber noch sportlich genug, den Hintern bei der Vollbremsung zwecks Erhöhung der Verzögerung hinter den Sattel zu kriegen), treten da schon respaktable Spannungen auf. Und wenn du mal mein beladenes Reiserad als Worst Case rechnest (145 kg, Verzögerung g, 85% der Bremskraft vorn, lange Gabel für fette 28"-Reifen,

1-Zoll-Schaft), dann wird das richtig spannend ;o)

Siehe oben: Die kritischen Spitzenlasten sind statisch (eher seltene Einzelereignisse). Ich gehöre vermutlich zu wenigen Ausnahmen, die ihre Gabeln mit ein paar hundert Vollbremsungen beaufschlagen (ich mag nose wheelies ;o). Aber auch das ist eben was anderes als dynamische Belastungen mit Millionen Zyklen.

Der schwächste Punkt (die typische Biege- bzw. Bruchstelle bei Überlastung) ist meistens das Ende der Konfizierung. Bei richtig heftigen Überlastungen (Auffahrunfall) bricht der Schaft dort wirklich durch. Das ist aber relativ selten. Die viel häufigere Bruchursache ist die von Elke erwähnte: Schaft wird an der Stelle verbogen und einfach weitergefahren. Dann entwickelt sich da ein Dauerbruch. Und nicht jeder merkt rechtzeitig, dass der Lenker weich wird ...

Bei den mittlerweile historischen Geindeschäften war ebendieses Gewinde eine typische (Dauer-)Bruchursache: Wenn es zu lang war, also bis zum Ende des reingeschobenen, dort geklemmten Vorbauschafts oder darüber hinaus reichte. Im oberen bzw. (je nach Rahmengröße und Vorbau/Einstellung) mittleren Teil des Schafts sind die Biegespannungen zwar nicht so groß wie darunter, aber das Gewinde nimmt viel Material weg und das Spitzgewinde hat eine heftige Kerbwirkung.

Rainer

Reply to
Rainer Mai

Reindl Wolfgang schrieb:

Jein. Es wird ja beim seitlich Biegen auch verdreht. Und für Torsion ist das Kreisprofil die optimale Form.

Eine FEM-Untersuchung einer US-Hochschule 1986(!) ergab bei Wiegetrittsimulation diagonale Hauptspannungen (fast 45 Grad zur Rohrachse) ... ein klarer Hinweis auf Torsion als Haupt-Belastungsart.

Ein rundes Unterrohr ist also durchaus okay. Leicht queroval wäre wohl noch besser - aber dann wird es zu breit für den Steuerrohr-Übergang. Dort vorne scheint mir hochoval in Sachen vertikale Biegung gar nicht so unpassend.

Das Oberrohr dagegen ist primär ein Biegeträgerchen - das im Hinblick auf Komfort (senkrechter Flex) und Seitensteifigkeit m.E. deutlich querovalisiert sein kann/sollte. Evtl. wäre sogar ein quer orientiertes Rechteckrohr besser als ein ovales (biegemäßig bessere Materialkausnutzung, torsionsmäßig schlechtere).

Rainer

Reply to
Rainer Mai

PolyTech Forum website is not affiliated with any of the manufacturers or service providers discussed here. All logos and trade names are the property of their respective owners.