Das "ligninum opus" der R=F6mer wird bei den Venezianern zu "Terrazzo": ein besonderer Estrich f=FCr Hausflure, Fu=DFb=F6den und Altane in der Biedermeierzeit
Terrazzo als Bodenbelag mu=DF sehr alt sein. Zu vermuten ist auch eine historische Entwicklung der Arten des Ter- razzo. Wenn die Allgemeine Bauzeitung, die in Wien ge- gr=FCndet worden war, im Jahre 1836 =FCber den veneziani- schen Estrich, also Terrazzo, berichtet (1), darf man an- nehmen, da=DF die Venezianer durch diese Art des Boden- belags bekannt waren. Wie bei der katalanischen W=F6l- bung, dessen Name die Ursprungsfrage dieser Bautech- nik aufwarf, wird man den venezianischen Estrich auf sei- nen Ursprung hin verfolgt haben. Einen solchen zu kl=E4- ren, ist aber sehr schwierig. Lazzari f=FChrt an, er sei schon bei Vitruv und Plinius erw=E4hnt:
"Der Terrazzo ist gleichbedeutend mit dem, was Vitruv in cap.I.lib.7, und Plinius in lib.36.cap.25 unter dem lig- ninum opus verstehen, und ist also eine der r=F6mischen K=FCnste, welche sich vorzugsweise durch die Venezianer bis auf unsere Zeiten erhalten haben." (2)
Wenn eine so lange Entwicklung bis in das fr=FChe 19.Jahr- hundert existiert, dann will man wissen, wo solche Bo- denbel=E4ge ausgebreitet wurden und wie sie als Bodenbe- lag aussahen. Es d=FCrften sich dabei sehr viele =E4stheti- sche Entwicklungen in der Gestaltung herauskristalli- siert haben, die stilgeschichtlich untersucht werden k=F6n- nen. Solche historischen Belege von ligninum opus oder Terrazzo w=FCrden also sowohl eine Untersuchung der technischen Entwicklung wie der =E4sthetischen Fragen erlauben. Der Hinweis im Zitat aus dem Text von Lazzari, die Venezianer h=E4tten diesen Bodenbelag vorzugsweise eingesetzt, ist interessant. Es stellt sich die Frage, wa- rum sie ihn so gerne bauen liessen. Wo sie ihn in ihren H=E4usern nicht haben wollten, wird angef=FChrt:
"In den meisten H=E4usern Venedigs werden blo=DF die Fu=DFb=F6den der Zimmer in den h=F6hern Geschossen ter- rassirt, seltener aber das, Erdgescho=DF, weil das in dem Meerwasser enthaltene Salz zerst=F6rend darauf einwirkt." (3)
Salz greift also Terrazzo an, sch=E4digt es. Da die Lage der Stadt in einer Lagune spezielle Probleme f=FCr die H=E4user mit sich bringt, sind ohnehin die Erdgescho=DFe =DCbergangszonen, die eher nicht bewohnt werden, weil die in den Geb=E4uden aufsteigende Feuchtigkeit in die- ser Stadt immer ein Problem war. Gew=F6lbebau wurde in Venedig bei Privath=E4usern eher gemieden, so scheint es:
"Da in den venzianischen Privatgeb=E4uden, zur Erspa- rung des Raumes und Lichtes, selten Gew=F6lbe vorkom- men; so kommt es auch, da=DF dort nur selten =FCber Ge- w=F6lben ein Terrazzo gefunden wird." (4)
Einen Terrazzobelag zu legen, wird im Text vom Jahre
1836 immerzu "terrassiren" genannt. Wie ging man da- bei vor? Wenn zu ebener Erde "terrassirt" wurde, waren besondere Ma=DFnahmen notwendig. Es"mu=DF vor Terrassirung ebenerdiger B=F6den das alte, mit Salz geschw=E4ngerte Erdreich weggeschafft, und eine Schicht von einem, f=FCr die Aufnahme von Salz weni- ger empf=E4nglichen Materiale gelegt werden, woher man gew=F6hnlich eine Lage von Kohlen gibt." (5)
Dieser Hinweis ist interessant. Offensichtlich war die Er- fahrung gemacht worden, eine Kohlenschicht verhindert das Aufsteigen von Bodensalzen. Diesem Ph=E4nomen w=E4re weiter nachzugehen, um diese Auswirkung von Kohlenunterlagen besser zu verstehen.
