Erstaunt habe ich neulich gelesen dass die Würzburger Straßenbahn als Stromsystem eine Oberleitung mit 750 V Gleichstrom nutzt. Das ist doch ein deutlicher Unterschied zum Fahrstrom der "großen Eisenbahn" mit 15 kW Wechselstrom von 16 2/3 Hz.
Warum hat man sich 1899 für diese Technik entschieden? Lag es daran, dass man so relativ einfache Motoren (Reihenschluss-Gleichstrom-Maschinen) verwenden kann, deren Charakteristik (hohes "Anfahr-Drehmoment" das zu höhreren Drehzahlen abfällt günstig für Stadtbahnen ist?
Rund um die Oberleitungen von anfahrenden Straßenbahnen müssen sich aufgrund der hohen Stromstärken doch auch entsprechende elektromagnetische Felder bilden. Machen die keine Probleme in den angrenzenden Häusern?
Wie ich gelesen habe, haben moderne Straßenbahnen längst keinen Gleichstromantrieb mehr. Insbesondere forderte die Ausschreibung für die neuen Würzburger Straßenbahnzüge die Ausstattung mit Drehstrom-Asynchron-Motoren. Nebenbei wurde lange diskutiert über Klimaanlagen, USB-Buchsen und WLAN-Hotspots, aber letztlich doch beschlossen. Bei der Lebensdauer von Zügen und den Gesamtkosten sicher kein Fehler.
Nahezu jeder Straßenbahnbetrieb in Europa nutzt Gleichspannung in dieser Größenordnung.
Weniger als bei Wechselstrom.
Ja, und? Auch bei modernen Wechselstromtriebfahrzeugen wird der Fahrstrom erstmal in eine besser behrrsch- und isolierbare Größenordnung heruntertransformiert und dann gleichgerichtet.
Danach geht es - wie auch bei der modernen Straßenbahn - in den Traktionsumrichter, der den vom Drehstrom-Asynchronmotor im aktuellen Betriebszustand gerade benötigten Drehstrom erzeugt.
Diese drei Features sind bei modernen Fahrzeugen inzwischen Standard, das Weglassen vermutlich teurer als der Einbau. WLAN verringert obendrein den Vandalismus.
In Karlsruhe gibt es ein Zwei-System-Konzept, bei dem "Straßenbahnen" zwischen dem innerstädtischen 750V-DC-Netz und dem Bahnnetz mit 15kV-AC wechseln können. AFAIR wird hier ein bißchen was dazu dargestellt:
Gleichspannung in dieser Größenordnung ist üblich für Stadtbahnen aller Art. Nicht nur die meisten Straßenbahnen, auch U-Bahnen und einige S-Bahn-Systeme (Berlin) nutzen Gleichspannung.
Ja, das war sicher ein wesentliches Entscheidungskriterium. Gleichstrommotoren waren mit der damals verfügbaren Technologie besser beherrschbar. Auch in anderen Bereichen, wo eine feinfühlige Steuerung erforderlich ist (etwa in Aufzügen) hat man damals wo immer möglich auf Gleichstrom gesetzt.
Weitere Gründe dürften gewesen sein:
- Es ist kein Transformator im Fahrzeug nötig, welcher in den vergleichsweise kleinen Fahrzeugen sehr gestört hätte.
- Durch die niedrige Spannung kommt man mit sehr viel kleineren Sicherheitsabständen aus, in engen Tunnels und Straßen ein gewichtiger Faktor.
- Die Fahrspannung kann dezentral aus dem städtischen 50Hz-Stromnetz gewonnen und in kurzen Abständen eingespeist werden.
Bei Gleichstrom gibt es im Idealfall nur ein statisches Magnetfeld, welches im Gegensatz zu dem bei Wechselstrom entstehenden, elektromagnetischen Feld eine sehr geringe Reichweite hat.
Frequenzumrichter-Technologie macht es möglich. Die dafür notwendigen Leistungshalbleiter gibt es aber erst seit wenigen Jahrzehnten.
Weißnich. Klimaanlagen sind wartungsintensiv, USB-Buchsen beliebte Vandalismus-Opfer und ein von allen Fahrgästen gemeinsam genutztes WLAN ist an der Schwelle von 4G zu 5G auch zunehmend Bremsklotz statt Vorteil.
Ja. Wobei auf meine Erinnerung an den Zeitpunkt kein Verlaß ist. Über die Vorlaufzeit der Bestellung weiß ich nichts, ich sehe als Nutzer die neuen Wagen erst, wenn sie da sind.
Im übrigen nützt mir eng eingequetscht auf einem Stehplatz weder WLAN noch USB viel. Und selbst wenn ich zu ruhigen Zeiten sitze, geht der Großteil der Fahrtzeit mit Warten an der Halteastelle, Ein- und Aussteigen drauf. Das eigentliche Sitzen am Platz erreicht bestenfalls mal eine Viertelstunde, meist deutlich weinig. Dafür ein Ladekabel auszupacken halte ich für Quatsch.
Alle Systeme haben Vor- und Nachteile. Die "grosse" Eisenbahn verwendet Wechselspannung mit 15/25/50 kV wegen der grossen Distanzen, da will man nicht alle Kilometer einspeisen. Die Frequenz ist meist ein fauler Kompromiss. Die grossen Reihenschlussmotoren sind eigentlich nicht AC-tauglich. Daher muss(te) man bei 50 Hz Gleichrichter mitnehmen. Die 16.7 Hz sind da so ein Kompromiss zwischen beinahe Gleichstrom und doch klassisch transformierbar. Viel Gewicht in der Lok braucht man bei der Bahn eh.
Echte Wechselstrommotoren bei der Bahn waren AFAIK selten. Geeignet wegen der stufenlosen Steuerbarkeit ist der Repulsionsmotor. Durch die Bürstenstellung kann stufenlos das gewünschte Antriebsmoment quasi leistungsfrei eingestellt werden, vorwärts/rückwärts inklusive. Die Bürstenströme sind aber enorm; mir ist nur ein Loktyp bekannt, welche einen Repulsionsmotor (mit riesigem Durchmesser) verwendete.
Beim Tram hat es halt historische Gründe. Einfache Technik, kein Trafo nötig, viel Anfahrdrehmoment, kleine Motoren. Andererseits waren die Quecksilberdampfgleichrichter zur Speisung bei den Versorgern unbeliebt, da sie Oberschwingungen im 50 Hz-Netz verursachten.
Heute sowohl beim Versorger wie bei der Bahn Umrichtertechnik. Siehe andere Antworten.
Klar doch. Die Magnetfelder machen Kompassbetrieb unmöglich. Zu nah mit einem CRT-Farbfernseher möchte ich auch nicht sein. Die ETHZ (City) ist vom Tram umzingelt. Praktikum mit Tangentenbussole ist da sehr unterhaltend.
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Dazu kommt, dass zwecks Korrosionsverhinderung die Schienen auf Minus sind. Damit hat man bei unvermeidlichen Potentialen durch endlichen Erdwiderstand dann alle nahegelegenen Wasserleitungen, klassische Öltanks usw. auf Plus; die korrodieren dann munter vor sich hin.
Der Versorger kann Drehstrom phasensymmetrisch gleichrichten und einspeisen. Bei Wechselstrom muss streckenweise abwechselnd eine Phase verwendet werden, oder was mit Scott-Trafo oder Umformer. Bahnstrom hat eigene Kraftwerke.
Anekdote: Bei ABB ex BBC in Baden ist/war immer noch ein firmeninternes DC-Netz in Betrieb (800 V?). Für den Kompressor des Brennkammerprüfstands (ca. 2 MW) _musste_ Strom aus diesem Netz bezogen werden. Das war so um
1995 rum. Für die kWh wurden 80 Rappen in Rechnung gestellt plus einen Leitstandheini, der das steuerte, ebenfalls abenteuerlicher Stundensatz. Und jeder Betrieb musste angemeldet werden, je nach Jahreszeit kein Betrieb ab 11:30 bis 12:00 oder was das E-Werk gerade wollte.
Das verstehe ich nicht. Der Strom kommt als plus von oben und geht in die Schiene. Die ist lang und hat einen kleinen aber endlichen Widerstand. Damit müßte die Schiene doch immer positiv gegen das umgebende Erdreich sein.
In Deutschland haben die Einheitslokomotiven is hin zum Rennpferd Baureihe 103 Wechselstrom-Reihenschlussmotoren mit vorgelagertem Schaltwerk. Auch die Dir vielleicht geläufigere Re 4/4 II hat Wechselstrommotoren mit Schaltwerk (Helvetisch: Stufenschalter).
Nicht notwendigerweise immer; Mannheim und Heidelberg hatten das lange Jahr jeweils andersrum, so dass die stadtübergreifend verkehrenden Fahrzeuge besonders ausgestattet sein mussten. Inzwischen ist das Heidelberger Netz umgepolt.
Mein früherer Fischhändler hatte einen großen, alten Schiffskompass im Schaufenster, in Straßenmitte davor sind Straßenbahnschienen. Die Kompassrose war IIRC immer in Bewegung :-)
Im Prinzip ja, in praxi... Eigentlich wäre das System Generator/Versorger - Fahrdraht - Bahn - Schiene - Versorger "schwimmend". Absichtlich oder unvermeidbar durch die Schienenverlegung ist das Ganze dann doch geerdet. Fragt sich nur, wo und wie.
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Es entstehen immer Gebiete, wo auch die Schiene der Elektrokorrosion ausgesetzt ist oder eben auch irgendwelche Wasserrohre oder dergleichen.
Stromdiebe können die Potentiale ebenfalls verschieben. In Basel wurde mal einer erwischt, der hatte sich eine im Betrieb sehr kostengünstige Elektroheizung gebastelt.
Ja. Ich hatte jetzt angenommen, die Erdung der Schiene finde am Generator statt, denn das ist die Stelle, wo man mit einem definierten Anschluß drankommt. Der Reste der Schiene liegt einfach irgendwie so rum.
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