Eine Definition des Bétons aus der Biedermeierzeit: Polonceau beschreibt ihn als ein Mauerwerk aus kleinen mit h ydraulischem Mörtel verbundenen Steinen

Eine Definition des B=E9tons aus der Biedermeierzeit: Polonceau beschreibt ihn als ein Mauerwerk aus kleinen mit hydraulischem M=F6rtel verbundenen Steinen

Im Jahre 1840 brachte die Allgemeine Bauzeitung in Wien die =DCbersetzung eines Aufsatzes heraus, der zuvor in der Revue g=E9n=E9rale de l'Architecture in Paris erschienen war. Dem Text kann entnommen werden, wie Polonceau =FCber B=E9ton reflektierte. Sein Aufsatz ist sehr systematisch auf- gebaut, d.h. man erh=E4lt Grundlagenwissen. Eingangs im Text steht seine Definition des B=E9tons:

"Unter B=E9ton versteht man Mauerwerk, welches aus klei- nen, durch einen hydraulischen M=F6rtel mit einander verbun- denen Steinen besteht." (1)

Polonceau nennt zwei Autoren, deren Werke dazu genutzt werden sollten, um sich =FCber hydraulischen Kalk und die Herstellung von B=E9ton grundlegend zu informieren:

"Die besten Werke, aus denen man sich =FCber den Charak- ter und die Ablagerung der thonartigen Kalksteine oder Mergelgattungen, die hydraulischen Kalk geben, so wie =FCber die Eigenschaften, die Zusammensetzung und Ver- fertigung des hydraulischen Kalkes und des B=E9ton be- lehren kann, sind die Memoires der Hrn. Vicat, ing=E9nieur en chef des ponts et chausse=E9s und Treussart, colonel du Genie." (2)

M=F6rtel besteht aus Sand und Bindemittel. Beim B=E9ton kommen also kleine Steine hinzu, die mit dem M=F6rtel ver- bunden werden, um eine feste Mauerwerksmasse zu erge- ben.

Das Bindemittel wird als ein hydraulisches benannt. Dazu f=FChrt er aus:

"Es gibt k=FCnstlichen und nat=FCrlichen hydraulischen Kalk." (3)

Zu den nat=FCrlichen hydraulischen Kalkarten merkt er an:

"Die Kalkarten, welche hydraulischen Kalk geben, sind Kalksteine oder Mergelgattungen, welche eine nat=FCrliche Verbindung von kohlensaurem Kalke und von Thonerde oder Alaunsilikat enthalten, in welcher Mischung die letz- tere mindestens 20% und h=F6chstens 50% einnehmen soll." (4)

Die k=FCnstlichen hydraulischen Kalke entstehen nach Brand von Erden:

"Die k=FCnstlichen hydraulischen Kalkgattungen werden aus einer Mischung von Thonerde und Kalk, oder von fettem pulverisirten Kalksteine erzeugt. Man formt Brote daraus und brennt sie auf die gew=F6hnliche Weise." (5)

Mit Sand vermischt ergibt k=FCnstlicher und nat=FCrlicher Kalk einen M=F6rtel, der selbst unter Wasser schnell erh=E4rtet. Mit Kies vermischt wird daraus rasch geh=E4rteter B=E9ton:

"Der hydraulische M=F6rtel, von guten Materialien angefer- tigt und wohl gemengt, erh=E4rtet selbst im Wasser so schnell, da=DF man 24 Stunden nach seiner Verwendung auf einem Grunde von B=E9ton ein Quadermauerwerk auf- f=FChren kann." (6)

Man hatte zuvor festgestellt, da=DF Puzzolane den Abbin- deproze=DF des B=E9tons beschleunigen k=F6nnen:

"Man vermehrt sehr die schnelle Verbindung und Kraft des B=E9ton, wenn man Puzzolane, eine kalkartige Thonerde, hinzusetzt, die bei m=E4=DFigem Feuer bis zum Rothgl=FChen erhitzt wurde." (7)

Man hatte diese Puzzolane bei Vulkanen aufgefunden und versuchte ihre Zusammensetzung k=FCnstlich zu erzeu- gen:

"Die nat=FCrliche Puzzolane wird bei Vulkanen gefunden, die sie mit Lava, Schlacken u. auswerfen. Man bildet sie k=FCnstlich nach durch eine Mischung von zwei Theilen Kalk oder von fettem pulverisirten Kalkstein mit drei Thei- len Thon, gut gemengt, in Brote geformt, m=E4=DFig gebrannt und pulverisirt. Je feiner das Pulver ist, desto wirksamer ist die Puzzolane zur Erh=E4rtung des M=F6rtels." (8)

=DCber geeigneten Sand f=FCr den M=F6rtel, der die kleinen Stei- ne umschlie=DFen soll, reflektiert Polonceau nicht, vermut- lich weil er meint, zu Sand f=FCr M=F6rtel sei gen=FCgend be- kannt. Er bespricht jedoch die kleinen Steine, die vom M=F6rtel zu umschliessen sind, damit B=E9ton entsteht. Er unterscheidet zwischen Kiesel und irregul=E4ren Steinen, die jeweils eine andere Qualit=E4t des B=E9tons ergeben:

"Man macht /.../ B=E9ton aus Kieseln und irregul=E4ren Stei- nen. Der aus abgerundeten Kieseln bestehende B=E9ton hat weniger Bindung, weil der M=F6rtel an der runden glat- ten Oberfl=E4che der Kiesel nicht so stark anhaftet, wie an Steinen mit einer unregelm=E4=DFigen und rauhen Ober- fl=E4che. Die runden Kiesel gen=FCgen zu einem B=E9ton, welcher nur schwache Lasten zu tragen hat, aber f=FCr gro=DFe Bauten m=FCssen unregelm=E4=DFige und kantige Steine angewendet werden." (9)

B=E9ton, richtig hergestellt, sei sehr haltbar:

"Die vorz=FCglichste Eigenschaft des B=E9tons besteht darin, dichte und gleichf=F6rmige Massen zu bilden, welche in kurzer Zeit die Festigkeit und den Widerstand von mitt- lerer H=E4rte annehmen, so da=DF eine Schichte B=E9ton wie ein Stein aus einem einzigen St=FCcke betrachtet werden kann." (10)

Polonceau weist darauf hin, da=DF deshalb B=E9ton "bei Ge- b=E4uden jeder Art" genutzt werden sollte und auch genutzt werden kann. F=FCr Fundamente eigne er sich ganz beson- ders:

"Er ist besonders zu den Grundmauern der meisten Ge- b=E4ude tauglich, da kein anderes Mauerwerk gr=F6=DFere Si- cherheit als der B=E9ton gegen die ungleiche Zusammen- pressung des Bodens darbietet, die so verderblich auf alle Arten von Bauwerken einwirkt. Dies geht daraus her- vor, da=DF der B=E9ton, der eine gleichf=F6rmige und starre Masse bildet, und mit einer breiten Fl=E4che auf dem Bo- den aufliegt, nicht theilweise sich setzen kann, wie es bei Steinen des gew=F6hnlichen Mauerwerkes h=E4ufig zu ge- schehen pflegt. Bei diesem sind die Steine einer von dem anderen getrennt, nur unvollkommen durch einen M=F6rtel verbunden, der wenig Anhaftung an die breiten und ebenen Fl=E4chen ihrer vertikalen Fugen besitzt und lange Zeit hin- durch weich und biegsam bleibt." (11)

Um B=E9ton herzustellen, mu=DFte in der Biedermeierzeit eine Mischung aus Kies, Sand, hydraulischem Kalk, Puzzolan und Wasser erfolgen. Polonceau riet, dem hydraulischen Kalk etwas "fetten gew=F6hnlichen Kalk" un- terzumischen, damit der B=E9ton nicht zu schnell h=E4rtete, was zur Ri=DFbildung im B=E9ton f=FChren konnte. Er schildert das Anmischen des B=E9tons von Hand auf einer Holz- plattform und das B=E9tonmischen mit Maschinen. Zum Handanmischen, das er selbst vorzog, gab er seinem Text eine Zeichnung bei. Leider unterlie=DF er es, die B=E9- tonmischmaschinen abzubilden, die er kurz beschreibt:

"Man kann diese Mischung /.../ durch andere Verfahrens- weisen hervorbringen; so hat man bei einigen Bauten Zylinder oder etwas geneigte Tonnen angewendet, welche sich um ihre Axe drehen, an der Schaufeln angebracht wurden, um die Bestandtheile des B=E9tons durch einander zu r=FCtteln." (12)

