Hallo,
Ich beziehe mich auf diesen Artikel von Dipl.-Ing. Michael Hirsch:
Durch die Nullungsverordnung 1998 und die Errichtungsbestimmung ÖVE/ÖNORM E 8001-1 ist die Betrachtungsweise der Schutzmassnahmen und des Schutzkonzeptes massiv verändert worden. Ergänzend dazu hat das Verhalten vieler Betreiber elektrischer Anlagen Einfluss auf die heutige Sicht des Schutzes gegen gefährliche Körperströme genommen.
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Der Grund, warum nun im Zusammenhang mit elektrischen Anlagen eine Verschärfung der Rahmenbedingungen herbeigeführt wurde, hat damit zu tun, dass in zahlreichen Anlagenbetreiberköpfen kein Verständnis zu finden ist, dass ein derart sensibles Gerät wie ein Fehlerstromschutzschalter aufgrund seines feinmechanisch überaus komplizierten Aufbaus pflegebedürftig ist. Die sechsmonatlichen Pflegeintervalle, die in der ?alten? Bestimmung zum Betrieb elektrischer Starkstromanlagen (ÖVE-E 5/1989) vorgesehen sind (und leider in der derzeit verbindlich gültigen Bestimmung ÖVE EN 50110 nicht mehr enthalten sind), führen wegen des damit verbundenen lokalen Ausfalls der Energieversorgung im nach dem Fehlerstromschutzschalter in Energieflussrichtung liegenden Anlagenteils beim Anlagenbetreiber häufig zu Stressreaktionen. Dabei wäre die Umstellung auf die Sommerzeit am 30. März 2008 ja eine gute Gelegenheit dafür gewesen. Sogar in den 12 Uhr-Nachrichten auf Ö3 wurde auf die Prüfung der FI-Schalter hingewiesen. Je nach Tätigkeitsbereich werden folgende Gründe für berechtigtes Nicht-Prüfen angeführt:
- Alle Uhren müssen gestellt werden!
- Sendereinstellung von Empfangsgeräten, deren Stützbatterie des Sender-Speichers leer ist.
- Betriebsunterbrechung hochempfindlicher Datenverarbeitungssysteme, die von niemandem ordnungsgemäss niedergefahren und anschliessend gebootet werden können.
- Unterbrechung von Telefongesprächen in Mobilfunknetzen (betrifft alle Netzbetreiber)
Die Liste kann noch beliebig fortgesetzt werden. Dabei könnte alles mit geeigneter Wahl von Maßnahmen beherrscht werden. Und selbst der prüfungsbedingte Ausfall des EDV-Systems lässt sich durch Auswahl einer Schutzmassnahme, die ohne Auslösung geprüft werden kann und keinen Fehlerstromschutzschalter für die Umsetzung des Zusatzschutzes benötigt (z.B. Isolationsüberwachungssystem, Schutztrennung für mehrere Betriebsmittel) vermeiden.
Die Resultate von unterlassenen Prüfungen von Fehlerstromschutzschaltern sind Ausfälle (d.h. Fehlerstromschutzschalter löst nicht aus) der Fehlerstromschutzeinrichtungen in Anlagen, die fünf Jahre oder länger in Betrieb sind, in der Größenordnung von mehr als 10 %. Da der Grossteil der öffentlichen Niederspannungsversorgungsnetze bis zum Inkrafttreten der Nullungsverordnung als TT-Systeme mit Anwendung der Schutzmassnahme Fehlerstromschutzschaltung betrieben wurden, war damit grob abgeschätzt für 10 % der Anlagen, die älter als fünf Jahre waren, kein wirksamer Fehlerschutz vorhanden.
