Der Lehmbau in der Biedermeierzeit: ein Lehmbauforscher aus Th=FCringen r=E4t zum richtigen Verputzen
Dadurch, da=DF Kalkputz von Lehmbauten abfiel, kam der Lehmbau in der Biedermeierzeit in Verruf. F.F.Bohn ging dem Problem auf den Grund und erkl=E4rte der skeptischen Fachwelt, wie vorzugehen ist, damit die Bausch=E4den zu- r=FCckgehen. Sie waren wirklich zu einem gro=DFen Problem geworden:
"Von vielen Seiten h=F6rt man h=E4ufig die Klage =FCber geringe Haltbarkeit des Kalkm=F6rtels auf Lehmmauern, Pise- und Wellerw=E4nden. Hierdurch entsteht f=FCr diese sonst so sehr zu empfehlende Bauart ein nicht unbedeutender Mangel." (1)
F.F.Bohn unterscheidet drei Arten von Lehmw=E4nden, von denen der Kalkputz abgefallen war: Lehmmauern, Pise- mauern und Wellerw=E4nde. Das sagt uns, es waren in der Biedermeierzeit auf jeden Fall diese drei Bauarten des Lehmbaus in Gebrauch. F.F.Bohn arbeitete in einer be- sonderen Region im deutschsprachigen Kulturraum, das wird im Verlauf des Textes deutlich.
"Auch bei uns, in Sondershausen, wo, wie =FCberhaupt in Th=FCringen, viel mit Lehm gebaut wird, wurde fr=FCher oft =FCber die Unhaltbarkeit des Kalkputzes auf jede Art von Lehmmauern geklagt." (2)
Nicht nur in Sondershausen, sondern in ganz Th=FCringen scheint mit Lehm sehr viel gebaut worden zu sein. Dem genauer nachzugehen, m=FCsste sehr interessant sein. Jedoch verbleiben wir bei dem, was Bohn riet, der offen- sichtlich ein Verfahren erkannt hatte, das dazu f=FChrte, da=DF Kalkputz von Lehmmauern nicht mehr abfiel, denn er schreibt:
"Nach Annahme des folgenden Verfahrens beim Abputz haben /.../ diese Klagen ganz aufgeh=F6rt." (3)
Wie sah nun dieses Verfahren aus? Voraussetzung zum Abputz ist ein ausgetrocknetes Lehmmauerwerk.
"Nachdem die Lehmmauer aufgef=FChrt und vollkommen ausgetrocknet ist, zu welchem Zwecke man bei starken Mauern in geringen Entfernungen durchgehende Oeff- nungen (durch eingelegtes schwaches Bauholz gebildet) anlegt, werden die W=E4nde rein abgekehrt und auch die nach au=DFen offen gelassenen Fugen der Lehmsteine sorgf=E4ltig gereinigt." (4)
Mit eingelegtem Bauholz scheint man sich die M=F6glich- keit geschaffen zu haben, nach dem Aufmauern kleine Wand=F6ffnungen im Lehmmauerwerk durch Herausnahme des Holzes zu bilden, die das Austrocknen erleichterten. Die Lehmw=E4nde wurden also sorgf=E4ltig auf den Verputz vorbereitet. Auf dieses Mauerwerk kam dann der Auf- putz:
"Auf diese W=E4nde oder Mauern wird nun ein Putz aufge- tragen, welcher aus Lehm mit einer starken Vermischung von nicht zu kurz gehacktem Stroh besteht. Am besten ist hierzu das sogenannte Wirrstroh." (5)
Leider wird die optimale L=E4nge des Wirrstrohs nicht ge- nauer genannt. Aber man wird solche Verputze vermut- lich auch heute noch bei erhaltenen Lehmbauten antref- fen und k=F6nnte den Putz daraufhin untersuchen.
"Dieser etwa 1 Zoll starke Putz wird mit dem Reibbrett gerade, aber nicht glatt abgestrichen." (6)
Das wirft Fragen auf. Wieso darf er nicht glatt abgestri- chen werden? Vielleicht wird das im weiteren Text deut- licher.