Eine andere Textstelle zum B=E9tonmischen gibt mir R=E4t- sel auf. Er schreibt:

"Auch hat man sich zu diesem Zwecke der Paternoster- werke bedient" (13)

Mir bleibt unklar, was damit gemeint ist und wie ein sol- cher Mischvorgang ablaufen soll. Ein Endlosband mit irgendeiner Art der Vorrichtung zum Mischen m=FC=DFte dazu genutzt worden sein, um die Bestandteile des B=E9- tons zu vermengen. Hierzu w=E4re eine Abbildung wirklich sehr n=FCtzlich gewesen.

Das Mischen von Hand ist genauer beschrieben:

Das beste Verfahren f=FCr die Bereitung des B=E9tons be- steht darin, die Mischung auf einem Bohlenboden von 6 bis 7 Meter (19 bis 22 Wiener Schuh) L=E4nge und 2 Meter (6 1/4 Schuh) Breite vorzunehmen. Man macht an einem Ende der l=E4ngeren Seite des Bodens ein langes und schmales Lager von gutem hydraulischen M=F6rtel und breitet die Steine darauf gleichf=F6rmig aus einander. Die hierzu dienliche Quantit=E4t ist 0,4 K.M. M=F6rtel (circa

12 1/2 W.Kub.Schuh) auf einen Kub.Meter Steine, um 1,20 (circa 31 1/2 W.Kub.Schuh) bis 1,25 K.M. B=E9ton (circa 38 bis 39 1/2 W.Kub.Schuh) zu erzeugen. Drei M=E4nner, mit Stangen versehen, die an ihrem unteren Ende in dreizackige hakenf=F6rmig gekr=FCmmte Gabeln auslaufen und 3 Kil. wiegen, ergreifen hierauf diese Ma- terie, ziehen sie gegen sich, indem sie dieselbe gleich- f=F6rmig =FCber den Haufen abrollen und nach der ganzen L=E4nge des Bodens so fortfahren. Zwei M=E4nner sind auf der entgegengesetzten Seite besch=E4ftigt mit eiser- nen Schaufeln den zur=FCckgebliebenen M=F6rtel und die Steine aufzuschaufeln und auf den Haufen zu werfen. Wenn nun die ganze Masse an das Ende des Bodens angelangt ist, so wechseln die Arbeiter ihre Stellungen und beginnen dieselbe Operazion in der entgegenge- setzten Richtung, indem sie durch daselbe Verfahren den Haufen bis zu seiner ersten Lage fortrollen." (14)

Polonceau schw=F6rte also darauf, mit Rechen den Haufen aus Kies, Sand und Kalk solange =FCber eine Bohlenfl=E4che hin und her ziehen zu lassen, bis er vollst=E4ndig durch- mischt war. Eine genauere Darstellung solcher Rechen und Schaufeln, die bei dieser T=E4tigkeit gebraucht wurden, w=E4re n=FCtzlich.

Wof=FCr B=E9ton in Frankreich genommen wurde, ist an Bei- spielen aufgezeigt. Sie reichen bis 1820 zur=FCck. B=E9ton wurde f=FCr das Fundament bei Bauten, die in trockenen B=F6den, nassen B=F6den und im sumpfigen Gel=E4nde einge- baut wurden, genommen. Interessant ist die Schilderung, da=DF in Frankreich die Gr=FCndungstechnik der Rammpf=E4hle immer mehr zugunsten der Betonfundamente aufgegeben wurde. Als wichtige Neuerung wurden Betonfundamente f=FCr Br=FCckenpfeiler angesehen. Der Einsatz von Beton f=FCr diese Zwecke setzte bereits sehr viel Wissen im Beton- bau voraus, der unter Wasser vorgenommen wurde, das sich in flie=DFender Bewegung befand.

