Und nun Emsland: Warum gehen die Trafos kaputt?

Was nicht unbegründet ist. Kneip(en)gänger wissen mehr.

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horst-d.winzler
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Hallo,

"Karl Boder" schrieb im Newsbeitrag news:4a6add66$0$31346$ snipped-for-privacy@newsspool4.arcor-online.net...

Ralf hatte es also von Lingen und Krümmel... ...beidemale musste der Reaktor via Schnellabschaltung heruntergefahren werden. Welches von beiden war deiner Meinung nach jetzt kein Störfall? In Krümmel gab es sogar einen größeren Brand. Und Feuer ist, wie dir jeder Feuerwehrmann bestätigen kann, unberechenbar. Wenn etwas, das zu einer Schnellabschaltung führt, kein Störfall ist, was dann? Außerdem möchtest du uns mal erklären, warum die Reaktoren, wenn das keine Störfälle sind, nicht nach der normalen Prozedur heruntergefahren wurden? Bei mir ist sein _Stör_fall, egal in welcher Art Anlage, ein Ereignis, bei dem der normale Betrieb ge_stört_ ist. Wo fängt bei dir ein Störfall an?

Die allgemein anerkannte Definition lautet übrigens:

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:

"In der Kerntechnik ist ein Störfall gemäß § 3 der Strahlenschutzverordnung "ein Ereignisablauf, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind." Er unterscheidet sich vom Unfall dadurch, dass sich die Auswirkungen auf die Anlage beschränken."

Inwiefern entsprechen die Ereignisse in Krümmel jetzt nicht dieser Definition?

Gruß, Harald

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Harald Horn

X-No-Archive: Yes

begin quoting, "Jan N. Klug" schrieb:

Bei manchen Postern sind Antworten schlicht Zeitverschwendung.

Was die reale Situation ist, und was eine Automatik zu sehen glaubt, können zwei Paar Stiefel sein. Real stand die Anlage wohl nie ohne Eigenversorgung da (was in der Tat ein Störfall wäre), sondern es gab nur eine sekundenlange Spannungsunterbrechung auf den Eigenbedarfsschienen, die die Automatik dann als bedrohlich interpretierte und deswegen die eigentlich unnötige RESA auslöste, aber das kann die Automatik nicht wissen.

Daß das nicht so besonders klug ist, wußte der Betreiber übrigens. Es gibt den Abschlußbericht der Birkhofer-Kommission, die nach dem Trafobrand eingesetzt wurde und die Abläufe untersuchte. Darin gibt es einen Abschnitt 4.2.1.3 "Technische Optimierungsmaßnahmen", und in dem steht:

"Im Kernkraftwerk KKK kam es aufgrund einer auslegungsbedingten Verzögerungszeit von nur 1 Sekunde nach dem Ausfall der Eigenbedarfsversorgung zur RESA. Es ist vorgesehen, die Auslöseverzögerung der RESA für diesen Fall auf 3 Sekunden zu verlängern (Maßnahme I.3). Dann stabilisiert sich die Anlage bei einem nur kurzzeitigen Ausfall der Eigenbedarfsversorgung mit reduzierter Leistung im Umleitbetrieb. Kommt es zur RESA, ist für die Zukunft zu gewährleisten, dass die Reaktorspeisewasserpumpen nach RESA wieder zuschalten. Zu diesem Zweck ist eine Änderung in der Funktionsgruppensteuerung der Reaktorspeisewasserpumpen vorgesehen (Maßnahme I.2). Darüber hinaus empfiehlt die Expertenkommission, am Simulator Störungen in der elektrischen Eigenbedarfsversorgung bzw. Netzstörungen unter verschiedenen zeitlichen und verfahrenstechnischen Randbedingungen zu simulieren, um das bestimmungsgemäße Verhalten der wesentlichen betrieblichen Verbraucher nachzuweisen, so dass Anforderungen von Sicherheitseinrichtungen bei derartigen Störungen vermieden werden können.

Die konzipierten Maßnahmen (Maßnahmenpaket vom 05.09.2007 /2/) zur Verbesserung der Verfügbarkeit der Eigenbedarfsversorgung, zur Verhinderung einer unnötigen RESA und zur Gewährleistung eines anforderungsgerechten Zuschaltens betrieblich erforderlicher Komponenten nach einer RESA sind nach Meinung der Expertenkommission sinnvoll und geeignet, um in der Zukunft Anlagenbelastungen durch unnötiges Ansprechen von Sicherheitssystemen zu vermeiden."

Ein löblicher Vorsatz - warum wurde er denn nicht realisiert?

Das Problem tritt aber schon vorher auf. Bei einem Trafofehler sollte es dabei aber gerade nicht zur RESA kommen, denn der EB sollte weiterhin nach wie vor über den intakten Strang aus dem 380-kV-Netz sichergestellt werden und auf der fehlerbehafteten Seite durch Langzeit-Umschaltung auf das 110-kV-Netz ergänzt werden. Bei beiden Maschinentransformatorstörungen (Juni 2007 AT01 mit Brand und Totalzerstörung, Juli 2009 AT02 mit Ölaustritt und ebenfalls erheblichen Beschädigungen) kam es aber entgegen den im Betriebshandbuch vorgesehenen Abläufen zu einer Schutzanregung im intakten Strang, die dessen Abschaltung vom Netz über den Leistungsschalter bewirkte, und in der Folge zu der fehlerhaften (weil bei korrekter Schutzfunktion, also Isolierung der Fehlerstelle vom intakten Strang, nicht erforderlichen zweiten Leistungsschalterauslösung) Unterbrechung und Langzeit-Umschaltung des Eigenbedarfs, die dann zu der (so auslegungsgemäß veranlaßten) RESA führte.

Der "korrekte" Strörungsbehandlungsablauf wäre lt. Handbuch in beiden Fällen der gewesen, daß nach der Isolierung der Fehlerstelle von dem gesunden Transformatorstrang, dem Turbinenschnellschluß und der Schnellentregung sowie dem Abklingen des generatorseitigen Fehlerstroms der Generatorschalter zum defekten Trafo geöffnet und der Trafo damit von der Generatorsammelschiene isoliert worden wäre, dann der Generator resynchronisiert und auf den gesunden Strang aufgeschaltet; anschließend hätte dann der Leistungsbetrieb über den gesunden Strang mit gut halber Leistung fortgesetzt werden sollen.

Die RESA war kein bestimmungsgemäßer, sondern ein fehlerhafter bzw. fehlerhaft eingeleiteter Vorgang. Vergleichsweise: Wäre die EB-Versorgung aus dem Netz komplett ausgefallen, also auch die Umschaltung auf das 110-kV-Fremdnetz, und wären dann auslegungsgemäß die Notstromaggregate angelaufen und hätten die Eigenversorgung übernommen, dann würde wohl auch kein verständiger Mernsch auf die Idee kommen, daß das kein Fehler war, weil es auch dabei nicht zu einer Störung im nuklearen Teil der Anlage gekommen wäre.

Wir haben im vorgesehen Ablauf der stufenweisen Sicherstellung des Eigenbedarfs 4 Stufen zu unterscheiden:

Stufe 0: Kraftwerk läuft mit voller oder halber Leistung (nur ein MT) im Normalbetrieb, der Eigenbedarf wird von der 27-kV-Schiene abgenommen und vom Generator gedeckt.

Stufe 1: Generator ist ausgefallen, EB wird über wenigstens einen MT aus dem

380-kV-Netz gedeckt.

Stufe 2: EB-Versorgung aus dem 380-kV-Netz funktioniert nicht, Langzeitumschaltung auf 110-kV-Fremdnetz.

Stufe 3: EB aus 110-kV-Netz funktioniert auch nicht, letzte Rettung: Eigenbedarf wird aus Diesel-Notstromaggregaten gedeckt.

Wir haben hier ein partielles Versagen der Sicherheitssysteme vorliegen, die Stufe 1 hat nicht funktioniert, es mußte zur Stufe 2 eskaliert werden. Das kann man nicht als "normal" verharmlosen.

Inzwischen weiß man, warum es am 4. 7. zur nachfolgenden Differentialschutzanregung am Trafo AT01 (dem nicht betroffenen) kam: Aufgrund der durch die Schutzanregung wegen des Trafofehlers am Trafo AT02 ausgelösten Schalthandlungen (Öffnung des Leistungsschalters AC02 und des Generatorschalters AQ01) kam es zu einer Überspannungstransiente im 27-kV-Bereich. Diese Transiente ließ Überspannungsableiter am Trafo AT01 ansprechen, was sinnvoll ist, um den Trafo selbst vor Durchschlägen zu schützen.

Und nun die schafsdumme Blödheit: Die Überspannungsableiter sind zwischen den Stromwandlern und dem Transformator angeordnet, der Ableitstrom lag also im Strompfad der Wandler, und damit wurde er als Transformatorfehlerstrom gewertet und führte zur Differentialschutzanregung, obwohl dem Trafo überhaupt nichts fehlte. (Ich nehme mal an, daß die Überspannungsableiter selbstlöschend sind.)

Leider rückt der Krümmel-Betreiber die Stromschriebe des Ereignisablaufs mit der Begründung, es handele sich dabei um interne Betriebsunterlagen, die nur der Aufsichtsbehörde und Gutachtern zur Verfügung gestellt würden, nicht heraus. Aufgrund der Angaben von Vattenfall zu der Stromstärke im intakten Ableitstrang, daß der nämlich nur doppelt so hoch wie der normale Betriebsstrom gewesen sei und deshalb habe problemlos vom Generatorschalter beherrscht werden können, kann am aber einen geradezu unfaßlich dämlichen Ereignisablauf vermuten:

Die ganze Angelegenheit beginnt mit einer Differentialschutzanregung für den Maschinentransformator AT02 (und die müßte wegen der Ableiter im Strompfad gar nicht auf einen Transformatorfehler zurückzuführen sein), die Auslösebefehle für den Leistungsschalter und den Generatorschalter im anderen Strang zur Folge hat. Anschließend verschwindet der Fehler (könnte nach Öffnen des Lesitungsschalters spontan verlöschen), AT02 arbeitet nun mit offenem Ausgang im Leerlauf, daher wird zunächst die gesamte Generatorleistung über den anderen Strang abgeführt, was den dort verdoppelten Strom erklärt.

