Ein Trafo ist ein gar nicht so einfaches Gebilde, meinte ich, als
ich über das Ersatzschaltbild von folgendem Trafo mit einem Bekannten
diskutierte:
Ein Trafo mit M-Kern, aber abweichend vom Normalen sind die zwei
Sekundärspulen nicht auf dem mittleren Steg wie die Primärspule,
sondern eine ist auf dem linken, die andere auf dem rechten äußeren
Steg.
Der Einfachheit halber werde angenommen, dass alle drei Spulen die
gleiche Windungszahlen haben und dass keine (nenneswerte) Streuung
auftritt.
Wie sieht das Ersatzschaltbild aus?
Gruß
Manfred
X-No-Archive: Yes
begin quoting, Manfred Ullrich schrieb:
Eklig ;-)
So sieht das Ersatzschaltbild desselben Trafos mit nicht
vernachlässigbaren Streuinduktivitäten aus:
o---|XXXXX|----
|
o---|XXXXX|----o
|
o---|XXXXX|----o
|
|X|
|X|
|X|
|X|
|X|
|
o--------------
Und wie sieht es also aus, wenn die Streuinduktivitäten gegen Null
gehen?
Genau!
Nein, Scherz beiseite: Es ist einfach o. a. Ersatzschaltbild. Man
sieht es ein, wenn man reihum eine oder mehrere Klemmen an Spannung
legt, offen läßt oder kurzschließt.
Zwei offen, eine an Spannung: An den offenen liegt die gleiche, halb
so hohe Spannung an, es fließt ein kleiner Magnetisierungstrom (der
Magnetfluß verteilt sich über beide Rückflußschenkel).
Eine der offenen Klemmen wird kurzgeschlossen: Der Kurzschlußstrom
verdrängt das Feld aus diesem Schenkel, der magnetische
Kreiswiderstand nimmt zu (von 1,5 auf 2), entsprechend nimmt die
Induktivität ab und der an der Spannungsquelle aufgenommene Strom um
1/3 zu, also
L_S + (L_S || L_H) = 3/4 * (L_S + L_H) => L_S = L_H
(L_S = L_H = 2:
U_1 = 12, U_2 = U_3 = 6 => I_1 = 3, I_2 = I_3 = 0;
U_1 = 12, U_2 = 4, U_3 = 0 => I_1 = 4, I_2 = 0, I_3 = -2)
Es sind also die drei Streuinduktivitäten gleich der Hauptinduktivität
(unter der Voraussetzung unendlich dicker, als magnetisch
widerstandsloser Joche.)
Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
Hallo Ralf,
an Deinem Ersatzschaltbild erkenne ich nicht so recht die folgenden
Eigenschaften des Trafos:
1. Unbelastet oder gleich belastet ist jede Sekundärspannung gleich der
Hälfte der Primärspannung.
2.Wird die eine Sekundärwicklung belastet, so sinkt deren Spannung und
im gleichen Maße steigt die der anderen S-Wicklung - bis bei Kurzschluss
die Spannung der unbelasteten (idealerweise) gleich der P-Spannung ist.
Oder meinst Du, die Trafo-Eigenschaften seien nicht so?
Gruß
Manfred
X-No-Archive: Yes
begin quoting, Manfred Ullrich schrieb:
Streuimpedanz Z_S = Hauptimpedanz Z_H := Z
Unbelastete Sekundärwicklungen:
Der "Sternpunkt" (rechts oben) liegt auf der halben Primärspannung
(Streuinduktivität = Hauptinduktivität: Spannungsteiler), die
Sekundärspannungen auch.
Belastung einer Sekundärwicklung mit der Impedanz Z_L:
U_Stern/U_prim = 1 / (1 + Z/((Z + Z_L) || Z))
= 1 / (2 + 1 / (1 + Z_L/Z))
U_sek/U_Stern = 1 / (1 + Z/Z_L)
U_sek/U_prim = 1 / (2 + 3*Z/Z_L)
Die Spannung der offenen Sekundärwicklung ist gleich der
"Sternspannung".
Kurzschluß einer Sekundärwicklung:
Die Spannung der offenen Sekundärwicklung ist 1/3 der Primärspannung.
Hm, das stimmt wohl alles nicht: Wenn die drei Wicklungen
parallelgeschaltet werden, dann sollte die Impedanz verschwinden, also
die Schaltung einen Kurzschluß darstellen, weil sich kein Hauptfluß
ausbilden kann. Dann müßte aber
Hauptimpedanz = -Streuimpedanz/3
ZH = -ZS/3
sein.
Mit den sekundären Lastimpedanzen Z1 und Z2 hätten wir dann
1 / U2 \ / Z1 / [ZS*(ZS + Z1)/(ZS + Z2) - 2*Z1] \
------ | | = | |
U_prim \ U3 / \ Z2 / [ZS*(ZS + Z2)/(ZS + Z1) - 1*Z2] /
Und damit kommen dann genau die erwarteten Eigenschaften heraus.
Das Ersatzschaltbild ist also wie oben, aber bei gegebenem ZS
ist ZH = -ZS/3 negativ.
Interessant.
Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
Schön, dass (auch) Du das interessant findest.
Der Trafo ist - wenn man versucht, sich hineinzudenken - ein äußerst
interessantes Gebilde.
Gruß
Manfred
X-No-Archive: Yes
begin quoting, Manfred Ullrich schrieb:
^
Dreck. Da muß natürlich auch ein Vorfaktor 2 hin. (Kommt von der
Faulheit der automatischen Austauschung der Indexziffern.)
Überprüft?
Naja, im Idealfall aber schon eine ziemlich lineare Angelegenheit.
Bei Deiner Aufgabe bin ich beim Reindenken ja offensichtlich erst
einmal gründlich auf die Nase gefallen, weil ich intuitiv
unberechtigterweise negative Werte ausgeschlossen hatte. Interessant
ist die Aufgabe aber u. a. deshalb, weil sie eine unmögliche
Voraussetzung enthält: Wie das Beispiel "alle drei Wicklungen an der
gleichen Spannung" zeigt, ist die Voraussetzung "daß keine
(nennneswerte) Streuung auftritt", physikalisch unerfüllbar, weil dann
nämlich der gesamte Fluß zum Luft-(=Streu-)Fluß wird und der "Trafo"
nur noch eine sehr geringe (induktive) Impedanz darstellt.
Als Übungsaufgabe verpassen wir dem jetzt mal auch für diesen Fall
einen magnetischen Rückschluß, nehmen also einen Vier- oder
Fünfschenkelkern mit drei bewickelten Schenkeln, und diesmal darfst Du
das Ersatzschaltbild mit den quantitativen Verhältnissen der Elemente
angeben.
Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
Also ich meine, das Ersatzschaltbild des von mir beschriebenen Trafos
sieht (fast) so aus, wie
http://public.tfh-berlin.de/~krumm/elektronik-2/opv/anwendungen/ws-wandler/trafo-ersatz.pdf
es zeigt, mit dem wesentlichen Unterschied, dass rechts zwei
"ideale Transformatoren" sind, und zwar in Reihe (!!) geschaltet.
Dann haben wir
1. Bei gleicher Belastung hat jede S-Wicklung die halbe P-Spannung.
2. Bei Belastung der einen sinkt deren Spannung und die andere Spannung steigt
bis bei Kurzschluss der einen die andere (idealerweise) P-Spannung hat.
Was meinst Du dazu?
Gruß
Manfred
X-No-Archive: Yes
begin quoting, Manfred Ullrich schrieb:
http://public.tfh-berlin.de/~krumm/elektronik-2/opv/anwendungen/ws-wandler/trafo-ersatz.pdf
Das fällt doch schon durch den "Idiotentest" durch: Wir hatten hier
einen (dreizählige) Symmetrie vorausgesetzt, also muß sich das
Ersatzschaltbild auch in einer entsprechenden symmetrischen Form
angeben lassen - das ist bei der angegebenen Variante offenbar nicht
der Fall.
Was weiß man denn a priori über das Ersatzschaltbild?
Da wir die Verhältnisse einfach mal als ideal verlustfrei annehmen,
kommen darin keine reellen Impedanzen vor, wir können uns also auf
rein imaginäre Elemente beschränken. Ideale Transformatoren brauchen
wir nicht: Die sind nur dazu da, um ein von 1:1 verschiedenes
Übersetzungsverhältnis darzustellen - das kommt hier aber eigentlich
nicht vor, weil die drei Windungszahlen gleich sind.
(Cave! Betrachtet man den Zweischenkelkern mit zwei gleichen
Wicklungen, so stellt man fest, daß das Übersetzungsverhältnis nicht
1:1, sondern -1:1 ist (Durchflutung "verkehrtherum"). Nun ist es aber
in dem Dreiwicklungsfall nicht damit getan, einfach einen oder zwei
ideale Transformatoren mit dem Übersetzungsverhältnis -1:1
einzusetzen, denn dann findet sich immer ein Paar Klemmen, zwischen
denen die Spannung nicht invertiert wird - so geht es also nicht -
braucht man aber auch nicht.)
Wie sieht denn das allgemeine Ersatzschaltbild aus? Wir haben drei
Klemmenpaare; o. B. d. A. kann man nun je einen Anschluß auf "Masse"
legen, also drei der Klemmen zu einer zusammenfassen, denn das ändert
nichts an der Stromverteilung, wenn man die drei angeschlossenen
Spannungsquellen als galvanisch getrennt unterstellt. Mithin haben wir
dann eine Schaltung mit vier Klemmen K1, K2, K3 und K4 (=M). Bei der
Ersatzschaltung handelt es sich um ein lineares Netz, das sich durch
je eine Impedanz zwischen je einem Klemmenpaar darstellen läßt, also
insgesamt sechs Impedanzen.
Aus Symmetriegründen müssen je drei der Impedanzen gleich sein, also
Z_A = Z_12 = Z_13 = Z_23 und
Z_B = Z_14 = Z_24 = Z_34
Schaltbild:
1 2 3
o o o
| | |
o--- o--- o---
| | | | | |
| |X| | |X| | |X|
| |X| | |X| | |X|
| |X| | |X| | |X| 3 x Z_A
| |X| | |X| | |X|
| | | | | |
| ----o ----o |
o--------|--------|---
| | |
|X| |X| |X|
|X| |X| |X|
|X| |X| |X| 3 x Z_B
|X| |X| |X|
| | |
--------o--------
|
--- M
Die Aufgabe besteht also darin, die beiden unabhängigen Elemente Z_A
und Z_B des Ersatzschaltbildes zu bestimmen bzw. genau genommen das
Verhältnis Z_A/Z_B, denn das Problem läßt sich auf das Quadrat der
Windungszahl normieren, die in dem angegebenen Verhältnis herausfällt.
Dafür legt man, ebenfalls o. B. d. A., an die Klemme 1 die Spannung
U_prim an und betrachtet z. B. die Spannung U2 bei offener und bei
kurzgeschlossener Klemme 3.
Aus dem Ersatzschaltbild erhält man dafür Ausdrücke, die nur von
U_prim, Z_A und Z_B abhängen.
Die Spannung U2 kennt man aber schon vorher aus der Physik der
Anordnung:
Der in 1 hineinfließende Strom I1 erzeugt in dem betreffenden Schenkel
einen Magnetfluß, der sich gleichmäßig auf die anderen zur Verfügung
stehenden Schenkel aufteilt. Zur Verfügung stehen diejenigen Schenkel,
die keine Bewicklung oder eine Wicklung mit offener Klemme haben. Im
ursprünglichen Dreischenkelfall fließt also durch jeden der beiden
anderen Schenkel der gleiche, halb so große Fluß, und also sind bei
offenen Sekundärklemmen die beiden Sekundärspannungen
U2 = U3 = -U_prim/2
(Vorzeichen wegen der Flußrichtung).
Bei kurzgeschlossener Klemme 3 wird durch den dort fließenden
Sekundärstrom der Fluß aus diesem Schenkel vollständig verdrängt, er
kann nun nur noch durch den Schenkel 2 fließen und ist dort genauso
hoch wie in Schenkel 1, also folgt
U2 = -U_prim .
Die beiden bekannten Spannungen werden in die beiden Gleichungen für
das gegebene Netz eingesetzt und daraus dann die beiden Impedanzen
bestimmt - fertig.
Wenn mehr als drei Schenkel vorhanden sind, dann ist das Vorgehen
analog, man muß nur berücksichtigen, daß sich der Fluß dann auf
mehrere Schenkel verteilt. An dem o. a. Schaltbild ändert sich nichts.
Man kann es aber zu dem zuvor angegebenen vierstrahligen Stern
vereinfachen.
Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
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