Beton in der Biedermeierzeit: die vielen Ideen, ihn richtig herzustellen, führen zu Bauversuchen

Beton in der Biedermeierzeit: die vielen Ideen, ihn richtig herzustellen, f=FChren zu Bauversuchen

Von George Godwin gibt es eine Schrift, die sich mit dem Beton auseinandersetzt. (1) Sein Aufsatz ist auch ein Versuch, die Geschichte seiner Verwendung nachzu- zeichnen, um die vielen Ideen, wie man am sinnvollsten Beton herstellte, in einen Entwicklungszusammenhang zu bringen. So wird eingangs erw=E4hnt, was "dem jetzt so all- gemeinen Gebrauch dieses Materials in England" voran- ging:

"n=E4mlich die Erbauung der ersten Schleuse in dem Flusse Calder, wo Smeaton im Jahre 1760 sich einer B=E9tonmi- schung bediente, die Gr=FCndung der East India Docks in London, von Ralph Walker im Jahre 1800 zum Theil mit Konkrete aufgef=FChrt, endlich die Fundamente des Pene- tentiary und des Customhouse in London, welche bei dem ersteren zum Theil, bei dem letzteren g=E4nzlich aus Konkrete bestehen." (2)

Dieser Text von Godwin, der 1838 in deutscher =DCberset- zung in Wien erschien, also mitten in der Bl=FCte des Bie- dermeier, enth=E4lt auch einen Hinweis auf Semple. Zu seinem Vorgehen, guten und festen Beton herzustel- len, schreibt er:

"Semple zeigt in seinem Werke: A Treatise on Building in Water, 1776 (wonach mit geringer Ver=E4nderung diese Sache schon damals in dem Zustande gewesen zu sein scheint, in dem sie sich jetzt befindet), da=DF er die- ses Prinzip der Festigkeit besonders im Auge hatte. An der Stelle, wo er sein Verfahren beschreibt, sich von den besten Mischungsverh=E4ltnissen zu =FCberzeugen, sagt er: Ich hatte einen Kasten von genau einen Kubik- fu=DF Inhalt anfertigen lassen, der 200 St=FCck f=FCr den Ver- such passende Steine, jeder ungef=E4hr 8 - 9 Unzen schwer, fa=DFte; das Gewicht der Steine war also sehr nahe 90 Pf.; derselbe Kasten fa=DFte 80 Pf. m=E4=DFig trockenen, scharfen und etwas feinen Kiessand ohne andere Steine, also die kleinen St=FCckchen, welche sich gew=F6hnlich unter dem Sande befinden. Einen Theil der Steine packte ich in d=FCnnen Lagen in diese Kiste und f=FCllte alle Zwischenr=E4ume mit dem Sande aus; in Folge dieses Verfahrens enthielt der Kasten nachher 80 Pf. Steine und 40 Pf. Sand, und ich =FCberzeugte mich, da=DF er auch noch den angemessenen Zusatz von fl=FCssigem Roach-Kalk, n=E4mlich 10 Pf., aufnehmen konnte. Dieses zusammen gibt die genauen Quantit=E4ten und Verh=E4lt- nisse von 10, 40 und 80, oder 1, 4 und 8, welche man leicht im Ged=E4chtni=DF behalten, und zum Gebrauch an- wenden kann. Hieraus folgt ferner, da=DF ein Kubikfu=DF dieser Masse 130 Pf. wiegt, also fast eben so viel als der Sandstein von Portland." (3)

Godwin f=FChrt diesen Text von Semple aus dem 18.Jahr- hundert an, weil er aufzeigen will, wie fr=FCh schon =FCber das Mischungsverh=E4ltnis von Kies, Sand und Kalk nach- gedacht wurde, um Beton herzustellen. Der F=FCllungs- versuch eines Kastens, der dann vollst=E4ndig und ohne Hohlr=E4ume gef=FCllt sein sollte, ergab ein Zahlenverh=E4ltnis, nachdem sich Semple bei seiner Betonherstellung rich- tete. Er konnte dadurch den Baustoffbedarf errechnen, der daf=FCr anfiel, was bei Bestellungen des Materials und bei der Bestimmung des Volumens f=FCr den Trans- port wichtig war.

Betonieren war lange Zeit nur ein Verfahren, das in Eng- land bei dem Bau von Fundamenten zur Anwendung kam. Am Ende seines Aufsatzes schildert Godwin seine erwei- terte Verwendung:

"In dem (bisher) Gesagten wurde nur die Anwendung des Konkretes zu Fundamenten abgehandelt, von einer Be- nutzung zu anderen Zwecken wurde wenig erw=E4hnt; man hat ihn jedoch in bedeutenden Quantit=E4ten vor einiger Zeit =F6fters als allgemeines Baumaterial gebraucht, indem man ihn zwischen Bohlenkasten einbrachte, deren W=E4n- de um die Dicke der Mauer von einander entfernt waren, genau in derselben Weise, wie Palladio seine Rimpiuta auff=FChrte. Zuweilen hat man ihn auch in Formen von ver- schiedener Gestalt und Gr=F6=DFe gegossen, die =E4u=DFeren Seiten mit einer Decke von Kalk und Sand bekleidet, die- se Masse alsdann an dem Orte der Verwendung versetzt, und mit =E4hnlichem Material in den Fugen verbunden. In jedem so geformten Blocke werden zwei durch die gan- ze Dicke gehende L=F6cher gelassen, um ihn mittelst der- selben bis zu der n=F6thigen H=F6he heben zu k=F6nnen (der Gebrauch einer Schere, deren sich die Steinmetze beim Auffahren der Sandsteine bedienen, ist hier nicht an- wendbar), und in diese, welche mit zweien in den La- gerfugen jedes Steines geformten Rinnen korrespon- diren, gie=DFt man nach dem Versetzen einen Brei von Kalk und Sand, welcher die ganze Masse verbindet und zusammenh=E4lt. Ein Beispiel der ersten Art bietet die hohe Kaimauer dar, welche man vor Kurzem zu Brigh- ton an dem Meere aufgef=FChrt hat, von der zweiten Sir Edward Codrington's Haus zu Brighton, die Wache im St.James-Park, eine lateinische Privat-Schul-Anstalt, welche jetzt zu Lee im Bau begriffen ist, die Ufersch=E4- lung zu Woolwich und viele andere." (4)