Wenn Gew=F6lbe gebaut worden waren, wurde zur Ein- ebnung gerne der Hohlraum =FCber den Gew=F6lben mit Schutt ausgef=FCllt. Bei einer solchen Vorgehensweise waren jedoch Bausch=E4den aufgetreten, wenn ein Ter- razzo als Bodenbelag ausgebreitet wurde. Deswegen gab damals Lazzari den deutlichen Hinweis an seine Leser in der Biedermeierzeit, da=DF solche Sch=FCttungen nicht gemacht werden d=FCrfen:
"Bei der Terrassirung der Gew=F6lbe hat man jedoch zu- erst eine Ebene von Mauerwerk und nicht aus Mauer- schutt oder Urbau herzustellen, weil letzterer sich mit der Zeit setzt und dadurch den Estrich zerrei=DFt." (6)
Wird auf einer Holzbalkendecke ein Terrazzo ausgelegt, was in der Biedermeierzeit in Venedig eher die Regel war, legte man die Balken recht eng und nagelte die Bretter auf. Erst dar=FCber kamen die verschiedenen Schichten des Bodenbelags, der Terrazzo genannt wird.
"Vor allem mu=DF bei der Terrassirung der Fu=DFb=F6den be- r=FCcksichtigt werden, da=DF die Unterlagsbalken von hin- l=E4nglicher St=E4rke sind, und so weit aus einander liegen, als ihre Breite betr=E4gt." (7)
Man w=E4hlte also einen Balkenabstand in Breite eines Balkens. Dar=FCber wurden die Bretter in L=E4ngsrichtung der Balken genagelt. Man lese zu den eng liegenden Balken:
"Darauf werden dann Breter der L=E4nge der Balken nach, genagelt, und will man noch gr=F6=DFere Festigkeit erzielen, so gibt man eine zweite Breterlage =FCber die Quere." (8)
Das liest sich ungewohnt. Also Bretter wurden in der- selben Richtung aufgenagelt wie die Balken liegen. Nur um noch gr=F6=DFere Festigkeit zu erzielen, nagelte man dar=FCber eine Bretterschicht in der Querrichtung. Auf so oder so ausgerichtete und genagelte Bretter kam dann die erste Schicht des Terrazzo:
"Die erste Schichte welche man den Grund (fondo) nennt, besteht entweder aus St=FCcken alten Estrichs (die jedoch die Gr=F6=DFe einer Wallnu=DF nicht =FCberschreiten sollen), oder aus St=FCcken von Dach- und Mauerziegeln, oder auch aus gut gebrannten Kreidest=FCcken, welche dann mit Kalk so versetzt werden, da=DF man auf zwei Theile solcher Bruchst=FCcke einen Theil Kalk nimmt." (9)
Man breitet also ein Gemisch aus 1 Teil Kalk und 2 Tei- len Schuttst=FCcken als "fondo" auf dem verbretterten Fu=DFboden aus. Dieses Gemisch scheint im feuchten Zu- stand aufgetragen worden zu sein und durfte "nicht d=FCn- ner als 3 Zoll" sein, denn Lazzari schreibt:
"Diese erste Lage, welche nicht d=FCnner als 3 Zoll sein darf, wird mit einem eisernen Rechen (A), dessen Z=E4h- ne unter sich 3/4 Zoll entfernt stehen, gleichf=F6rmig aus- gebreitet, mit einem h=F6lzernen Schlegel (B) mehr in sich zusammen gedr=FCckt, und dann mit einem Eisen von der Form (C), in beil=E4ufigem Gewichte von 12 Pfund, nach der L=E4nge und Breite, durch 3 oder 4 Tage, je nachdem die Jahreszeit ist, so lange geschlagen, bis sich die Dicke der Lage um ein Drittel vermindert hat. Bevor diese Schicht aber ganz trocken wird, gibt man eine zweite von 2 Zoll Dicke /.../." (10)