Und anstatt daß nun dieser völlig einwandfreie Zustand benutzt wird, um AT02 zu isolieren und zu probieren, ob man den wieder zuschalten kann, oder andernfalls die Leistung gem. Handbuch auf ca. 2/3 zu reduzieren, die dann dauerhaft ins Netz eingespeist werden können, ist da noch der Ausschaltbefehl für AQ01: Der Schalter würgt einfach den Generatorstrom ab. Der nun leerlaufende Generator reagiert mit einer hohen Überspannung, es kommt an dem gerade geöffneten Genratorschalter zu einem Durchschlag, die Überspannung am Trafo läßt die Überspannungsleiter ansprechen, Differentialschutzanregung, Abschaltung, Langzeitumschaltung EB, Spannungsunterbrechung, RESA. Die nach wie vor hohe Spannung am leerlaufenden Generator leigt jetzt auf der Primärseite von AT02 an, zündet darin ggf. den bereits geheilten Fehler erneut, die Kurzschlußleistung wird nun in den Trafo eingespeist und zerstört ihn.

Falls das so war, dann hätte es das Schutzsystem erfolgreich geschafft, die Anlage von einem sicheren in einen gestörten Betriebszustand mit erheblichen Schäden zu überführen.

Was stand noch gleich im Birkhofer-Bericht? "... empfiehlt die Expertenkommission, am Simulator Störungen in der elektrischen Eigenbedarfsversorgung bzw. Netzstörungen unter verschiedenen zeitlichen und verfahrenstechnischen Randbedingungen zu simulieren, um das bestimmungsgemäße Verhalten der wesentlichen betrieblichen Verbraucher nachzuweisen, so dass Anforderungen von Sicherheitseinrichtungen bei derartigen Störungen vermieden werden können."

Es ist doch schon längst nicht mehr die Frage, ob das Kernkraftwerk sicher ist. Die Frage ist, ob der Betreiber überhaupt die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Vattenfall hat seine eigenen guten Vorsätze offensichtlich nicht realisiert und nach dem Unfall exakt denselben gleich noch einmal produziert, obwohl das offensichtlich vermeidbar gewesen wäre, und dabei vor allem sich selbst erhebliche Schäden zugefügt. Jemand, der so unklug mit eigenen Belangen verfährt, wird im bürgerlichen Leben normalerweise ziemlich schnell unter Betreuung gestellt.

Die RESA beim KKW Emsland hatte übrigens angeblich andere Ursachen und war auf eine Turbinen- oder Generatorstörung zurückzuführen, Details kenne ich noch nicht.

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf . K u s m i e r z

Dazu eine Info zur Historie: Vattenfall hat das KKW Krümel ja nicht selber gebaut, sie haben sich in die ehemaligen Hamburger Elektrizitätswerke und andere Versorger eingekauft:

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nur weil einer Geld hat, heißt das noch lange nicht, dass er es auch kann.

Das ganze hat nun herzlich wenig mit pro oder kontra Kernenergie zu tun, egal wie man dazu steht, sondern IMO eher damit, dass das Vattenfall Management einfach, sorry, aber man kann es kaum anders sagen, wohl zu doof ist, um das unternehmerisch ordentlich zu führen. Am Geld kann es nicht liegen, aus Monpolgewinnen in den Nordländern ist da wohl immer noch genügend vorhanden, alleine, es fehlt offenbar der IQ.

Das ist der gleiche Fall wie z.B. momentan bei der Berliner S-Bahn, die Lieferanten kriegen auch noch nicht mal mehr eine simple Achse bruchfrei gebacken. Gespart ist da am Ende auch nix, im Gegenteil, gleich ordentlich wäre viel billiger und weniger blamabel gewesen. Man muss sich wohl damit abfinden, dass künftig primär BWLer und Rechtsanwälte technische Berechnungen ausführen, wir wissen ja, Powerpoint und der Boss-Anzug muss korrekt sitzen, _das_ ist wichtig ;-/

Vattenfall sollte sich und dem Rest der Republik den Gefallen tun und die unternehmerische Führung des Kernkraftwerks gegen rein finanzielle Gewinnbeteiligung an Leute abgeben, die wissen, wie das geht. Und im Übrigen beweist das Mehrfach-Desaster nur, dass man irgendwo eine genauere Change of Control Untersuchung bei der Übernahme staatlicherseits nicht gründlich ausgeführt hat, wie sie z.B. bei Banken, in der Luftfahrt usw. üblich ist.

Gruß Oliver

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Oliver Bartels

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