Technische Revolutionen im Zeitalter des Historismus: der Konstrukteur Lepaire erfindet einen Betonmischer

Technische Revolutionen im Zeitalter des Historismus: der Konstrukteur Lepaire erfindet einen Betonmischer

Auch die Zeit des Historismus hatte ihre Moderne. Diese gab es genauso auf den Baustellen. Es entwickelten sich nicht nur moderne Baustile, sondern es gab auch eine rasch voranschreitende Moderne der Baustelleneinrich- tung. Zu dieser geh=F6rte die Betonmaschine von Lepaire. Dazu wurde im Jahre 1864 geschrieben:

"Der Constructeur Lepaire in Paris hat eine neue Beton- maschine hergestellt, welche sowohl in =F6konomischer Be- ziehung wie auch r=FCcksichtlich einer guten Vermischung der Materialien vortreffliche Resultate geliefert hat." (1)

Eine Drehtonne war mit einer Kurbel in eine Drehbewe- gung zu versetzen, wodurch der hineingeschaufelte Kies mit dem M=F6rtel zur Betonmischung vermischt werden konnte. Das Drehen geschah von Hand:

"Was die f=FCr die Umdrehung des Cylinders erforderliche Kraft betrifft, so kann ein Mann ohne Anstrengung die Kur- bel den ganzen Tag drehen." (2)

Die Vorstellung, da=DF ein Bauarbeiter ganzt=E4gig mit dem Kurbeln zu besch=E4ftigen war, liest sich aus heutiger Sicht seltsam.

Da es Zeichnungen von dieser Maschine gibt, lohnt ein Blick darauf, um die Maschine besser zu verstehen, wenn die Beschreibung ausgewertet wird.

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Der Betonmischer "besteht aus einem hohlen Blechcylin- der A, der an beiden Seiten offen ist und durch den eine Achse E geht, deren Enden au=DFerhalb des Cylinders auf Supports F (Fig.1) ruhen, welche ihrerseits an Querst=E4ben befestigt sind, die einen Theil des Ger=FCstes ausmachen, das den ganzen Apparat umschlie=DFt und ihn tr=E4gt." (2)

Der Zylinder war also vorne und hinten offen. Hinten wurde Kies und M=F6rtel hineingeschaufelt, vorne kam beides zum Beton vermischt heraus. Man mu=DF die Worte der Beschrei- bung auf die Goldwaage legen, da wir es heute gewohnt sind, Sand, Kies, Bindemittel und Wasser in Mischma- schinen zu vermischen. Was damals in die Mischtrommel gegeben wurde, wird nur in einem Vergleich der waage- rechten mit einer senkrechten Mischtrommel erw=E4hnt:

"Die haupts=E4chlichsten Vortheile gegen die senkrechte Betonmaschine sind folgende. Bei der letztern geschieht es sehr h=E4ufig, wenn nicht beinahe immer, da=DF die Mate- rialien, Kiesel und M=F6rtel, nachdem sie aus der Karre ab- wechselnd je nach den vorgeschriebenen Mischungen auf einen Bretterboden geworfen wurden, massenhaft in die nicht geschlossene Oeffnung vorgeschoben wurden, so da=DF die Kiesel, wenn sie nicht schon mit dem M=F6rtel vermischt sind, am untern Ende des Cylinders gr=F6=DFten- theils nicht geh=F6rig gemischt ankommen. Bei der horizon- talen Betonmaschine findet dieser Uebelstand nicht statt, weil die Arbeiter die Materialien nicht mehr in Masse vor- schieben k=F6nnen, und weil sie im Gegentheil gen=F6thigt sind, sie schaufelweise einzuwerfen, was schon einen Anfang der Vermischung bewirkt." (3)

Wir haben also einen horizontalen Betonmischer vor uns, in den M=F6rtel und Kies geschaufelt wurden. Die genaue Menge f=FCr einen Mischvorgang lag genau dosiert auf ei- nem Bretterboden bereit. Das Material war mit Schubkar- ren bereits angefahren worden. Es wurde abwechselnd Kies und M=F6rtel in die Mischtrommel geschaufelt. Durch die Drehung des Zylinders, der an der Innenwand Bogen- fragmente hatte, und durch die Schwerkraft, bewegten sich Kies und M=F6rtel langsam in Richtung des anderen Endes der Trommel und wurden zugleich vermischt. Diese Mi- schung geschah wohl qualitativ gut, soda=DF sich der Ein- satz der Maschine lohnte. Beim Bau der Oper in Paris wurde die Maschine deshalb eingesetzt:

"Gew=F6hnlich werden mit diesem Apparate in einem Ar- beitstage von 10 Stunden 70 Kubikmeter Beton erzeugt, wenn die Materialien flei=DFig mit der Schaufel in den Cy- linder geworfen werden. Bei dem Bau des neuen Opern- hauses in Paris hat man mit einer solchen Maschine bis

10 Kubikmeter Beton pro Stunde angefertigt, doch ist es schwierig eine solche Fabrication fortzusetzen, da es an Platz gebricht, um Arbeiter genug zum Einsch=FCtten der Materialien in den Cylinder anzustellen." (4)

Es ist also weniger das Problem gewesen, Beton zu mi- schen, vielmehr war es schwierig, auf einer Baustelle so viel Platz zu haben, da=DF M=F6rtel und Kies in ausreichen- der Menge in die Mischmaschine eingeschaufelt werden konnten, um sie zu vermischen. 10 Kubikmeter Beton pro Stunde scheint das Limit beim Mischvorgang unter opti- malen Bedingungen gewesen zu sein.