Das sagt also, die Betonschalung war inzwischen in Ge- brauch gekommen. Zwischen Holzbohlenw=E4nden wurde bereits Ortbeton eingegossen, zwischen denen er blieb, bis er abgeh=E4rtet war. Genauso wurde es =FCblich, Beton- fertigteile zu giessen, um sie danach als Bauteile auf der Baustelle zum Bauwerk zusammenzuf=FCgen. Man wird sie auf schon genommen haben, um das Schwinden des Betons beobachten zu k=F6nnen und um Festigkeits- pr=FCfungen an immer gleich gro=DFen Betonteilen zu machen.

Das Motiv, Konkret oder Beton herzustellen, leitete sich aus der Naturbetrachtung ab.

"In Betreff der Zweckm=E4=DFigkeit des Prinzips kann man jedoch kaum einen Zweifel hegen; es ist derselbe Pro- ze=DF, welcher bei der Bildung eines gro=DFen Theiles der Felsen unserer Erdoberfl=E4che Statt gefunden hat. Die ungeheure Menge von Uebergangsfelsen besteht g=E4nz- lich aus einer Akkumulazion von Ger=F6lle, gleichsam den Tr=FCmmern fr=FCherer Felslagen, welche sich zu einer ein- zigen Masse gebildet hat und durch einen kalkartigen Bestandtheil verbunden ist. Wir nennen sie daher wegen dieses Umstandes zuweilen Konglomerate oder Pudding- Steine, die Italiener aber Abrezzia. Sie sind eigentlich nichts anders als ungeheure Lagen von Konkrete, die Prototypen der k=FCnstlichen Bildung desselben" (5)

Das Vorbild war also die Natur mit ihren Felsen, von denen es viele gibt, die als Konglomerate oder Pudding- Steine, bzw. Abrezzia, angesehen werden. Diese hat man nachgeahmt. Man fand in den nat=FCrlichen Fels- konglomeraten eine verbackene Masse aus Kalk, Sand und Kies. Es lag nahe, diese feste Masse durch eine Mischung aus Kies, Sand und Kalk nachzuahmen, da sich Kalk als Bindemittel schon lange in Gebrauch be- fand. Die Suche war entbrannt, welchen Kalk man und in welcher Menge mit Kies und Sand so zu vermischen hatte, da=DF er in m=F6glichst kurzer Zeit eine sehr feste Verbindung einging, die hohen Belastungen ausgesetzt werden konnte. Bei bestimmten Mischungsverh=E4ltnissen war bemerkt worden, da=DF die Betonmischung zu lang- sam oder eigentlich niemals vollst=E4ndig aush=E4rtete, andere hatten sich bew=E4hrt. Verschiedene Kalksorten wurden ausprobiert. Einige bew=E4hrten sich auch beim Betonieren unter Wasser. Bei einigen Betonmischungen stie=DF man auf Hohlr=E4ume im Beton, die man vermeiden wollte. Es wurden Versuche unternommen, Beton in kleineren Schichten oder als ganzes Volumen einzu- bringen. Alle diese Versuche kamen zur Auswertung und f=FChrten zur Entwicklung des Betonbaus. Es finden sich dazu sehr viele Schilderungen bei G.Godwin. Da Palladio erw=E4hnt wird, darf man daraus schlie=DFen, da=DF =E4hnliche Bauverfahren bereits zu dessen Zeit Anwendung fanden, die den Betonbauern der Biedermeierzeit zur Anregung dienten.

Die Biedermeierzeit, so zeigt es sich immer wieder, war eine aufregende Zeit der Moderne. Es fand eine rasche Entwicklung aller Sektoren im Bauwesen statt. Auch der Betonbau wurde intensiv erforscht und entwickelt. Dabei unterlie=DF man es nicht, die Baugeschichte mit ih- rem Arbeitseifer daf=FCr zu nutzen, um auf =E4hnliche und historische Bauvorg=E4nge zu sto=DFen, die bei der moder- nen Entwicklung des Bauwesens weiterhelfen konnten. Man wird diesen Vorg=E4ngen im Bauwesen weiter nach- gehen m=FCssen. Viele Fragen werfen sich auf.

K.L.

Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in

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Diskussion gestellt. Der Autor ist =FCber folgende Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen: (1) George Godwin: Ueber die Natur und Eigenschaften des Konkretes (B=E9tons) und seine Anwendung bei der Auff=FChrung von Geb=E4uden. S.122-124; S.132-136; S.142-146; S.148-154 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien,

1838 (2) zitiert aus: G.Godwin, wie vor, S.123 (3) aus Semple: A Treatise on Building in Water (1776), zitiert bei: G.Godwin, wie vor, S.135f. (4) zitiert aus: G.Godwin, wie vor, S.153 (5) zitiert aus: G.Godwin, wie vor, S.153f.
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Karl-Ludwig Diehl
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