Hallo,
macht es bei Unterschied beim Einschaltstrom, ob man einen Trafo primär mit
230- oder 400V betreibt?
Es handelt sich um einen 250VA-Trafo mit Belastung durch
Gleichrichter/Ladeelko, der über ein Schütz möglichst ohne Anlaufschaltung
geschaltet werden soll.
Siegfried
X-No-Archive: Yes
begin quoting, Siegfried Schmidt schrieb:
So ganz verstehe ich Deine Frage nicht. Zwei Effekte bestimmen den
Anlaufstrom:
1. der Rush-Strom:
Wenn eine Induktivität an Wechselspannung geschaltet wird, überlagern
sich zwei Ströme:
1. der normale, der Spannung 90° nacheilende Wechselstrom und
2. ein Gleichstrom, der vom Einschalten herrührt und mit der
Zeitkonstante L/R abklingt - da R aus Netzimpedanz und
Wicklungswiderstand klein (einige Ohm) und L groß (mehrere H)
sind, liegt die Zeitkonstante u. U. bei mehreren Sekunden, also
vielen Perioden.
Da im eingeschwungenen Zustand während der Spannungsmaxima der Strom
verschwindet, wäre es am günstigsten, eine Induktivität im
Spannungsmaximum einzuschalten, dann verschwindet der Einschaltstrom
nämlich, d. h. es fließt kein transienter Gleichstrom. Demgemäß ist es
am ungünstigsten, wenn die Induktivität im Spannungsnulldurchgang
eingeschaltet wird, dann wird nämlich der eingeschwungene
Wechselstrom, der im Spannungsnulldurchgang maximal wird, durch einen
entgegengesetzt gleich großen Einschalt-Gleichstrom kompensiert, der
wegen seiner großen Abklingzeitkonstante nach der nächsten Halbwelle
praktisch unverändert weiterfließt und sich dem Wechselstrom
überlagert, so daß jetzt das Doppelte des normalen Stroms fließen
würde, wodurch der Kern normalerweise gesättigt würde (entspräche
immerhin im stationären Zustand der doppelten Betriebsspannung! -
bitte Einschaltvorgang explizit mit Differentialglg. nachrechnen) und
damit dann die Induktivität zusammenbricht und der Strom nun praktisch
ungedrosselt stark ansteigt.
Der erhöhte sekundärseitige Laststrom durch anfangs noch nicht
geladene Kondensatoren spielt dagegen für die Kernmagnetisierung fast
gar keine Rolle und wird im übrigen durch die Streuinduktivität des
Trafos meistens automatsich hinreichend begrenzt. Wie man sich leicht
überlegt, magnetisieren Lastströme den Trafo nämlich nicht, weil die
Durchflutungen, die die primären und sekundären Ströme verursachen, in
der Summe verschwinden - eine Magnetisierung ergibt sich
ausschließlich durch den phasenverschobenen Querstrom, der im
Trafo-Ersatzschaltbild durch die Hauptinduktivität fließt.
Differentialgleichung des Stroms
u(t) = R * i(t) + L * d/dt i(t) = U_max * cos(omega*t-phi)
mit der Randbedingung i(t=0) = 0
Diese Diff.-Glg. löst man durch Hingucken und erhält
i(t)
(U_max/(omega*L))*[sin(omega*t-phi)+sin(phi)*exp(-t/[L/R])] für t >0
und
i(t) = 0 für t<=0
(Im Fall des sekundärseitig belasteten Trafos transformiert sich der
Sekundärstrom einfach noch zusätzlich gemäß dem Übersetzungsverhältnis
auf die Primärseite und überlagert sich der o. a. Lösung additiv. Wie
ich schon schrieb, trägt er zur Magnetisierung aber im wesentlichen
nichts bei und verursacht dadurch auch keine Eisensättigung - die die
wesentliche Ursache für den Einschaltüberstrom ist - im Gegensatz zum
berechneten Rush-Strom.)
Für phi = k * Pi (Einschalten im Spannungsmaximum) verschwindet dabei
die abklingende Gleichstromkomponente sin(phi)*exp(-t/[L/R]).
2. Der Ladestrom für die Kapazität:
U. a. im Tietze/Schenck steht eine Abschätzung über die maximalen
Einschaltströme - sie sind u. a. deswegen relevant, weil sie den
Gleichrichter nicht "töten" dürfen. Die einfache Überlegung mit der
Impedanztransformation ist etwas irreführend: mit der
Wechselstromtheorie und der komplexen Rechnung kann man den Vorgang
nämlich nicht erschlagen, weil der Gleichrichter ein extrem
nichtlineares Bauelement ist.
Aber wie auch immer: Einschaltstrombegrenzung von nicht mehr ganz
kleinen Trafos empfiehlt sich nicht nur wegen der Netzrückwirkung,
sondern auch zum Schutz des Trafos selbst. Und sie muß zwingend durch
Erhöhung des Wirkwiderstands erfolgen und kann nicht durch (im übrigen
dafür auch zu teure) Serieninduktivitäten erfolgen, denn man will die
Zeitkonstante tau=L/R, in die natürlich auch die Netzreaktanz eingeht,
wirksam auf möglichst wenige Perioden verkleinern, um den Rush-Strom
zu reduzieren. Einschaltheißleiter sind dafür bei Kleintrafos eine
recht pfiffige Idee.
(Text aus früheren Posts von mir recycled - ich hoffe, daß es die
Frage beantwortet.)
Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
Die Frage ist, ob und welchen Effekt die Wahl der Eingangsspannung auf die
beschriebenen Einschaltströme haben. Der zur Verfügung stehende Trafo
ermöglichgt zwei Spannungen und es sind auch beide Spannungen am Einbauort
vorhanden.
Die Einschaltung soll wenn nicht unbedingt anders nötig, zu beliebigen
Zeitpunkten erfolgen.
Gedrosselt durch die Wirkwiderstände. Die Drahtlänge der Wicklung ist
näherungsweise proportional zu Spannung, der Querschnitt umgekehrt
proportional. Also müßte für diesen Extremfall die höhere Anschlußspannung
günstiger sein, oder?
Die Frage ist, wie sieht das unterhalb des Extremfalls aus?
Also auch keine Abhängigkeit von der Primärspannung.
Aber auch hier keine Abhängigkeit von der Primärspannung.
Bleibt in Summe bislang also ein leichter Vorteil der höheren Spannung.
Siegfried
X-No-Archive: Yes
begin quoting, Siegfried Schmidt schrieb:
Die Hauptinduktivität und damit die "Einschwing-" (bzw. Abkling-)zeit
des Rushstroms geht quadratisch mit der Spannung, verdreifacht sich
also ungefähr.
Klar. Es geht auch nur um die "worst case"-Rechnung bzw. die Frage,
warum die Sicherung nur manchmal rausfliegt.
Nein, durch die Induktivität natürlich.
Der *Wirk*widerstand ist zur Einschaltstrombegrenzung ohnehin viel zu
klein (nachmessen), daher verwendet man bei Kleintrafos doch die
Heißleiter als billige Einschaltstrombegrenzung. Warum willst Du die
paar Cent nicht ausgeben? Aber Du hast recht: der Widerstand geht
natürlich auch quadratisch mit der Spannung, verdreifacht sich also.
Dummerweise verringert das die Einschaltstromstärke wegen der höheren
Spannung aber nur um den Faktor 1/Sqrt(3), also um 42%.
Es hängt von der Haupt- und Streureaktanz und der Sättigungsflußdichte
ab, also: messen. Oszillographier ein paar Dutzend Einschaltvorgänge
mit einem Speicheroszi und mach Dir einen Reim darauf - wenn die
Sicherung rausfliegt, brauchst Du eine Einschaltstrombegrenzung
(*keinen* Trenntrafo einsetzen, der versaut in dem Fall die Messung).
Miß die relative Kurzschlußspannung (Primärseite kurzschließen und
sekundärseitig Nennstrom einspeisen) - sollte bei Kleintrafos über 10
% liegen, also z. B. bei 18V Leerlauf-Ausgangsspannung über 1,8V.
Im Zweifelsfall: ja. Wäre bei 250VA nicht ein SNT besser?
Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
ODER
Es ist anzunehmen ...
daß der Draht für die 230V als Teilwicklung für die 400V verwendet
wird und sich dabei nicht wundersam verdünnt, sobald die 400V-Klemme
angeschlossen wird. Der ohm'sche Widerstand der 400V-Wicklung dürfte
daher verhältnismäßig besser (=niedriger) als nötig sein, der
Einschaltstromstoß um eine Winzigkeit niedriger.
Es ist aber wiederum anzunehmen ...
daß bei Verwendung der 230V Wicklung ein Teil der Spule unbenutzt
bleibt und daher die Streuinduktivität etwas größer ist als für
den Trafo im Optimalfall anzunehmen wäre. Was dem Einschaltstrom-
stoß durch Eisensättigung entgegenkommt.
Was mehr oder weniger ausmacht, das wissen die Götter oder eine
Doktorarbeit oder sonstwer, dem fad ist.
Meingottnaa, der Einschaltstromstoß ist bei einem 250VA-Trafo
sowieso so hoch, daß eine Heißleiterschaltung o.ä. notwendig ist.
Da gibt es keine Ausflüchte. Wenn dahinter nur Gleichspannung
benutzt wird, dann würde ich sogar schon einen Drehstromtrafo
bevorzugen, um einen ev. Phasenausfall ignorieren zu können,
aber ich bin ein alter Fanatiker.
MfG
--
Ein Physiker ist jemand, der jeden technischen Defekt erklären,
aber nicht reparieren kann.
Ja, Wurzel aus 3 ist der "Unterschied".
Es sei denn, du meinst den selben Trafo mit der selben
Primärwicklung mit den selben Windungen. Dann macht es
einen Unterschied in °C und in dB und in EUR.
--
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aber nicht reparieren kann.
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