Das Bauen f=FCr Bierbrauer in der Biedermeierzeit: Bierbrauereien als Bauaufgabe und Forschungsgegenstand (1)
Im Westerwald gab es zahlreiche Bierbrauereien. Nur wenige existieren immer noch. Bei der systematischen Erfassung von Geb=E4uden in D=F6rfern und St=E4dten im geographischen Westerwald stie=DF ich auf etliche Ge- b=E4ude, die zuvor Brauereien waren. In Montabaur be- trat ich k=FCrzlich die =FCbereinanderliegenden Gew=F6lbe einer ehemaligen Brauerei aus der Mitte des 19.Jahr- hunderts. Es sind Tonnengew=F6lbe in der W=F6lbungslinie eines Korbbogens. Von einem der =FCberw=F6lbten S=E4le geht ein Gang ab. Er ist eingangs versch=FCttet. Ein Spalt zum Durchkriechen wurde freigelegt, um zu se- hen, was sich dahinter verbirgt. Zuvor war bei Freile- gungsarbeiten in diesem Keller die verborgene T=FCr- =F6ffnung zu diesem Gang entdeckt worden. Der Gang wurde betreten und begangen. Er teilt sich nach et- licher L=E4nge. Es wird erz=E4hlt, er w=FCrde bis unter die katholische Kirche der Stadt f=FChren. Aber das ist spekulativ. Zu vermuten ist jedoch eine Verbindung zu =D6rtlichkeiten, die im Funktionszusammenhang mit der Brauerei standen.
Die Inneneinrichtung dieser Brauerei ging verloren. Man wei=DF also auch nichts von der genauen Lage der Inneneinrichtung und Anordnung der Produktions- abl=E4ufe der Brauerei.
Um die Brauerei, die im ehemaligen Stadtgraben vor der Stadtmauer errichtet wurde, vermutlich weil da- durch sehr viel Aushub f=FCr den Keller eingespart wer- den konnte, mit Wasser zu versorgen, legte man in Montabaur die erste Wasserleitung mit Metallr=F6hren an. Die Bewohner an der unteren Koblenzerstra=DFe profitierten davon, da sie sich Hausanschl=FCsse legen konnten. Die Planungsunterlagen dazu fand ich im Stadtarchiv.
Unterhalb der Brauerei, in der ebenen Aue am Bach- lauf des Tales, war ein Weiher angelegt worden, der im Winter zur Eisgewinnung diente. Man s=E4gte die Eisplatten aus und lagerte sie in einem nahe- gelegenen Eishaus ein. Vermutlich wurde dieses Eis f=FCr die Brauerei, die Gastst=E4tten und Fischge- sch=E4fte im damaligen Montabaur ben=F6tigt. Sowohl der Eisweiher wie das Eishaus wurden vernichtet, ohne auf die Stadtbaugeschichte zu achten.
Archivalien zu den Brauereien im Westerwald sind in einem gewissen Umfang vorhanden. Die Ergiebig- keit ist jedoch sehr begrenzt. =DCber das Bierbrauen selbst mu=DF man sich anderswo Hinweise suchen. Auch ist der Produktionsablauf dieser untergegange- nen Brauereien im Westerwald vielleicht eher nicht dokumentiert. Es gibt aber auch ausgiebigere Dar- stellungen, z.B. zu Brauereien in Arzbach und Ransbach. Bisher las ich nur zu Arzbach.
Ehemalige Brauereien sind sehr gef=E4hrdete Bauten. In Ransbach-Baumbach tr=E4umt die Fohrbrauerei da- von, das Stammhaus zu vernichten, weil eine Restau- rierung sehr viel Geld verschlingen w=FCrde. In Monta- baur erhielten sich zwar die =FCbereinanderliegenden Gew=F6lbe der Brauerei, aber der gesamte Aufbau dar=FCber ging durch Abri=DF und modernen Neuaufbau verloren. Vorl=E4ufer dieser historischen Brauerei verschwanden ebenfalls im Verlauf der Baugeschich- te der Stadt. Nur der Name der Biergasse erinnert noch an eine Brauerei. In diesem Fall mu=DF selbst die Kenntnis von der genauen Lage dieser Brauerei als erloschen gelten.
