Funktionsgrenzen elektrodynamischer Leistungsmesser

Hallo,

mein alter elektrodynamischer Leistungsmesser, Vollausschlag 22 W, leistet mir immer gute Dienste zur Messung von Standby-Verbräuchen mit meist induktivem Blindstrom (Trafos).

Ein zu messendes Induktions-Kochfeld hat anscheinend große Entstörkondensatoren in der Netzzuleitung. Es verursacht jedenfalls einen Scheinstrom von 0,32 A! Das Oszi zeigt ungefähr 90° kapazitive Phasenverschiebung. Ein Wechselstromzähler, der bei 10 W sicher anläuft, rührt sich nicht, warm wird das Gerät auch nicht. Also Blindstrom. Aber der Leistungsmesser zeigt mehr als 22 W (Zeigeranschlag)!

Mit einer 15-W-Glühlampe kommt es zu einer plausiblen Anzeige, das Messgerät ist also i.O.

Zwar fließt über den Strompfad der 3-fache Nennstrom, doch wenn das Eisen der Stromspule in der Sättigung sein sollte, müsste es eigentlich einen negativen Fehler geben, oder? Was ist die Ursache des Messfehlers?

Übrigens sind dem netzfrequenten Strom starke Störungen höherfrequenter Art überlagert, der Strom erinnert kaum noch an Sinus, 20 % Störamplitude. Ein gleiches Bild erhält man, wenn man einen RC-Spannungsteiler am Netz betreibt und die Spannung an R anschaut. Das dürfte daran liegen, dass die höheren Frequenzen vom C bevorzugt werden.
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Werner Holtfreter
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Das ist Verzerrungsblindleistung aus dem Netzteil des Indiktionsfeldes. Die kannst du mit deinem elektromechanisches Messgerät nicht messen, das kann nur die Grundschwingung bemerken, weil die Produktbildung über viele Perioden gemittelt ist. Ist ein höherfrequentes Signal überlagert, ist die Anzeige grundsätzlich flasch.

Nein, eine RC-Schaltung an einem sauberen Netz zeigt ausschließlich Verschiebungs-Blindleistung. Erst wenn irgendwo eine Nichtlinerarität, z.B. ein Gleichrichter, vorkommt, ergibt sich Verzerrungsblindleistung, weil der Strom eben nicht mehr linear von der Spannung abhängt.

Mit freundlichem Gruß

Jan

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Jan Kandziora

Am 06.03.2011 23:34, schrieb Werner Holtfreter:

Die Phasenverschiebung Deiner Stromspule ändert sich bei zunehmender Sättigung, aus den eigentlich korrekten 90° im Zeigerdiagramm wird irgendetwas Blindleistung wird fälschlicherweise als Schein/Wirkleistung gemessen?

O.J.

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Ole Jansen

Hallo, Jan,

Du meintest am 08.03.11:

Nein - das ist nicht gottgegeben.

Und das ist noch wieder ein anderes (eventuelles) Problem, das mit der Nicht-Anzeige sehr wahrscheinlich überhaupt nichts zu tun hat.

Jede Anzeige ist "falsch", nach irgendwelchen Kriterien.

Viele Gruesse! Helmut

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Helmut Hullen

Wie soll das gehen? Die Phasenlage des Stromes durch die Stromspule wird von außen aufgezwungen! Lediglich mit dem Anteil des Eigenverbrauchs der Stromspule kann diese einen Einfluss ausüben und je nach dem, ob man den Leistungsmesser spannungs- oder stromrichtig anschließt, hätte man auch einen Einfluss auf das Messergebnis. Aber 25 W Eigenverbrauch im Messgerät würden sich thermisch und olfaktorisch bemerkbar machen.

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Werner Holtfreter

Nur zum Teil, zum anderen Teil siehe unten.

Ich bin der Auffassung, dass ein elektrodynamisches Messwerk MOMENTANwerte von Strom- und Spannung multipliziert!

Wenn dem so ist, fehlt eine passende Begründung.

Ein reales Versorgungsnetz ist aber nicht sauber. Es gibt überlagerte hochfrequente Einflüsse und der deutlich sichtbare Ersatz der Sinusspitzen durch ansteigende Geraden, die auf Ladekondensatoren in Energiesparlampen und anderen Schaltnetzteilen ohne PFC (power factor correction) zurückzuführen sind.