"Solange derselbe noch na=DF ist, werden nun in etwa zweiz=F6lliger Entfernung kleine, etwa 2 Zoll im Quadrat messende, St=FCcke einer recht por=F6sen Steinart fest eingedr=FCckt und wo n=F6thig eingeschlagen. Hier bedient man sich zu diesen Steinst=FCcken des sogenannten Tuff- steines (Kalktuff), welcher sich mit seinem lockeren Ge- f=FCge fest an den Lehm und das darin gemischte Stroh anh=E4ngt." (7)
Man nahm also in Sondershausen und dem Einflu=DFge- biet dieser ausgetesteten Art Lehmgeb=E4ude zu verput- zen Tuffsteinst=FCcke, die in den frischen Putz eingedr=FCckt wurden. Man konnte auch andere Steinst=FCcke nehmen:
"Eben so gut eignen sich hierzu St=FCcke von por=F6sen Mauerziegeln, deren Thon vor dem Brennen mit Kohlen- st=FCcken, Spreu oder dgl. gemischt wird, wodurch nach dem Brennen eine gro=DFe Por=F6sit=E4t der Steine entsteht." (8)
Es wurde also auf die Lehmw=E4nde zun=E4chst ein Lehm- putz aufgetragen, in den man St=FCcke por=F6ser Steine eindr=FCckte. So ausgef=FChrt lie=DF man den Lehmputz aus- trocknen, erst dann wurde Kalkputz aufgetragen:
"Ist der Lehmputz mit den darin eingedr=FCckten Stein- st=FCcken vollkommen trocken, so wird an die Mauer, bei nicht zu hei=DFer Witterung, der Kalkputz angetragen." (9)
Dieser wird nun genauer erkl=E4rt, auch wie er aufgetragen wird, ist ausgef=FChrt:
"Hierzu nimmt man eine Mischung von gleichen Theilen gut gefegtem, erdfreien Kies (Wassersand), frisch ge- branntem Gips und gel=F6schtem Kalk. Diese Mischung wird mit der Kelle scharf an die Mauer angeworfen, so, da=DF sie sich in einer St=E4rke von 1/2 - 3/4 Zoll =FCberall in den Steinst=FCcken anh=E4ngt. Der Abputz bleibt rauh (soge- nannter Spritzbewurf) und wird nicht glatt gerieben, weil hierdurch seine Haltbarkeit ganz verloren ginge." (10)
Es wird hier die Funktion der por=F6sen Steinst=FCcke deut- lich, die zuvor in den Lehmputz eingedr=FCckt worden wa- ren. Sie sollen dem Kalkputz erheblich mehr Halt geben. Der Putz wird nur angeworfen und dann nicht mehr an- getastet, um den gefundenen Halt des Putzes nicht mehr zu ver=E4ndern.
Den angeworfenen Kalkputz, der wohl sehr kunstvoll aufzuwerfen war, lie=DF man dann trocknen, was aber nicht zu schnell erfolgen durfte. War das Wetter zu hei=DF, wurde er mehrmals mit Wasser benetzt, um das Aus- trocknen zu verlangsamen.
"Nach dem Trocknen des Putzes /.../ wird derselbe mit einer beliebigen Kalkfarbe angestrichen. Hierzu bedient man sich, der Rauhigkeit des Putzes wegen, eines gro=DFen Pinsels oder einer B=FCrste, welche man stark in die Farbe taucht und ablaufen l=E4=DFt, und womit man dann den Putz so lange bespritzt oder besprengt, bis der Ton der Farbe ganz gleichf=F6rmig ist." (11)
Es wird also ein Quast gewesen sein, mit dem man die- sen Putz besprengte, um ihm einen Farbanstrich zu geben. Bohn weist darauf hin, da=DF "ganz freistehende H=E4user mit demselben abgeputzt worden", dem Wet- ter "von Westen, S=FCdwesten und S=FCden" innerhalb der Stadt stehen w=FCrden, "sich dennoch im Abputz seit zw=F6lf Jahren untadelhaft und ohne Nachhilfe erhalten haben".
Dieses Abputzverfahren, also schon 1829 angewandt, das war mitten in der Biedermeierzeit, hatte zu Kalk- verputz auf Lehmmauerwerk gef=FChrt, der fast am Ende der Biedermeierzeit immer noch ohne Bausch=E4den vor- handen war. Als Himmelsrichtungen, nach denen die hohen mit Kalkputz versehenen Lehmw=E4nde ausge- richtet sind, wird "Westen, S=FCdwesten und S=FCden" ge- nannt. Vielleicht galten diese Himmelsrichtungen als die Seiten der H=E4user in Th=FCringen, die dem Wetter ganz besonders ausgesetzt waren. Neben Regen d=FCrfte auch die starke Sonneneinstrahlung und der Frost dem Kalkputz zugesetzt haben. Wenn er nach diesem Ab- putzverfahren gehalten hat, wird diese Methode also zu recht propagiert worden sein.
K.L.
Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in
Anmerkungen: (1)-(6) zitiert aus: F.F.Bohn: Dauzerhafter Abputz auf Lehmmauern, Pise- und Wellerw=E4nden. S.268-269 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1841. S.268 (7) zitiert aus: F.F.Bohn, wie vor, S.268f. (8)-(11) zitiert aus: F.F.Bohn, wie vor, S.269