Um Aufschlu=DF =FCber das Bierbrauen und die Bierbrau- ereien als Bautypus zu gewinnen, fand sich ein Auf- satz aus der Biedermeierzeit. Dieser wurde von mir ausgewertet. Es ist nach weiteren Abhandlungen zu suchen. Die Schwierigkeit, Aufschlu=DF =FCber die Bau- anlagen historischer Brauereigeb=E4ude zu gewinnen, liegt darin, da=DF solche Bauten sehr unterschiedliche Gr=F6=DFen aufweisen und sich meist kaum noch Unter- lagen auffinden lassen, wie die Brauerei in ihren Pro- duktionszusammenh=E4ngen r=E4umlich gegliedert war. Man mu=DF sich vorsichtig dem Thema ann=E4hern, um gute Arbeitsans=E4tze zu finden. Der Aufsatz in der Allgemeinen Bauzeitung vom Jahre 1837 ist zwar sehr zweckdienlich, aber es geht um wesentlich gr=F6=DFere Bauanlagen als die, die im 19.Jahrhundert im Westerwald existierten. Doch nun zum Bierbrauen:
Bierbrauen geht so. Gerste, Weizen, Spelt oder Dinkel und Hafer o.a. werden dazu genutzt, um ein zuckerarti- ges Extrakt zu gewinnen. Dieses Extrakt wird durch G=E4hrung zum Bier gemacht.
"Von den zur Bierbereitung n=F6thigen Materialien ist das Wasser der Hauptbestandteil und dient als Aufl=F6sungs- mittel zur Ausziehung der aus dem Malze und Hopfen zu erzielenden Bestandtheile; das Malz ist das n=E4hren- de, und das Hopfenbitter der die gute Haltbarkeit be- wirkende Bestandtheil des Bieres." (1)
Zum Bierbrauen mu=DF also Wasser zur Verf=FCgung ste- hen, das sich eignet. Dieses sollte Qualit=E4t haben:
"Je weniger fremdartige Bestandtheile das Wasser ent- h=E4lt, desto mehr aufl=F6send wirkt es, und desto besser ist es sohin zum Bierbrauen; bei Errichtung von Braue- reien mu=DF man also vor Allem sich von der G=FCte des zum Brauen zur Hand stehenden Wassers durch Ver- suche =FCber dessen H=E4rte oder Weichheit Kenntni=DF verschaffen." (2)
In Hamburg sch=F6pfte man das Wasser zum Bierbrau- en aus den Fleeten. Dort wurde diesem Wasser nach- gesagt, das sehr schmutzig war, gerade dies habe den besonders w=FCrzigen Geschmack des Hamburger Bieres ausgemacht. Vermutlich sind solche Formu- lierungen ein Scherz Hamburger Lokalpatrioten. Denn das Wassers mu=DF sehr rein sein.
"Die reinsten Wasser findet man in sandigen Gegen- den; denn das =FCber Sand, Sand- und Kiesschichten flie=DFende Wasser l=F6st von diesen nichts auf, sondern wird vielmehr von den Stoffen, welches es mit sich f=FChrt, dadurch gereinigt. Der Brauer, welcher gutes weiches Wasser bei seinem Br=E4uhause hat, hat zu seinem Besten schon viel voraus." (3)
Das Getreide und der Hopfen, welche zum Bierbrau- en genutzt werden, m=FCssen in der Brauerei "einen ger=E4umigen gesunden Aufbewahrungsort" haben, wird angef=FChrt. Hopfen, in ganz Europa "wild in Hecken und B=FCschen" vorkommend, sei jedoch wie die Gerste oder der Weizen, die meist zum Bierbrauen genom- men w=FCrden, "besonders" anzubauen.
