Hochofenprozess in den 40ern: Weniger kalkhaltige Erze benoetigt?

Hallo allerseits:

Ich forsche über ein Bergwerk, um genauer zu sein: Das ehemalige Eisenerzbergwerk Freiburg-St. Georgen am Schönberg.

Dieses Erzbergwerk war in den Jahren 1937-42 in Betrieb. Die Erzförderung wurde wegen Unrentabilität eingestellt, nachdem in steigendem Maße Eisenerz aus Lothringen verfügbar war.

Nun gibt es da möglicherweise noch einen anderen Punkt: Ein Bekannter sagte, daß die Erze des Schönbergs, die trotz ihres recht geringen Eisengehaltes von um die 20% ihres hohen Kalkgehaltes wegen als Zuschlagerze eingesetzt wurden, auch deshalb unnötig(er) geworden seien, weil durch Verbesserung der Hochofenprozesse in den 30ern/40ern 'saurere' Erzgemische verhüttet werden konnten.

Nun konnti ich dazu leider nirgends etwas finden, das über allgemeines hinausgeht. Daher: Kann das mir dasjemand bestätigen (oder falsifizieren)? Und wenn das stimmt, kann mich jemand zu diesbezüglichen Ressourcen (Buch oder Web) leiten, wo ich genaueres finden kann?

Viele Grüße, Christian

PS. Ich hatte etwas Zweifel bei der Gruppenwahl; bitte f'up korrigieren, wenn nötig...

-- Wenn Du mich weiterhin mit dem Randi-Kram nervst, muss ich Dich leider plonken - bzw. Dir eine Merkbefreiung ausstellen (Richard 'Paradigma' Vetter dsa )

Reply to
Christian Roessler
Loading thread data ...

Christian Roessler verfasste am 09.12.2005 17:01:

Das trifft zu. Nach dem Verlust des lothringischen Eisenerzreviers infolge des 1. Weltkriegs war das große Eisenerzlager im Raum Salzgitter das mit Abstand bedeutendste Vorkommen in Deutschland. Der hohe Gehalt an Kieselsäure behinderte aber dessen Verhüttung. Daher wurde schon 1920 von deutschen Stahlwerken die "Erzstudiengesellschaft" gegründet. Anfang der 30er Jahre war das an der Bergakademie Clausthal entwickelte Paschke-Peetz-Verfahren zur Alleinverhüttung kieselsäurehaltiger Erze einsatzreif. Zeitgleich wurde in Corby (GB) ein ähnliches Verfahren entwickelt.

Lit.: Riedel, M.: Die Entwicklung des sauren Schmelzverfahrens durch Paschke und Peetz. In: Technikgeschichte 36, 1969, S. 38-67

In de.sci.ing.misc sind u.a. kompetente Metallurgen.

Joachim

Reply to
Joachim Schmid

Vorher schrieb Joachim Schmid:

Bingo:)!

Ah, nochmal bingo; das paßt ja dann zusammen, das Puzzle: Autarkiebestrebungen des Dritten Reichs, zu saure Erze in Salzgitter, daher Prospektion und Erschließung recht kalkhaltiger Doggererze.

Das paßt dann _perfekt_. Darf ich davon ausgehen, daß bei Verfahrensänderungen in solch großtechnischem Maßstab Vorlaufzeiten bis zum breiteren Einsatz eines neuen Verfahrens durchaus 10-15 Jahre vergehen können; ich meine, eine Hochofenanlage läuft soch sicherlich so einige Jahre bis zum Ersatz?

Prima. Lokalisiert (UB FR), und wird am Montag angesehen. Und der Verfahrensnamen liefert mir den Anhaltspunkt, den ich brauche, um an Statistiken und weitere Informationen zu kommen.

Joachim, vielem herzlichen Dank! Du hast mir sehr geholfen!

Glückauf, Christian

Reply to
Christian Roessler

Christian Roessler verfasste am 09.12.2005 20:30:

Jein. Man kann durchaus auch (in gewissen Grenzen) vorhandene Anlagen umstellen, z.B. durch Änderung der Zuschlagstoffe und Prozessführung, oder andere Ausmauerung der Öfen. Aber auch so eine Umstellung geht nicht von heute auf morgen. Zudem haben die Hüttenwerke an Ruhr und Saar lieber weiterhin Importerze als die schlechten Inlandserze verarbeitet. Die Umstellung kam dann zwangsweise durch den Kriegsausbruch 1939.

