Ziegelschalenbau / 1

Karl-Ludwig Diehl schrieb:

Ich habe mal nach ein paar Beispielbildern gesucht und hier vier Stück gefunden:

Grüße Bernhard

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Bernhard Graeuler
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Hallo,

wenn man da eine Ebene höher geht und dann wieder geeignet eine Ebene tiefer, findet man auch

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Torroja hat schöne Betonschalen gebaut.

Georg

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Georg Matejko

K.L.Diehl, Ackerstr. 4, 53179 Bonn - Seaman Ave, New York

Ziegelschalenbau / 1

Das La Plata-Becken in Uruguay ist eines der Gebiete Lateinamerikas, in dem sich seit der Kolonialzeit eine bedeutende Ziegelbautradition entwickelt hat. Noch heute werden hier nach alten Verfahren Ziegel gebrannt. Dabei wird der entformte Stein an der Luft getrocknet, zu Meilern ueber Feuerungsstaetten aufgesetzt und mehrere Tage unter grosser Hitze durchgebrannt.

Lange Zeit haftete diesem primitiven Feldbrandziegel aus Lehm der Ruch der Kolonialzeit an. Die Mehrzahl der zeitgenoessischen Architekten hat deshalb in Uruguay und Argentinien viele Jahrzehnte seinen Einsatz bei Neubauten bekaempft und gaben modernen, importierten Bauweisen den Vorzug.

Der Bauingenieur (und Architekt honoris causa) Eladio Dieste ist einer der wenigen in Suedamerika gewesen, der seit den vierziger Jahren der traditionellen Bauweise mit Ziegeln verhaftet geblieben ist, ohne in eine "folkloristische" Architektur zu verfallen. Ihm gelang es, die lateinamerikanische Ziegelbaukultur mit der im 19.Jh. in Europa eingefuehrten Bauweise des Betonschalenbaus zu verbinden.

Nach jahrzehntelanger Kritik, zu sehr "rueckwaerts gewandt zu arbeiten" und die "moderne" Baukonstruktion ausser acht gelassen zu haben, hat er sich dann endlich in ganz Lateinamerika mit seinen Ziegelschalenbauten einen Namen gemacht. In Europa war Diestes Werk nahezu unbekannt.

1986/87 bereiste ich Lateinamerika, um baugeschichtliche Forschungen zu betreiben, und stiess in Quito in der Redaktion der Architekturzeitschrift TRAMA auf Rolando Moya, der mich mit den Arbeiten Diestes bekannt machte. Er hatte ihn zu einer Architekturbienale nach Quito geholt, wo er ueber seine Ziegelschalenbauten sprach und die lateinamerikanische Fachwelt, die angereist war, beeindruckte. Ich suchte anschliessend Dieste in Montevideo auf und kehrte spaeter nach Uruguay zurueck, um ueber sein Gesamtwerk eine grosse Ausstellung zu produzieren, die in Deutschland, Frankreich und Holland gezeigt wurde. Drei Jahre lang bereiste ich Architekturfakultaeten und Hochschuleinrichtungen des Bauingenieurwesens in verschiedenen Laendern und hielt Vortraege vor Studierenden und eingeladenen Gaesten und war Festredner auf einer Tagung der deutschen Tragwerkslehrer in Luebeck, die sich ein Bild von den Arbeiten dieses Bauingenieurs machen wollten. Er wurde dann durch meine Vermittlung mehrfach nach Deutschland geholt und hielt Vortraege.

Angeregt durch meinen Vortrag in Hannover, auf Einladung durch Prof.Sobeck, entschloss man sich an der Architekturfakultaet der Universitaet Hannover, Ziegelschalen zu entwickeln, und eine kleine und zwei grosse Versuchsschalen entstanden durch Martin Speth und eine Studierendengruppe auf einem Gelaende der deutschen Bauindustrie, das dazu dient, Fachleute vom Bau unterschiedlichster Berufsgruppen auszubilden. Doch erste Angaben zu Dieste:

Eladio Dieste schloss 1943 das Studium des Bauingenieurwesens in Montevideo ab und wurde anschliessend als Lehrbeauftragter an dieser Fakultaet weiterbeschaeftigt. Als Bauingenieur nahm er freiberuflich Arbeiten von Strassenbauprojekten an und wurde spaeter Abteilungsleiter im Ministerium fuer oeffentliche Bauten. Schliesslich nahm er eine Taetigkeit bei einer daenischen Baufirma auf, die in Montevideo eine Niederlassung gegruendet hatte, um Fabrikhallen aus Stahlbetonschalen zu bauen. Dieste brannte darauf, den Betonschalenbau in der Praxis kennenzulernen und uebernahm die Bauleitung der Projekte als Ortskraft.

In den 1950er Jahren wurde Eladio Dieste als Professor an die Fakultaet Bauingenieurwesen der Technischen Hochschule in Montevideo berufen und lehrte theoretische Mechanik, dann Brueckenbau und begann den armierten Ziegelschalenbau weiterzuentwickeln. 1946 hatte er mit seinem Studienfreund Eugenio Montanez ein Ingenieurbuero gegruendet und nach Bau- und Planungsauftraegen fuer den spanischen Architekt Antonio Bonet mit dem Ziegelschalenbau begonnen. Nach dem Bau von Versuchsschalen aus Streifen armierter Ziegelboegen, die ueber aufgebogenen Holzplanken als Schalungen aufgefuehrt wurden, kam es zum ersten Bau von Ziegelschalen ueber der Villa Berlingieri an der Kueste des Rio de la Plata in einem Erholungsgebiet, das im Sommer zu Ferienaufenthalten dient.

Bonet und Dieste hatten sich in Diskussionen mit der katalanischen Woelbungstechnik und dem Betonschalenbau auseinandergesetzt und die Idee kam auf, eine Synthese zu versuchen, sodass durch Baueisen in den Fugen der Ziegelschale eine hoehere Festigkeit erzeugt wird und zugleich der Ziegelschalenbau berechenbar wird. Die katalanische Woelbungstechnik erlaubte es nicht, exakte Berechnungen zu erstellen und man war auf Ergebnisse von Belastungsversuchen angewiesen. Ausserdem waren erfahrene Maurer noetig, die auf diese Bauweise spezialisiert waren und Garantieleistungen zu erbringen hatten. Die katalanische Woelbungstechnik war zwar verschiedentlich bei Klosterbauten genutzt worden, doch fehlte die Breitenwirkung, weil andere Bauweisen eher eingesetzt wurden.

Die Idee zur Uebertragung der Vorteile des Betonschalenbaus auf den Ziegelschalenbau kam bei Dieste auf, weil ihm der Betonschalenbau zu langsam vorkam. Ihn stoerte die lange Abbindezeit des Betons und die damals gebauten Tonnen aus Betonschalen mit Tympanon und schweren Balken zur Aussteifung des Tragwerks unter dem Woelbungsansatz und zwischen den Stuetzen schien ihm zu aufwendig und in ihrer Erscheinung zu schwerfaellig. Bei der Entwicklung des armierten Ziegelschalenbaus ging es ihm also um schnelleres Bauen. Er probierte einseitig und zweiseitig gekruemmte Ziegelschalen aus und ersann Schnellschalungen, die beweglich waren und bei Bedarf abgelassen und langsam auf Schienen weitergefahren werden konnten, um den naechsten Bauabschnitt der Hallenueberdachung zu beginnen. Nachdem er eine Fertigungshalle fuer Elektrogeraete mit doppeltgekruemmten Ziegelschalen von 38m Spannweite ueberdacht hatte, wagte er sich auch an wesentlich groessere Bauaufgaben heran. Die 50m grosse Spannweite der armierten Ziegelschalen ueber einem Hafendepot in Montevideo rief in der Fachwelt Uruguays und Argentiniens Staunen hervor. Seitdem wuerdigte ihn ein Baugeschichtler aus Argentinien und verfolgte mit grossem Interesse sein Werk. Andere Wissenschaftler schlossen sich ihm an und er wurde bald mit Ehrungen ueberhaeuft. In seinem Buero in Montevideo in der Calle Roxlo arbeiteten Architekten und Bauingenieure zusammen. Auch nach seinem Tod vor wenigen Jahren wird der Ziegelschalenbau in Uruguay weiterbetrieben. Einige seiner Soehne haben sich dieser Aufgabe verschrieben. Langjaehrige Mitarbeiter setzen mit ihnen eine wichtige Bautradition Uruguays fort. Karl-Ludwig Diehl

Literatur: Karl-Ludwig Diehl: Bewehrt und eigenwillig. Der Ziegelbau des Eladio Dieste in Uruguay. In: Bauwelt. 11/1983. S.546-561 (fast das gesamt Heft) Karl-Ludwig Diehl: Eladio Dieste. Revolution im Ziegelbau. In: ZI Nr.9/91. Sonderdruck. Karl-Ludwig Diehl: Sanft gewellt wie die Huegellandschaft Uruguays. Eladio Diestes armierte Ziegelschalen. In: Daidalos 43/1992. S.76-85. Karl-Ludwig Diehl: Lateinamerikanische Ziegelarchitektur als Ausdruck des eigenstaendigen Weges und als Abgrenzungsversuch zur Architektur der hochindustrialisierten Laender. In: Proceedings of the 9th International Brick/Block Masonry Conference. Berlin, 1991. 3 Bde. Bd.3, S.1659-1669 Karl-Ludwig Diehl: Ueber die Zukunft des Bauens. Ein interdisziplinaerer Studentenkongress setzte Zeichen. Redner: Eladio Dieste (Uruguay), Jos Tomlow (Institut fuer leichte Flaechentragwerke, Stuttgart), Prof.Dr.Rolf Kuhn (Direktor des Bauhauses Dessau), Karl-Ludwig Diehl (Kunsthistoriker, Bonn), und viele studentische Redner. FH-Journal.

1/93. S.30-32. Karl-Ludwig Diehl: Die bewehrten Ziegelschalen von Eladio Dieste. In: Bautechnik. 6/1992. S.314-321
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Karl-Ludwig Diehl

Hallo,

Bernhard Graeuler schrieb in der newsgroup de.sci.ing.misc:

Danke fuer den Hinweis. Vermutlich ist einiges im Netz. Allem bin ich noch nicht nachgegangen. Muesste einmal zusammengestellt werden. Derzeit arbeite ich ueber einen anderen Ziegelschalenbauer. Gruesse K.L.Diehl

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Karl-Ludwig Diehl

Hallo,

Georg Matejko schrieb in der newsgroup de.sci.ing.misc:

Ich muss die Geschichte des Betonschalenbaus durcharbeiten, da ist natuerlich jeder Hinweis sehr anregend.

Zu Torroja ist zu sagen, dass er es war, der erstmals den Arbeiten von Eladio Dieste Aufmerksamkeit gewidmet hat und ihm in einem Aufsatz einen Abschnitt widmete, der darauf abzielte, der Fachwelt der hochindustrialisierten Laender klarzumachen, dass sich hier einer um den Ingenieurbau verdient macht. Fuer den jungen Dieste war das Ansporn, weiterzumachen, in schwierigen Zeiten, als er sehr abschaetzig behandelt wurde, da er mit Ziegeln Tragwerke errichtete.Diese waren dann fuer die Baugeschichte Lateinamerikas von immer groesserer Bedeutung geworden.

Gruesse K.L.Diehl

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Karl-Ludwig Diehl

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