Schlagen von Rollengliederketten

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Moin!

Mein Mopped macht unangenehme Geräusche und Vibrationen, die mich an den Ersatz der Antriebskette denken lassen (bzw. muß ich mal schauen, ob man die nochmal nachspannen kann). Aber mich würde mal theoretisch interessieren, was denn Rollengliederketten eigentlich so anstellen können.

Ich nehme mal an, daß man Querauslenkungen der Kette als Seilschwingungen behandeln kann. Die Propagationsgeschwindigkeit v von Seilschwingungen hängt von der Seilspannung F und der Massenbelegung m' ab:

v = SQRT(F/m')

Motorradketten haben ungefähr m' = 1 kg/m (oder auch mehr, es geht nur um die Größenordnung). Die Umlaufgeschwindigkeiten liegen bei einigen

10 m/s.

Nehmen wir mal an, bei einer Kettengeschwindigkeit von 10 m/s betrage die Leistung 20 kW, dann beträgt die Kettenkraft F im gespannten Trumm also ca. 2 kN. Daraus folgt eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer Störung von ca. v = 45 m/s, also wesentlich schneller als die Umlaufgeschwindigkeit. Im losen Trumm ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit allerdings deutlich geringer, näherungsweise Null. Das lose Trumm nimmt also zufällige Querauslenkungen einfach mit, Schwingungen können sich darauf nicht aufschaukeln.

Ein schädliches Schlagen von Rollenketten ist aber vermutlich eine Folge von Resonanzanregungen, die ich in Form von stehenden Wellen erwarten würde. Dzu gibt's doch bestimmt Theorie (im Dubbel habe ich noch nicht nachgeschaut)?

Ich bastele mal ein bißchen selbst:

Das gespannte Trumm hat eine freie Länge L. Wenn sich die Kette im Maschinensystem mit der Geschwindigkeit vK bewegt und die Propagationsgeschwindigkeit von Wellen auf der Kette vP ist, dann bewegen sich im Maschinensystem Wellen in Laufrichtung mit

c_v = vP + vK

und in entgegengesetzter Richtung mit

c_r = vP - vK

Stehende Wellen können auftreten, wenn ungeradzahlige Anzahlen von halben Wellenlängen in beide Ausbreitungsrichtungen gleich sind:

(2n + 1) * lambda1/2 = (2m + 1) * lambda2/2 = L/k

(2n + 1) * c_v/f = (2m + 1) * c_r/f = 2*L/k

mit

f: Schwingungsfrequenz und k: positive Ganzzahl

Die niedrigstmögliche Anregungsfrequenz f_min ergibt sich aus

L = c_v / (2*f_min)

zu

f_min = c_v / (2*L) = (vP + vK) / (2*L)

(Eine Sonderform der stehenden Welle könnte dann auftreten, wenn bei entsprechenden Betriebsbedingungen die Geschwindigkeit der rücklaufenden Welle verschwindet.)

Was passiert nun eigentlich bei Resonanzanregung?

Vor allem ist die ganze Angelegenheit wohl extrem nichtlinear: Bei größerer Auslenkung (die maximal wohl in der Mitte des Trumms auftritt) steigt der Kettenzug stark an, wodurch die Propagationsgeschwindigkeit entsprechend zunimmt, um andererseits beim Nulldurchgang der Elongation entsprechend abzunehmen.

Wie kann man nun den Einfluß eines korrekt eingestellten geringen Kettendurchhangs auf die Gefahr des Schlagens charakterisieren? Gefühlsmäßig würde ich annehmen, daß der dazu führt, daß bereits bei geringen Auslenkungen der Kettenzug stark zunimmt, wodurch die Resonanzbedingung wieder zerstört bzw. zu höheren Schwingungsfrequenzen verschoben wird, so daß die Kette dadurch ruhiger läuft.

Die Frage wäre, wie sich ein zu großer Durchhang eingentlich bei höheren Geschwindigkeiten auswirkt. Kann man davon ausgehen, daß Kettenschlagen ein nur bei niedrigen Geschwindigkeiten auftretendes Phänomen ist, weil bei höheren Geschwindigkeiten die erforderlichen minimalen Schwingungsfrequenzen zu hoch werden und sie dadurch dann automatisch hinreichend gedämpft werden? Selbst im Leerlauf, wenn also die Spannkraft der Kette annähernd verschwindet, ist die minimale Anregungsfrequenz

f_min = vK / (2*L)

Bei (z. B.) vK = 10 m/s und L = 1 m wäre das eine Frequenz von f_min = 5 Hz.

Was meinen die Fachleute?

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf . K u s m i e r z
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"Ralf . K u s m i e r z" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@mid.uni-berlin.de...

Hi, keine Ahnung. Schön viel Mathe .-) Jedenfalls ist wohl die Kette gelängt und paßt dem Modul des Ritzels nicht mehr. Daher reitet die Kette auf dem Zahn auf und "rollt" erst verspätet auf der Zahnflanke ab, selbiges passiert auch auf der Gegenseite, die resultierenden Stöße wirken sich zermürbend auf die Lagerungen aus. Ich täte die Kette schnellstens tauschen. Lager sind teurer als Ketten.

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gUnther nanonüm

gUnther nanonüm schrieb:

Nicht nur Kette tauschen, sondern höchstwahrscheinlich auch das kleinere Ritzel, das vermutlich schon Haifischflossen als Zähne hat. Das größere dann auch noch anschauen und ggf. tauschen.

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Christoph Müller

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begin quoting, Christoph Müller schrieb:

  1. Ketten gibt es bei Motorrädern prinzipiell immer nur als "Kettensätze", d. h., da bekannt ist, daß sie immer gemeinsam mit den Ritzeln verschleißen, wird sowieso immer die Kette zusammmen mit beiden Ritzeln ausgetauscht.
  2. war das überhaupt nicht die Frage. Ich wollte nämlich wissen, unter welchen Bedingungen Ketten- bzw. Riemenantrieb anfangen können, zu "schlagen", also Resonanzanregungen aufweisen. Ich vermute, daß das mit dem Verschleißzustand grundsätzlich erst einmal nichts zu tun hat, möglicherweise aber schon mit dem Kettendurchhang (der ohne Nachspannen bei fortschreitendem Verschleiß und dadurch bedingter Kettenlängung natürlich zunimmt).

Vielleicht hätte ich das besser bei den Mathematikern posten sollen.

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf . K u s m i e r z

uuuuuuuuuups?

Carsten (mit Kardan)

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Carsten Thumulla

Mit dir will ich nicht mehr streiten.

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Christoph Müller

"Ralf . K u s m i e r z" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@mid.uni-berlin.de...

Hi, besser anstatt lustiger Formeln erstmal eine Zeichnung machen. Um Schläge aus einem Kettentrieb zu kriegen, braucht es Massen, die gegen tragende Teile schlagen. Das kann leider bei so oberflächlicher Beschreibung an vielen Stellen sein. Etwa wenn die freihängende Kette im Kettenkasten aufschlägt. Oder wenn die Rollenkette von der Zahnspitze aus aufreitet und verspätet runterrollt, dann aber bei genügendem tempo sozusagen "freien Fall" erlebt und im Zahngrund aufschlägt. Oder wenn selbiges am Hinterrad passiert, das ja meist deutlich größer ist und langsamer dreht, also eher nicht solche Stöße erzeugen sollte, dafür aber die Kette wegen der verengten Module bei gelängter Kette nach oben ruckartig auslöst, zwar nur geringe Längenstöße, aber dafür in die Richtung, in der die Kette maximal gespannt ist und diese besonders effektiv überträgt. Dann kommen die Geometrien dazu, die Steifigkeiten, ev. die Lagerspiele etwa an der Hinterradschwinge, ja sogar die Getriebebauart vorm Ritzel könnte mitspielen. Dazu sind noch Setzvorgänge in den Radspeichen denkbar, minimale Grö0e, aber saugut am Hintern spürbar.

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gUnther nanonüm

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begin quoting, gUnther nanonüm schrieb:

Ja, Kleiner. Vergiß Deine Sandförmchen nicht.

Das ist Unsinn.

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf . K u s m i e r z

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begin quoting, Carsten Thumulla schrieb:

(Ich werde das Thumullische Kotzgeräusch mal generös als Frage interpretieren.)

Wußtest Du das etwa nicht? Die Ritzel sind schließlich im Verhältnis zum Preis der Kette spottbillige gepreßte Blechscheiben, warum sollte man daran sparen?

Das kann man als Entschuldigung durchgehen lassen.

(Die unfreundlichen Geräusche kamen übrigens tatsächlich von der Kette, aber die jammerte nur nach ein bißchen Wartung, die ich ihr dann auch angedeihen ließ. Verschlissen ist die noch lange nicht. Über Ketten könnte man lange philosophieren: Eine offene Kette wäre an sich optimal, weil man den Dreck da gut rauswaschen könnte, andererseits wäre die dann aber auch ohne Schmutzschutz und Ölbad ruckzuck verschlissen. Eine Dichtringkette verhindert, obwohl theoretisch eigentlich wartungsfrei, hingegen zuverlässig, daß der Dreck, der trotz der Dichtringe in die Glieder eingedrungen ist, an diesen vorbei wieder entweichen kann. Es wird Zeit, daß ich mal die nachschmierbare Kette erfinde: Die Bolzen kriegen eine Bohrung mit einer Ventilkugel und einer Feder darin verpaßt, und zur Wartung wird dadurch Schmierfett mit einer Presse hineingedrückt, tritt durch ein Radialloch im Bolzen in den Gleitspalt zur Buchse ein und durch diesen hindurch an den Dichtringen wieder aus und transportiert dabei den eingedrungenen Schmutz nach außen. An sich wäre es ja sinnvoll, wenn die Kette nicht gefettet, sondern im Betrieb kontinuierlich mit Öl geschmiert würde: Ca. 10 ml Motoröl pro 100 km wäre ein ganz guter Wert, dann könnte man sich auch den Ölwechsel sparen, sondern einfach alle 5000 km ein halbes Liter Öl nachfüllen. Besonders edel wäre, wenn im laufenden Betrieb Drucköl in die Kettengliederinnereien injiziert würde, da reichten dann auch homöopathische Dosen.)

Die Frage, unter welchen Bedingungen Kettenschwingungen bzw. Resonanzanregungen auftreten können, ist aber davon unabhängig interessant.

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf . K u s m i e r z

["Kettensätze"]

Ein Ritzel hält zwei bis drei Ketten, Ein Kette hält 20.000km -- kenn ich so als Faustformeln.

Man bekommt Ketten auch einzeln zu kaufen.

:°)

Der kommt nix mehr rein -- O-Ringe.

In Öl auskochen und immer schön straff halten.

:°)

Nur theoretisch oder merkt man das beim Fahren?

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Carsten

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Carsten Thumulla

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begin quoting, Carsten Thumulla schrieb:

Wenn man es beim Fahren merken würde, dann wohl entweder daran, daß es bei Schrittgeschwindigkeit gar fürchterliche Vibrationen gibt, oder daran, daß auf der Autobahn der Hintermann gräßlich hupt, weil ihm die Kette in die Windschutzscheibe geflogen ist.

Also: eher theoretisch.

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Tja, Prof. em. Schwarz hat das wohl eher auch nur sehr theoretisch betrachtet: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der longitudinalen Kettenwellen hat er mit SQRT(F_G/m*) ja noch richtig hinbekommen, aber dann leider nicht berücksichtigt, daß er die im System der umlaufenden Kette betrachten muß. (In der Zeichnung hat er dann konsequenterweise nicht berücksichtigt, daß die Kraft im festen und im losen Trumm auch wohl kaum die gleiche sein wird.) Schade aber aber auch...

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf . K u s m i e r z

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begin quoting, "Ralf . K u s m i e r z" schrieb:

recte: transversalen

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf . K u s m i e r z

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Tja, Prof. em. Schwarz hat das wohl eher auch nur sehr theoretisch

Ja, die Symmetrie in der Zeichnung ist mir auch sofort aufgefallen.

Carsten

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Carsten Thumulla

"Ralf . K u s m i e r z" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@mid.uni-berlin.de... ..

Hi, jo, wenn man es schräg lesen will, wirkt es ungerade. Manche Leute verstehen das dennoch. Ich kenne sogar jemanden, der liest Spiegelschrift. Ist der nun blöd oder alle anderen? Jedenfalls versuch mal, eine Kette masselos zu bauen oder diese ohne Kontakt zu Ritzel oder Kettenrad (kettentragende teile) zu benutzen...und dennoch Schläge zu bekommen. Wird sicher ein interessanter Versuchsaufbau. Send pix!

Deine Stoßwelle wird generiert, wenn sich das Kettenglied aus dem Zahnmodul löst oder in selbiges hineinfällt. Und dabei etwa wegen interner Reibung die Ideallinie zeitversetzt erreicht. Daraus ergibt sich ein Fehlwinkel des Kettenglieds und eine Kettenlängenänderung....bzw eine enorme zusätzliche Kettenzugkraft, die Du als "Stoß" bemerkst. Wo bemerkst Du das? Ach ja, ein "tragendes Teil" kanns ja nicht sein, das diesen Stoß weiterleitet, es muß irgendwas nichttragendes sein, die Vollverkleidung, das Nummernschild oder vielleicht der Gasgriff? Komische Kettenführung :-) Jedenfalls hilft eine gut geschmierte Kette bei ansonsten passendem Kettenmodul und Zahnform gegen die meisten Schlagarten. Paßt aber das Modul nicht oder sind die Zähne ausgeschlagen, hilft auch eine fettige Kette nicht. Weshalb man Ketten nach Verschleiß und Schmierstoffverbrauch tauscht, die Kettenräder und Ritzel aber nach Schablone. Oder "per Hinsehen". Die meist gehärteten Zahnräder erleiden auch Materialermüdung. Eine alte Kette bekommt innen an den Rollen Lose durch Abrieb, das ist ein Hohlraum, den das Öl schnell wieder verläßt, sobald Luft reinkommt. Alte Ketten sprühen ihre Schmierstoffe schön raus, wenn man sich das per Zeitlupe anguckt :-) nur neue Ketten haben da so genaue Passung, daß der Ölfilm klebenbleibt, es ist nicht genug "Luft" da, daß sich eine Luftblase halten könnte. Eine Kette, die sich permanent so stark längt, daß sie ihrem Ritzel nicht mehr paßt, ist unterdimensioniert.

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gUnther nanonüm

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