Und damit es für dich noch besser passt: Das erste speziell für das Paschke-Peetz-Verfahren errichtete Hüttenwerk waren die "Reichswerke Hermann Göring" in Salzgitter (sic!), erbaut ab 1937, erster Abstich 1939.

:-) Gleichfalls!

Joachim

Reply to
Joachim Schmid

Vorher schrieb Joachim Schmid:

Ah, ich verstehe!

Das scheint mir auch eingängig: Jeder arbeitet wohl lieber mit Rohstoffen besserer Qualität.

Auch logisch:).

Und ja, das...

...paßt einfach _blendend_. Eine Verkettung damit liegt dann sehr im Wahrscheinlichen; schließlich hingen die 'Vereinigten Stahlwerke' bzw. die 'Barbara Doggererz' auch firmenleitungsmäßig mit den Hermann-Göring-Werken zusammen und haben auch für deren Bedarf produziert. Kalkhaltige Doggererze wurden ja nicht nur in Freiburg abgebaut.

Danke dir nochmal; die Puzzlestücke passen jetzt wesentlich besser auch chronologisch ineinander als nur mit der ausschließlichen Erklärung 'Lothringen überrannt':

Also:

1937 Eröffnung Bergwerk Schönberg 1939 erster Hochofen nach Paschke-Peetz -----\ 1940 Lothringer Erze verfügbar | 1941 Abbauhochzeit Bw. Schönberg (mit Halde) | Steigende Anwendung P-P 1942 Betriebseinstellung | - Ich habe gerade ein Gefühl, als ob das letzte Stück eines 2000er Puzzles an Ort und Stelle habe. Und es ist schön, wenn mal eine meiner Hypothesen zutrifft:). Auch scheint mir, daß also nicht nur die lothringer Erze meinem Bergwerkchen den Todesstoß gaben, sondern mindestens in gleichem Maße der Paschke-Peetz-Prozeß.

Wenn es jemanden interessieren sollte: Ich fange gerade an, meine Ergebnisse in's Netz zu bringen: . Aber ich habe gerade erst damit angefangen, also vielleicht besser erst in zwei Wochen 'reinschauen - jetzt ist alles noch etwas sehr rudimentär.

Heh, astrein; vielen Dank und viele Grüße (und Glückauf:), Christian

Reply to
Christian Roessler

Hi ihr,

interessante Details aus der Vergangenheit der Stahlwerke hier in der Gegend!

Das Stahlwerk gibt es übrigens immer noch. Es ist mit dem Elektrostahlwerk in Peine (auch ein Ex-Hermann Göring-Werk)und dem Grobblechwerk in Ilsenburg und dem Mannesmann-Röhrenwerk unter dem Dach der Salzgitter-AG vereint. Aus Salzgitter kommen heute Flachstahl und High-Tech-Bleche für die Automobilindustrie, aus Peine Träger für die Bauindustrie.

MfG Jörg

Reply to
Jörg Offner

Am Fri, 09 Dec 2005 17:01:00 +0100 schrieb Christian Roessler:

Falls es dich interessiert: Der Reichsarbeitsdienst hat in derselben Zeit bei Wolfstein in der Pfalz erfolglos versucht, einen Eisenerzabbau aufzuziehen. Vorher und noch bis in die 1970er gab es dort Kalkbergbau. Vielleicht gibt es da Zusammenhänge.

(Einer der Offiziere in dem Lager, das den Versuchsbergbau betrieb, hieß Herbert Warkus...)

mawa

Reply to
Matthias Warkus

Vorher schrieb Matthias Warkus:

Ja sehr! Immer her damit, gern auch per Email. Ich werd' gleich morgen mal sehen, was ich über Wolfstein 'rauskriegen kann; eventuell ergeben sich interessante Parallelen, die mir bei 'meinem' Bergwerk weiterhelfen... falls ich spezielle Fragen hätte, kann ich dir 'ne Email schreiben?

Ah, dann wundert's mich nicht, daß du das weißt:).

Viele Grüße, Christian

Reply to
Christian Roessler

Ich maile dir auch noch was, zum 1934 aufgeschlossenen "Staufenstollen" bei Geislingen - auch so eine Autarkie-Grube, die allerdings noch bis in die 60er Jahre gefördert hat.

Joachim

Reply to
Joachim Schmid

Christian Roessler schrieb:

Wende Dich mal an

formatting link
Gruß, Marcel

Reply to
Marcel Normann

PolyTech Forum website is not affiliated with any of the manufacturers or service providers discussed here. All logos and trade names are the property of their respective owners.