Zum Aufbau sicherer Anlagen mit Zusatzschutz wurde die Nullung als zuverlässige Maßnahme des Fehlerschutzes bei indirektem Berühren mit einem Fehlerstromschutzschalter mit einem Auslösefehlernennstrom von maximal 30 mA zur Nullung mit Zusatzschutz kombiniert. Um die Vorteile der Nullung (wartungsarme Schutzmassnahme, die ohne Abschaltung geprüft werden kann) mit der Sensibilität des Zusatzschutzes zu kombinieren, ist es erforderlich, die Wirkung der Nullung auch nach der Fehlerstromschutzeinrichtung, d.h. an der Steckdose und an den Versorgungspunkten der Betriebsmittel, zu überprüfen. Im Fall eines Fehlers des Fehlerstromschutzschalters kann zumindest die Schutzmassnahme Nullung eine Fehlerabschaltung herbeiführen. Bei konventioneller Messung der Fehlerschleifenimpedanz führt die Prüfung zur Auslösung der vorgeschalteten Fehlerstromschutzeinrichtung für den Zusatzschutz. Der Prüfablauf zur Prüfung der Schutzmassnahme Fehlerstromschutzschaltung ohne Auslösung des Fehlerstromschutzschalters (nur eine Teilprüfung der gesamten Prüfaufgabe) führte in der Vergangenheit zu unbefriedigenden Ergebnissen, war doch das Beurteilungskriterium der Fehlerstromschutzschaltung die auftretenden Fehlerspannung und nicht die Fehlerschleifenimpedanz.
Erst die Messgeräteentwicklungen der letzen 3 bis 4 Jahre gestatten eine Messung der Fehlerschleifenimpedanz mit ausreichender Genauigkeit und Auflösung (z.B. Auflösung auf 10 Milliohm = 0,01 Ohm) ohne Auslösung des im Fall des Zusatzschutzes vorgeschalteten
30 mA-Fehlerstromschutzschalters.Die einzige Alternative dazu ist die Messung der Fehlerscheifenimpedanz vor dem Fehlerstromschutzschalter und anschließende Messung der niederohmigen Verbindung über Außenleiter und Schutzleiter mittels Niederohmmessung mit Addition der Messergebnisse (physikalisch nicht ganz richtig, da die induktive Komponente der dem FI-Schalter nachgelagerten Leitungsteile vernachlässigt wird) zur Fehlerschleifenimpedanz an der Steckdose oder der Betriebsmittelanschlussstelle, eine machbare, jedoch aufwändige und umständliche Methode der Ergebnisermittlung.
An dieser Stelle sei auch auf Messbereiche, Fehler und sonstige Unbillen der Messtechnik hingewiesen. Zur Glaubwürdigkeit von Messergebnissen und damit auch von Prüfbefunden sind diese Überlegungen unerlässlich. Die Angabe von Messergebnissen, die außerhalb der definierten Messbereiche von Messgeräten liegen oder deren Fehler außerhalb der zulässigen Fehlerbereiche der Messgerätebestimmung ÖVE EN 61557 liegen (max. zulässig +/- 30% für die Schleifenimpedanzmessung), liefern keine glaubwürdige Aussagen über die Qualität und den ordnungsgemäßen Zustand von elektrischen Anlagen.
Wenn es sich tatsächlich Mist handelt, de gemessen wird, dann darf dieser Mist nicht als den Anschein der Glaubwürdigkeit erweckendes Messergebnis verkauft werden.
Der Notwendigkeit nach Überprüfung der Nullung auch bei Anwendung des Zusatzschutzes im Sinne der konsequenten Umsetzung des dreistufigen Schutzkonzeptes wird auch in der verbindlichen Bestimmung ÖVE/ÖNORM E 8001-6-61 (Errichtung von elektrischen Anlagen mit Nennspannungen bis »1000 V und = 1500 V Teil 6-61: Prüfungen ? Erstprüfungen) Rechnung getragen und als zwingender Bestandteil der Schutzmassnahmenüberprüfung angeführt.
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Waren in Österreich noch bis 1998 TT-Netze vorherrschend?
Zweifellos ist es wünschenswert, wenn trotz eingebautem FI-Schalter die Nullungsbedingung eingehalten wird. Ist das in D und Ö aber tatsächlich vorgeschrieben, bzw. unter welcher Randbedingung ist das vorgeschrieben?