"Der Hopfen erh=F6ht nicht nur den Geschmack des Bieres und bewirkt bessere Gedeihlichkeit f=FCr den Magen, sondern er ist auch zur Haltbarkeit des Bie- res ein nothwendiges Erforderni=DF, und kann durch kein anderes bis jetzt bekanntes Mittel zureichend ersetzt werden." (4)
Man zieht aus dem Hopfen Bitterstoffe und ein "fl=FCch- tiges =D6l".
"Bei der Einrichtung einer Brauerei mu=DF auch der Platz f=FCrs Holz ber=FCcksichtigt werden, denn zu einer wohlgeordneten Brauf=FChrung geh=F6rt, da=DF ein Brauhaus immer auf ein Jahr mit gutem d=FCrren Holze versehen sei." (5)
In der Biedermeierzeit wurde zum Malzd=F6rren "klein gescheitertes und gut ged=F6rrtes Buchen- oder doch wenigstens Birkenholz" empfohlen. Auch Pech sei einzulagern, da "die Sommer- oder Lagerbierf=E4sser" /.../ "jedes Jahr frisch ausgepicht" werden mu=DFten. Au=DFerdem m=FCsse Eichenholz f=FCr die Bierf=E4sser auf Vorrat gehalten werden. (6)
Die Vorg=E4nge beim Bierbrauen selbst liessen "sich s=E4mmtlich in den Benennungen: Malzen, Maischen (Mischen) und Kochen, konzentriren". Man gewinnt dabei aus dem Getreide einen "so viel wie m=F6glich zuckerhaltigen Auszug", der "Bierw=FCrze" genannt wird. Man versucht den Zuckergehalt durch das Malzen des Getreides zu mehren. Dazu legte man das Getreide in der Biedermeierzeit in einen "Quell- bottich oder Weichkasten", in dem Wasser stand. Man tauchte die Getreidek=F6rner w=E4hrend acht Stun- den in das Wasser ein, in dem sie schwammen. Was dann noch oben schwamm, wurde aussortiert. Der Abfall diente der Tierf=FCtterung. Das Wasser war bei diesem Vorgang des Malzens in Abst=E4nden ab- zulassen und zu erneuern. Nach 3 bis 4 Tagen war der Vorgang abgeschlossen. =DCber die Lage des Weichkastens wird gesagt:
"Der Weichkasten mu=DF nothwendiger Weise zu ebener Erde im Br=E4uhause stehen, und das Wasser durch R=F6hren und Rinnen in dasselbe geleitet und aus demselben wieder abgef=FChrt werden." (7)
Das Getreide quoll also im Weichkasten und f=FCllte ihn schlie=DFlich aus. Von da gelangte es auf den "Keim- oder Malzboden", wo das keimende Getreide auf dem gesamten Boden ausgebreitet wurde:
"erst 3, dann 6 Zoll oder h=F6chstens 1 Schuh hoch" (8)
Der Raum war ohne Luftzug geschlossen zu halten und mu=DFte durch eine aufgew=E4rmte Luft das gute Auskeimen des Getreides m=F6glich machen. "Alle
6 bis 8 Stunden" war das Getreide umzuschaufeln. Dieser "Malzhafen" erw=E4rmte sich w=E4hrend des Vorgangs bis auf 26 Grad. Nach vier Tagen war der Keim gediehen. Er durfte als Keim so weit, wie das Korn selbst lang war, herauslugen. Danach wurden die gekeimten K=F6rner zum "Schwelk- oder Welk- boden" gebracht, den man "Schwelke" nannte, welcher"am bequemsten neben dem Malzboden liegen w=FCr- de, gew=F6hnlich aber =FCber demselben angebracht ist, indem das Trocknen des Malzes schneller von Statten geht" (9)
Man zog also die gekeimten K=F6rner nach oben in einen anderen Raum, wo man die K=F6rner d=FCnn ausbreitete. Viel Wasserdampf mu=DFte von den durchfeuchteten und gequollenen Keimlingen ab- gesondert werden, weswegen der Saal einen Abzug f=FCr den Wasserdampf haben mu=DFte. Man nannte diesen Raum die "Malzd=F6rre" oder "Darre". Wurde der Malz nur ausgebreitet und d=F6rrte an der Luft, sprach man vom Luftmalz. Wurde mittels Feue- rung ged=F6rrt, sprach man vom "D=F6rrmalz".