"Die Versenkung des B=E9tons geschieht mittelst Kasten, die an ihrem oberen Rande sich erweitern. An ihren bei- den Enden sind Zapfen und an diese Stricke angebracht, die um einen Wellbaum geschlungen sind. Wenn der Kasten gef=FCllt ist, wird er durch das Umdrehen des Well- baumes hinabgelassen, und wenn er unten angelangt ist, mittelst eines an seinem Boden befestigten Seiles umgest=FCrzt und wieder heraufgezogen." (15)

Polonceau r=E4t am Schlu=DF seines Aufsatzes von B=E9ton- stra=DFen ab. Sie w=FCrden im Winter Risse bekommen und das Tauwasser eindringen lassen. Insgesamt er- gibt sich ein sehr positives Bild vom Betonbau, der im- mer gr=F6=DFere Einsatzfelder bekommen hatte. Die Bieder- meierzeit ist die eigentliche Zeit des aufkommenden B=E9- tonbaus. Er revolutioniert das Bauwesen. Es bleiben viele offene Fragen.

K.L.

Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in

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Diskussion gestellt. Der Autor ist =FCber folgende Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen: (1)-(10) zitiert aus: Polonceau: Ueber B=E9ton oder Gu=DFmau- erwerk. S.234-241 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien,

1840. S.234 (11) zitiert aus: Polonceau, wie vor, S.234f. (12)-(13) zitiert aus: Polonceau, wie vor, S.236 (14) zitiert aus: Polonceau, wie vor, S.235 (15) zitiert aus: Polonceau, wie vor, S.241
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Karl-Ludwig Diehl
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"Karl-Ludwig Diehl" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@a1g2000hsb.googlegroups.com... ..

Hi, vermutlich gehts dabei um die Beschickung der "Tonne", ab einer gewissen Größe ist der Arbeiter als Gewicht eher im Weg, da baut man lieber Kettenzüge und Förderbänder.

Vermutlich werden solche noch angewendet, eine Enzyklopedie der Zeit sollte aber auch Zeichnungen davon haben. Solche Rechen werden etwa im Straßenbau, bei Asphaltieren eingesetzt. der Rechen muß eine gewisse "Standzeit" haben, also entweder eisenbeschlagen oder eisern sein. Die Lückenbreite ist vom Schüttgut abhängig, je nach Zweck ergibt sich eine "Filterwirkung", etwa um Dreck rauszufischen, oder eine Verteilungswirkung. Dabei muß man das Gewicht und die Einsatzdauer bedenken, einen zu breiten Rechen bedient ein Arbeiter nicht lange, ein zu schmaler ist ineffektiv, je nach Raffinesse des Baumeisters ergab das einen ganzen Zoo an Werkzeug. Es gab auch Rechen mit wechselbaren Zinken, die man je nach Einsatz dichter oder weiter setzte. Ein typischer Rechen hatte dann mehrere stumpfe, lange und dicke Zinken, die auf dem Grund der Wanne rutschen konnten, und zahlreiche kürzere, spitzigere Zinken zur eigentlichen Arbeit. So wurde dem Mischer der Arm nicht so schnell lahm.

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gUnther nanonüm

Ja, kann so sein. Ich kann mir aber auch vorstellen, da=DF die abwechselnd Kalk, Sand und Kies aufwarfen, soda=DF es auf einem Haufen =FCbereinanderfiel und schon vorgemischt war, bevor es in eine Misch- einrichtung anderer Art, etwa Drehtonne, kam.

Ich glaube, mir begegnete eine Abbildung solcher Rechen schon irgendwo. Blo=DF sah ich inzwischen bereits so viel Literatur durch, da=DF gewisse Dinge "unter den Tisch fielen".

Man darf nicht =FCbersehen, da=DF Arbeiter nur bis zu einem gewissen Kraftaufwand belastet werden konnten. Betonmischen k=F6nnte ein z=E4her Vorgang gewesen sein, f=FCr den eher weite Zinken der Rechen besser waren.

Polonceau macht auf mich den Eindruck eines Wissenschaftlers, der viel ausprobierte, bis sich ein vorl=E4ufiges Optimum ergab. Ich nehme an, er hat zun=E4chst mit unterschiedlichen Rechen anmischen lassen, um sich dann von den Arbeitern anzuh=F6ren, was brauchbarer war.

Ich kann mir solche Rechen im fortschrittlichen

19.Jahrhundert gut vorstellen. Es pa=DFt in diese innovative Zeit.

Dazu braucht es genaue Belege, sonst ist das nur einfach so gesagt.

K.L.

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Karl-Ludwig Diehl

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