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht wurde ein Vergleich an- gestellt:

"In =F6konomischer Beziehung sind die Vortheile ebenfalls ins Auge springend. Die senkrechte Betonmaschine, die mit der Einla=DF=F6ffnung der Materialien 3m20 oder 3m50 =FCber dem Boden steht, erfordert meistens eine geneigte Br=FCcke, auf welcher die Arbeiter die Materialien hinauf- schaffen m=FCssen; eine m=FChselige Arbeit, die bei der ho- rizontalen Betonmaschine wegf=E4llt. Es erfordert die letz- tere freilich eine Triebkraft zur Umdrehungsbewegung, welche die senkrechte Maschine nicht bedarf; wie aber bereits erw=E4hnt wurde, gen=FCgt dazu ein Mann, welcher

70 Kubikmeter M=F6rtel anfertigt, so da=DF die Kosten pro Kubikmeter 5 Centimes beil=E4ufig betragen." (5)

Das Wort "M=F6rtel" am Ende dieses zitierten Textab- schnitts d=FCrfte wohl Beton meinen, da ja M=F6rtel und Kies einzuschaufeln waren, um sie zum Beton zu vermischen.

Die waagerechte Betonmaschine erforderte solidere Ar- beit auf der Baustelle durch das Bedienungspersonal:

"Was die zum Einwerfen der Materialien verwendeten Ar- beiter betrifft, so ist ihre Zahl bei der horizontalen Maschi- ne dieselbe als bei der senkrechten, indessen sind sie gezwungen mit der Schaufel eine bessere Arbeit zu lie- fern" (6)

Personal wurde also in derselben Anzahl bei beiden Arten der Mischmaschinen ben=F6tigt. Als Vorteil der horizontalen Maschine wird noch die leichte Aufstellung angef=FChrt:

"Endlich ist noch zu erw=E4hnen, da=DF die horizontale Beton- maschine bequemer und schneller aufzustellen ist." (7)

Es ergeben sich viele offene Fragen. Die senkrechte Mischmaschine wird im Text erw=E4hnt, aber nicht genauer benannt. Es d=FCrfte sich um eine englische Maschine han- deln, die in zeitlich fr=FCher liegenden Aufs=E4tzen irgendwo er- w=E4hnt wird. Wenn hydraulischer Kalk und Sand z.B. als M=F6rtelmischung vorzubereiten waren, um diesen M=F6rtel danach in der Betonmaschine mit Kies zum Beton zu ver- mischen, ergibt das einen langwierigeren Bearbeitungspro- ze=DF, als wenn direkt Sand, Kies, Bindemittel und Wasser zum Beton zu vermischen waren. Man wird deshalb alle fr=FCheren Texte noch einmal daraufhin durchzusehen haben, wie sich das bei all den zuvor genannten Mischmaschinen abspielte. Bei dieser horizontalen Betonmischmaschine wurde laut Text ein fertiger M=F6rtel mit dem Kies vermischt. Andererseits gab es schon seit einiger Zeit M=F6rtelmaschi- nen. Es darf angenommen werden, da=DF in ihnen Sand, Bindemittel und Wasser zum M=F6rtel gemischt wurden. Be- schrieben wurde das so jedoch nicht. Man mu=DF also noch genauer nachforschen, wie der Umgang mit dem Wasser bei der Mischung von Sand und Bindemittel und bei der Mi- schung von Beton gehandhabt wurde. Weder in einer verti- kalen noch in einer horizontalen Trommel einer Betonma- schine macht die Beigabe von Wasser Sinn, wenn beide Seiten der Mischtrommel offen sind. Wasser mu=DFte also schon zuvor von der M=F6rtelmischung aufgenommen wor- den sein.

K.L.

Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in

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Diskussion gestellt. Der Autor ist =FCber folgende Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen: (1)-(5) zitiert aus: o.A.: Horizontale Betonmaschine, von Lepaire. S.332-333, u. ein zwischengelegtes Blatt mit Zeichnungen, in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1864. S.332 (6)-(7) zitiert aus: o.A.: Horizontale Betonmaschine, von Lepaire. S.332-333, u. ein zwischengelegtes Blatt mit Zeichnungen, in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1864. S.333

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Karl-Ludwig Diehl
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Karl-Ludwig Diehl schrieb:

Hallo,

das ist doch nicht seltsam, ein Stromanschluß stand damals nicht zur Verfügung, der Ottomotor war gerade erst erfunden aber noch nicht in die Praxis eingeführt, eine Dampfmaschine war dafür zu groß, schwer und teuer. Der Bauarbeiter war vorhanden und billig, Ziegelträger gab es doch noch um etwa 1920 noch.

Bye

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Uwe Hercksen

Blo=DF: zuvor waren G=F6pelwerke, von Zugpferden o.=E4. gedreht, im Einsatz. Dann m=FC=DFte das Getriebe bei dieser Mischtrommel eine halbwegs vern=FCnftige Handhabung erm=F6glicht haben.

Andererseits: die Behauptung, jemand habe das den ganzen Tag leicht drehen k=F6nnen, ist viel- leicht etwas starker Toback. Abwechslung der Arbeitskr=E4fte bei der T=E4tigkeit half vielleicht in der Sache weiter. K.L.

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Karl-Ludwig Diehl

Karl-Ludwig Diehl schrieb:

Hallo,

dann hätte man auch noch das große schlecht transportable Göppelwerk gebraucht, ein Pferd und eine Person die es antreibt.

Bye

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Uwe Hercksen

Ja. Ich bin gespannt, welchen n=E4chsten Entwicklungsschritt ich antreffe.

K.L.

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Karl-Ludwig Diehl

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