Für die hochfrequenten Anteile ist Xc aber geringer als für 50 Hz, sie werden also relativ stärker zum Messwiderstand durchgelassen.

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Werner Holtfreter

Eine Idee noch: Die Kondensatoren in der Last (nach dem Strom zu urteilen

4,4 µF) in Reihe mit der Stromspule könnten zufällig in Reihenresonanz sein, was den Strom nochmals erhöht. Ich müsste den Strom gelegentlich mit und ohne Leistungsmesser messen. Vielleicht wird die Stromspule mit mehr als dem 3-fache Nennstrom belastet. Alles möglich, klärt die Grundfrage aber auch nicht.
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Werner Holtfreter

Ja, du darfst deshalb aber keinen gedanklichen Kurzschluss fabrizieren.

Die Auslenkung des Messwerkes ist eine Mittelung der Differenz des Drehmoments in Richtung positiver Werte (Momentanwerte von Strom und Spannung mit gleicher Polarität) und des Drehmoments in Richtung negativer Werte (Momentanwerte von Strom und Spannung mit ungleicher Polarität). Bei reiner Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung klappt das wunderbar.

Fließt nun aber z.B. bei einer Phasenanschnittschaltung nur Strom im zweiten und vierte Quadranten einer Periode, so wird das Messwerk eine Wirkleistung gleich der Scheinleistung anzeigen, weil Spannung und Strom immer dieselbe Polarität haben. Blickt man jedoch mal von etwas weiter weg auf die Strom- und Spannungskurve, wird man sehen, dass die um die Fläche unter der jeweiligen Kurve gewichteteten Mitten von Spannung und Strom gegeneinander verschoben sind. Das bewirkt Verzerrungsblindleistung, die das Messwerk nicht anzeigen kann, weil es eben nur den Mittelwert der Momentanprodukte bildet.

Mit freundlichem Gruß

Jan

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Jan Kandziora

Hallo, Jan,

Du meintest am 09.03.11:

Hmmm - "Scheinleistung" kann nicht gemessen werden, sie ist ein pures Mathe-Konstrukt.

Was sind die "gewichteten Mitten"? Ein elektrodyn. Messwerk zeigt das zeitliche Mittel von Augenblickswerten. Und die Augenblickswerte sind nach Deiner Annahme ("weil Spannung und Strom immer dieselbe Polarität haben") stets positiv. Also ist auch das zeitliche Mittel positiv.

Sorry - dieser Idee vermag ich nicht zu folgen.

Viele Gruesse! Helmut

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Helmut Hullen

Am 08.03.2011 18:28, schrieb Werner Holtfreter:

Sorry, ich meinte nicht die Phasenverschiebung der Spule selber sondern die Phasenverschiebung des Magnetflusses im Spulenkern. Wenn der Spulenkern oberhalb der Sättigung betrieben wird, würde ich erwarten, daß Dein Kreuzspulenmesswerk aufgrund der zeitlichen Verzerrungen des Magnetfeldes für den Strompfad Wirk- und Blindleistung nicht mehr korrekt trennen kann.

Eine Änderung der Messbedingungen durch das Messgerät selbst kann durchaus eine Rolle spielen. Verringert sich der Strom, wenn Du die Stromspule testweise mal brückst?

Viele Grüße,

O.J.

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Ole Jansen

Natürlich kannst du die Scheinleistung messen. Sie ist definiert als das Produkt aus dem quadratischen Mittelwert der Spannung und dem quadratischen Mittelwert des Stroms. Wenn du ein Messwerk benutzt, dass zuerst diese Mittelwerte bildet und erst dann das Produkt, erhälst du die Scheinleistung.

Das sowas elektronisch einfacher zu konstruieren ist als mechanisch versteht sich von selbst.

Zerlege die "eckige" Stromform in Grundschwingung und Oberschwingungen. Die einzelnen Anteile sind dann nach rechts phasenverschoben, weil ja nur im 2. Quadranten Strom fließt. Das entspricht induktiver Blindleistung.

Das Messwerk unterscheidet diesen Fall aber nicht von dem Fall, dass der Strom rein sinusförmig und phasenrichtig mit der Spannungskurve verläuft. Die Summe der Momentanprodukte unter der Kurve ist bei geeigneter Wahl des Strom-Scheitelwertes gleich der obigen, und damit auch der zeitliche Mittelwert.

Im Fall mit Verzerrung bekommt man vom Messwerk also einen Wert angezeigt, der identisch zu einem von sinusförmigen, phasenrichtigem Strom (reine Wirkleistung) hervorgerufenen ist. Man wird ihn deshalb auch für Wirkleistung halten.

Tatsächlich ist es aber Wirkleistung + Verzerrungs-Blindleistung, also eine Scheinleistung.

Mit freundlichem Gruß

Jan

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Jan Kandziora

Hallo, Jan,

Du meintest am 09.03.11:

Das ist keine Messung, das ist Rechnung. Auf einem solchen Weg kannst Du auch das Produkt von Luftdruck und Körpergewicht bestimmen.

Viele Gruesse! Helmut

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Helmut Hullen

Helmut Hullen schrieb:

Nach der Definition ist ein Ferraris-Zähler kein Messgerät sondern ein Rechner.

Siegfried

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Siegfried Schmidt

"Siegfried Schmidt" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@schmidt.ath.cx...

Hi, und eine Sanduhr ein Integrator...

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gUnther nanonüm

Unten ein Dreheisenmesswerk für die Spannung, logarithmisch eingestellt. Statt eines Zeigers eine bewegliche Platte, darauf ein Dreheisenmesswerk für den Strom, ebenfalls logarithmisch eingestellt, mit Zeiger. Dann ist die Anzeige die Summe zweier Logarithmen, also das Produkt des Mittelwertes der Spannung und des Mittelwertes des Stroms.

Ist das genug gemessen?

Elektronisch ganz genauso, falls man lineare Eingangswerte hat, kommt halt ein Logarithmierer vor den Summierer.

Oder halt D/A-Wandeln und dann rechnen. Wobei bei Floats dann wieder logarithmiert wird...

Mit freundlichem Gruß

Jan

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Jan Kandziora

Wenn Strom und Spannung die gleiche Richtung haben, dann ist es Wirkleistung! Das Messgerät multipliziert vorzeichenrichtig die Momentanwerte von Spannung und Strom und mittelt die positiven und negativen Ergebnisse wegen der mechanischen Trägheit. Die Kurvenform sollte eigentlich keine Rolle spielen.

Ich habe nun den wahren Grund herausgefunden:

Der Standby-Strom des Kochfeldes beträgt 0,61 A (meine ursprüngliche Angabe war falsch, aber das ist nicht entscheidend).

Wenn der Strompfad des Leistungsmessers mit im Stromkreis liegt, steigt der Strom auf 0,62 A. Ursache ist die Induktivität des Messwerkes, die sich auch oszillografisch als Verringerung des Phasenwinkels von ca. 90° kap. auf ca. 80" zeigt. Auch das ist nicht entscheidend.

Wesentlich ist, dass bei 0,62 A eine Spannung von 32 V (!) an der Stromspule abfällt. Ich nehme an, dass das überwiegend ohmsche Verluste sind, die sich somit auf 20 W multiplizieren!

Standardmäßig betreibe ich den Leistungsmesser in stromrichtiger Schaltung, denn bei spannungsrichtiger Schaltung messe ich schon ohne Last den Eigenverbrauch der Spannungsspule in Höhe von 2,2 W.

Bei stromrichtiger Schaltung misst man jedoch den Eigenverbrauch der Stromspule mit, die bei der hier gegeben Überlastung des Strompfades 20 W beträgt. Zusammen mit der Last kommt dann ZeigerANschlag zu Stande, der mich glücklicherweise veranlasst hat, gleich wieder abzuschalten, denn

20 W verkraftet die Stromspule wohl nicht sehr lange.

Die Leistungsmessung in *spannungsrichtiger* Schaltung ergab 4,4 W. Abzüglich des Eigenverbrauchs der Spannungsspule gibt das 2,2 W, was ein plausibler Wert ist.

In die Stromspule werde ich künftig wohl eine Sicherung schalten.

Interessant wäre noch die Frage, ob man den Messbereich durch einen Shunt erweitern kann bzw. wie groß dadurch die Messabweichung wird. Probleme sehe ich in unterschiedlichen Temperaturkoeffizienten (Spule wahrscheinlich Cu), vor allem aber in der Phasenverschiebung zwischen dem induktiven Strompfad des Messgerät und dem ohmschen Shunt.