Man hat dieses "fondo" also durch Arbeitsger=E4te ausge- breitet und verdichtet. Bevor diese Lage v=F6llig trocken war, kam die n=E4chste Schicht des Terrazzo dar=FCber:
"man (gibt) eine zweite von 2 Zoll Dicke, welche Decke (coperta) genannt wird, und ebenfalls aus den oben er- w=E4hnten Bruchst=FCcken besteht (dar=FCber), die jedoch kleiner und durch ein Sieb von h=F6chstens 3/4 z=F6lligen Oeffnungen gereitert sein m=FCssen. Diese Brocken wer- den mit ungel=F6schtem Kalke, wovon ein Theil auf zwei Theile Brocken genommen wird, zu einem M=F6rtel ver- bunden." (11)
Auch diese Schicht wird mit dem eisernen Rechen ausgebreitet. Nach Abschlu=DF dieser Arbeit wurde diese Lage aus feinerem Material je nach Jahreszeit andert- halb bis 2 1/2 Tage ruhen gelassen, dann bearbeitete man diese Schicht mit dem 12 Pfund schweren Eisen nach, und wenn diese Lage einen bestimmten Zustand der Trocknung erreicht hat, schl=E4gt man
"zu wiederholten Malen mit dem obgenannten Eisen der L=E4nge und Quere den Boden nach und nach unter sanften Schl=E4gen so fest, da=DF die Fu=DFtritte keine Spur des Eindr=FCckens mehr zur=FCck lassen." (12)
Nun ist also ein fester aber noch relativ roher Fu=DFboden entstanden, der jedoch noch verfeinert wird:
"Hierauf wird eine letzte Schicht von 1/4 - 1/3 Zoll ge- geben, welche halb aus Marmorstaub, halb aus unge- l=F6schtem Kalk besteht. Diese Schichte wird mit einer Kelle (D) aufgetragen, und darauf wird nun die Saat (semina) aus kleinen Marmorst=FCcken von verschiedener Gr=F6=DFe und Farbe gelegt. Man mu=DF indessen die mittel- gro=DFen und endlich die kleinen ausstreuen und in den Estrich vertiefen, indem man anf=E4nglich den h=F6lzernen Schlegel gebraucht, und sie dann mittelst der Walze von Marmor oder Eisen (E) vollends in den erw=E4hnten Zement eindr=FCckt. Wenn die Saat auf diese Weise be- festigt ist, so schl=E4gt man sie des Morgens und Abends l=E4ngere Zeit hindurch mir einem Eisen von der Form des in C bezeichneten, im Gewichte von 9 - 10 Pfund, immer fester, und wenn die Masse ganz hart geworden, so schleift man die Fl=E4che mit Wasser und einem Schleifsteine von der Form in F so lange, bis die kleinen Unebenheiten, welche durch das Schlagen mit dem erw=E4hnten Eisen entstehen, nicht mehr sicht- bar sind, womit dann auch zugleich die Steinchen zum Vorschein kommen, und sich ebnen." (13)
Es wird also ein M=F6rtel aus Kalk und Marmorstaub ausgebreitet, =FCber den kleine Marmorst=FCckchen aus- gestreut und in den M=F6rtel gedr=FCckt werden. Dieses gestalterische Element aus Marmorst=FCckchen hat man in Venedig "semina" genannt, was auf Saatgut anspie- len sollte. Durch die Nachbearbeitung ist daraus ein Bodenbelag geworden, dessen kleine Steinchen und der M=F6rtel, nach einem Schleifvorgang, einen Bodenbe- lag aus einer lebendigen Musterung aus kleinen Stein- chen ergeben sollten. Nach drei Monaten konnte eine weitere Nachbearbeitung ins Auge gefa=DFt werden:
"Nach beil=E4ufig 3 Monaten und dar=FCber, je nach der Witterung, kann man den Boden f=E4rben, indem man eine beliebige fl=FCssige Farbe mit Kalk, oder besser wei=DFer Thonerde mengt, und mit einem ebenen Stei- ne mittelst der Hand aufreibt." (14)
Der Boden lie=DF sich durch Farbauftrag, der einge- rieben wurde, wohl leuchtender machen. Aber dieser Farbauftrag barg auch Risiken:
"Es ist indessen besser, dem Terrazzo seine nat=FCrli- che Farbe zu lassen, weil dieselbe mit der Zeit durch die Fu=DFtritte wieder abgewetzt wird." (15)
Wichtiger war die abschlie=DFende Politur, mit der dem Terrazzo in der Biedermeierzeit und vermutlich auch zu anderen Zeiten der letzte Schliff gegeben wurde:
"Ist die ganze Masse gut ausgetrocknet, so gibt man die Politur, indem die Fl=E4che zuerst mit feinem Sande und einem Steine, und dann mit Bimsstein abgeschlif- fen wird. Risse und sonstige Zwischenr=E4ume, welche sich noch zeigen sollten, werden mit Zement aus wei=DFem Ziegelstaub und Kalk mittelst einer Kelle ver- schmiert, welcher Kitt, wenn er geh=F6rig trocken ist, mit einem Schleifsteine ebenfalls geebnet werden mu=DF. Nun wird der Boden mit einem nassen Lappen abge- waschen, und wenn er wieder geh=F6rig trocken ist, mit Lein=F6l eingerieben, welch' letzteres Verfahren man j=E4hrlich einige Mal wiederholen mu=DF, um den Fu=DFbo- den immer gl=E4nzend zu erhalten." (16)
Durch die Nachbearbeitung entsteht dann das charak- teristische Aussehen des Terrazzo. Aus einer weiteren Textstelle dieses Aufsatzes aus der Biedermeierzeit ist das gro=DFe Gestaltungsspektrum erkennbar, das sich mit Terrazzo erzeugen l=E4=DFt. Denn es wird von Lazzari formuliert:
"Es versteht sich von selbst, da=DF man statt der unre- gelm=E4=DFig aufgestreuten Saat auch eine Mosaik nach Art der Alten geben, oder auch einen Granit imitieren kann, wenn die Wahl der Steine danach getroffen wird." (17)
Das l=E4=DFt erahnen, was f=FCr ein Gestaltungspotential im Terrazzo gelegen haben mu=DF. Dieser Fu=DFbodenbelag d=FCrfte die Bauherren der Biedermeierzeit deswegen sehr gereizt haben. Es ist anzunehmen, da=DF die Berich- te =FCber den Terrazzo, die in der Allgemeinen Bauzeitung und anderswo zum Abdruck kamen, zu einer Baukultur des Terrazzo in den Gebieten des Deutschen Bundes und in der Zeit danach gef=FChrt haben. Deshalb d=FCrfte es sehr spannend sein, dieser Entwicklung bis in unse- re Zeiten nachzugehen. Weitere Aufs=E4tze zum Thema sind aufzusp=FCren und auszuwerten. Es gibt viele offene Fragen.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
Anmerkungen: (1) Lazzari: Die Verfertigung des venezianischen Estrichs oder des Terrazzo. S.60-63, Abb.S.61, in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1836. S.60 (2)-(3) zitiert aus: Lazzari, wie vor, S.60 (4) zitiert aus: Lazzari, wie vor, S.60+62 (5)-(16) zitiert aus: Lazzari, wie vor, S.62 (17) zitiert aus: Lazzari, wie vor, S.63 siehe auch: