Morsekegel

Hallo Normalerweise macht man sich keinen Kopf über solche Sachen, aber da ich diese Woche die genauen Maße von Morsekegeln wissen musste, stellte ich erstaunt fest das alle Kegel (MK 1-5) verschiedene Steigungen haben. Sie schwanken alle ein wenig um 1:20 (metrischer Kegel). Warum ist das so? Und warum diese Abweichung gegen 1:20? So minimal wie die Abweichung sind (und dann auch noch +-) kann ich keinen physikalischen Grund erkennen.

Mit freundlichen Grüßen Peter Nießen

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Peter Niessen
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Moin,

Peter Niessen hat geschrieben:

Vermutlich konnte die an der Norm maßgeblich beteiligte Firma genau diese Steigungen gut herstellen, die Konkurrenz jedoch nicht. Das Erzeugen von Normen ist ein beliebtes Verfahren um lästige Konkurrenten abzuschütteln. Oder es waren mehrere Firmen beteiligt und jeder konnte mit seinen Maschinen eine andere Steigung am Besten herstellen, also durfte jeder eine Zahl sagen.

CU Rollo

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Roland Damm

Peter Niessen verfasste am 10.12.2005 12:15:

Das hat rein fertigungstechnische Gründe. Voraus zu schicken wäre, dass der Morsekegel eine uralte Sache ist, die erst lange nach ihrem Entstehen genormt wurde. Der alte Mr. Morse machte sich keine Gedanken um Systematik, sondern er drehte sich die Dinge buchstäblich so zurecht, wie es sich in der Praxis ergab. Da war nicht entscheidend, ob der Kegelwinkel bei allen Größen der selbe ist.

Es kommt bei solchen Steckkegelsystemen auf die Fertigungsgenauigkeit des Kegels an. Mit der Gradeinteilung am Oberschlitten der Drehmaschine und einem Winkelmesser bekommt man das nicht hin. Der Kegel muss also nach Lehre gedreht werden, oder man stellt den Schlitten nach Längsweg und Durchmesserdifferenz ein. Auch die Prüfung des Kegelwinkels erfolgt durch Messung von Referenzdurchmessern mit definierten Abständen. Diese Referenzmaße wurden natürlich so gewählt, dass es möglichst "glatte" Maße wurden - und die im Zollsystem mit seinen lustigen Brüchen statt Dezimalzahlen. Daraus ergaben sich dann eben bei den einzelnen Größen leicht variierende Kegelwinkel.

Joachim

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Joachim Schmid

Roland Damm verfasste am 10.12.2005 13:17:

Stephen A. Morse entwickelte das Kegelsystem rein empirisch um 1864 und ließ es sich patentieren. 1868 wurde das fertige System beim US Bureau of Standards eingereicht und als Norm angenommen. Eine internationale Normung kam aber erst viel später, als sich das System wegen seiner Vorteile schon lange durchgesetzt hatte.

Fertiungstechnisch ist es kein Problem, wie groß der Betrag des Kegelwinkels ist. Damit kann man keinen Konkurrenten ausstechen. ca.

1:20 als Kegelwinkel ergab sich daraus, dass das ein guter Kompromiss aus Selbsthaltung, Zentrierung und Austreibbarkeit ist.

Morses Patent wäre als Mittel hierfür stärker gewesen.

Normung per Gesellschaftsspiel? Nöö.

Joachim

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Joachim Schmid

Am Sat, 10 Dec 2005 16:13:47 +0100 schrieb Joachim Schmid:

Merci! Deine Erklärung überzeugt mich.

Mit freundlichen Grüßen Peter Nießen

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Peter Niessen

Das wäre ein naheliegender Schluß. Probiert man es mal aus, kommen seltsame Ergebnisse raus.

d1: MK0: 9,045mm = 0,3561023.." MK1: 12,065mm = 0,475" = 1/10 + 3/8 MK2: 17,780mm = 0,725714.." MK3: 23,825mm = 0,93799.." MK4: 31,267mm = 1,23098.."

Das ist reichlich unmotiviert bis auf MK1, was aber dem 1/4, 1/8, 1/16 ... Raster nicht entspricht. 1/10" wäre ja schon "metrisch" und hab ich noch nie gesehen. ;-)

Neuer Versuch: d2: MK0: 9,2mm = 0,36220.." MK1: 12,2mm = 0,4979.."

abgebrochen, die Maße sind (metrisch) so rund, dass nix zölliges rauskommt.

Gleich geht es bei d3 und l1 weiter. Ich vermute, dass das einfach frei Auge entstanden ist, man dazu eine Lehre gebaut hat und fertig. Gemessen hat es keiner. Sollen sich die Anderen rumärgern wie sie das hinbekommen. Da liegt der Verdacht schon nahe, dass man es zum eigenen Schutz so eigenartig gemacht hat. Oder man eine Kegeldrehvorrichtung hatte, wo durch Lehren so seltsame Steigungen zustandegekommen sind. Bis es dann genormt wurde und es zu spät für "sinnvolle" Maße war.

Gruß, Nick

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Nick Müller

Ja.

Aber auch teurer.

Dooch. Ich saß in mehreren DIN-, VDI- und ISO-Gremien, und es war überall dasselbe. Es ging um ein bestimmtes Meßverfahren, und jede Firma kochte damals ihr eigenes Süppchen, das sie fürs allein Seligmachende hielt. Ein physikalisch völlig unhaltbares Prinzip konnte ich damals noch verhindern, aber es kommt auch so genug Schrott in die Normen und Richtlinien bzw. sie werden mehr oder weniger zu Handbüchern derjenigen Firma, die am regelmäßigsten ihre eloquenten Vertreter entsendet. Zum Glück kommen immer noch Hochschulvertreter, wenn's auch an Zeit und Geld gebricht, um den Obmann wenigstens etwas zu unterstützen, wenn's allzu arg ins wissenschaftliche Detail geht.

Viele Grüße Steffen

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Steffen Buehler

Steffen Buehler verfasste am 12.12.2005 08:49:

Völlig unbestritten.

Er hatte es ja schon. Bedenke, dass das vor 150 Jahren war - da war die Gebührensituation etwas anders.

Auch unbestritten. Ich kenne das Spiel auch. Aber man spielt es selten nach dem Motto "Jeder bekommt eine Baugröße, sagt mal was!". Die Normen, deren Entstehen ich erleben durfte, waren meist entweder eine unverhüllte Normung eines Werksstandards, oder ein nach außen durch systematische Konsequenz bemäntelter Kompromiss zwischen den Firmeninteressen.

Joachim

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Joachim Schmid

Nick Müller verfasste am 11.12.2005 14:42:

Dazu passt die Erzählung, dass Morse 2 Lehrensätze gemacht haben soll: Einen für seine Firma, und einen für das Bureau of Standards.

Kann gut sein. Oder bei der Normung hat man die ursprünglichen zölligen Nennmaße im Rahmen des Möglichen metrisiert. Ich werde mir mal die ASME-Version des Morsekegels besorgen.

Joachim

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Joachim Schmid

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