Der Sinn der =FCbereinanderliegenden Gew=F6lbe des Brauhauses in Montabaur k=F6nnte also darin gele- gen haben, von der Schwelke die Keimlinge in den Saal dar=FCber zur Darre bringen zu k=F6nnen. Der =FCber- w=F6lbte Saal =FCber den gew=F6lbten R=E4umen darunter ist recht gro=DF, was f=FCr eine Darre sprechen k=F6nnte. Von der Darre gelangte das Malz nun in einen anderen Trockenraum, wo schlie=DFlich die K=F6rner von den Keimen gereinigt wurden, was mit Handm=FChlen ge- macht wurde. Danach konnte es gelagert werden. Auch nach 3 oder 4 Jahren sei das gelagerte Malz noch brauchbar, wenn es trocken und gut bel=FCftet gelagert worden sei. Dieser Trockenraum und der gut bel=FCftete Lagerplatz k=F6nnte sich in den Geschos- sen =FCber den eingew=F6lbten R=E4umen befunden haben, Gescho=DFe, die abgerissen wurden, um den Neubau dar=FCber t=E4tigen zu k=F6nnen.
Der Text aus der Biedermeierzeit sagt aus, man habe das getrocknete Malz, bevor es zur Maische gebracht wurde, also zum Brauen, auf einem ge- pflasterten Platz ausgebreitet und geh=E4uft, um es einzun=E4ssen. Nach etlichen Stunden habe man es in S=E4cke abgef=FCllt, um es zum Schroten zur M=FChle zu bringen. (10) M=FChlen gab es in Montabaur. Sie gingen wohl alle verloren.
Der weitere Vorgang mu=DF sp=E4ter zur Darstellung ge- langen. Man wird die Beschreibung aus der Bieder- meierzeit mit anderen Darlegungen zu vergleichen haben, um zum Schlu=DF das im Westerwald auf- sp=FCrbare Archivmaterial damit in einen Zusammen- hang zu bringen. Vielleicht l=E4=DFt sich dann genauer erschlie=DFen, wie die Brauerei in Montabaur im Inneren ausgebaut war. Es ist zu pr=FCfen, wie sich ein Werde- gang des Brauereiwesens nachvollziehbar machen l=E4=DFt, soda=DF man eine Idee davon erh=E4lt, wie vor und nach der Biedermeierzeit Bier gebraut wurde und welche Ver=E4nderungen sich dadurch im r=E4umlichen Aufbau einer Brauerei ergaben. Hinweise zu Braue- reien in anderen Gegenden werden gesucht.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
Anmerkungen: (1)-(3) zitiert aus: o.A.: Anweisung zur vortheilhaften Anlage und Einrichtung der Bierbrauereien und damit in Verbindung stehenden Branntweinbrennereien und Essigsiedereien, nach den neuesten in M=FCnchen aus- gef=FChrten Geb=E4uden dieser Art. S.190-192; S.197-199; S.230-233; S.235-239; S.305-308; S.313-316; S.324-
325; S.348-349; S.379-382 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.191 (4)-(5) zitiert aus: o.A., wie vor, S.192 (6) siehe: o.A., wie vor, S.192 (7)-(9) zitiert aus: o.A., wie vor, S.198 (10) siehe: o.A., wie vor, S.197ff.