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Werner Holtfreter

Nein. Wirkleistung ist es, wenn Spannung und Strom einander proportional sind. Nur dann gilt nämlich das Ohmsche Gesetz und nur dann handelt es sich beim Verbraucher um einen Ohmschen Widerstand. Und nur der hat reine Wirkleistung. Alle anderen Verbraucher benötigen zusätzlich Blindleistung, weil irgendwo die Energie zwischengespeichert werden muss, die durch die nicht-proportionalität von Spannung und Strom aufläuft.

Genau das ist es, was dein Messgerät dir anzeigt. Das ist aber im von mir beschriebenen (und dir vorliegenden) Fall keine Wirkleistung, sondern eine Scheinleistung.

Mit freundlichem Gruß

Jan

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Jan Kandziora

Hallo, Jan,

Du meintest am 13.03.11:

Unfug - sorry.

Auch "linearer Widerstand" genannt. Aber Wirkleistung wird auch von nichtlinearen Widerständen (z.B. Glühfäden) in Wärme umgesetzt.

Unfug.

Viele Gruesse! Helmut

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Helmut Hullen

Es geht hier nicht um *reine* Wirkleistung an einem ohmschen Widerstand, es geht um den Anteil der Wirkleistung an einem komplexen Widerstand.

Das ohmsche Gesetz gilt übrigens auch bei Xc und Xl! Einen Kondensator kann man wunderbar durch Strommessung an Wechselspannung ausmessen.

Xc = U / I

Machen wir uns ein Bild: Im LC-Schwingkreis pendelt die Energie zwischen l und C hin und her. Ein Leistungsmesser in der Verbindungsleitung würde Null anzeigen. Hin- und her fließende Leistung ist Blindleistung. Ob die Energie im Sinus pendelt oder als Impuls, sollte keine Rolle spielen. Mathematisch nicht und messtechnisch auch nicht.

Um die Scheinleistung zu messen, brauche ich keinen Leistungsmesser, da genügt die Multiplikation separat vorgenommener Spannungs- und Strommessung. (Wenn die Kurvenform kein Sinus ist, muss es allerdings ein echtes Effektivwertmessgerät sein, z.B. ein Dreheisenmesswerk.)

Im Falle des Induktionskochfeldes beträgt die Scheinleistung übrigens ca.

0,61 A * 230 V = 140 VA

Um den Beweis anzutreten, dass ein elektrodynamischer Leistungsmesser auch bei Impulsstrom richtig misst, habe ich eine 15 W Kompaktleuchtstofflampe angeschlossen. Das Oszi zeigt einen sehr steilen Stromanstieg kurz vor dem Scheitelwert der Netzspannung und einen flacheren, ungleichmäßigen Abfall, wie bei einem Non-PFC-Netzteil zu erwarten. Die meiste Zeit fließt kein Strom. Der Messwert ist 16 W, also dicht am Nennwert.

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Werner Holtfreter

Ein Glühfaden zieht während einer Schwingungsperiode einen der Spannung nahezu proportionalen Strom aus dem Netz. Der Widerstandswert ist schließlich nicht von der Spannung, sondern von der Temperatur abhängig, und die ändert sich während einer Schwingung nicht so stark. Man könnte mal messen wieviel es ist, vermutlich ein Fliegenschiss im Vergleich zum Ohmschen Anteil.

Wenn du z.B. einen Gleichrichter+Ladeelko nimmst erhälst du einen "Widerstand", bei dem der Strom sich während jeder Schwingunghälfte nichtproportional zur Spannung verhält. Und genau so etwas verursacht Blindleistung, in diesem Fall mal kapazitive.

Für den Anfang besser erkennbar ist das aber bei Phasenanschnitt- bzw. Phasenabschnittschaltungen, auch diese haben selbst bei rein ohmschen Verbrauchern hinter dem Stromrichter einen Blindleistungsbedarf.

Und bevor du erneut nmit "Unfug, Unfug" um dich schmeißt, liest du am besten Mal ein Buch zum Thema. Ich habe gerade "Elektrische Antriebe 4" von Dierk Schröder aus dem Regal geholt, um dir die ISBN 3-540-57609-6 rauzusuchen. Empfehlenswerte Lektüre.

Mit freundlichem Gruß

Jan

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Jan Kandziora

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