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Moin,
ich habe gestern eine Antwort auf eine etwas zurückliegende Anfrage an Vattenfall erhalten und dokumentiere sie hier mal - es möge sich jeder seinen Teil dazu sowie zur Korrelation zwischen Anfrage-Gegenstand und Antwort selbst denken.
Zur Erinnerung: Das oberspannungsseitige Wegschalten des zweiten (unbeschädigten) Trafos AT02 wurde von einer Automatik in weniger als einer Sekunde nach der Differentialschutzanregung des Trafos AT01 durch eine (vermutlich netzseitige) Distanzschutzanregung, die den Leistungsschalter AC02 abschaltete, vorgenommen, wodurch die RESA wegen der Unterspannung auf den Eigenversorgungsschienen erst ausgelöst wurde - von Hand hat da sicher niemand eingegriffen, und entschieden wurde auch nichts - nachdem zuvor durch die Differentialschutzanregung nicht, wie es IMHO richtig gewesen wäre, unterspannungsseitig der dem später durch den Brand zerstörten Trafo AT01 zugeordnete Generatorschalter AQ01 abgeschaltet wurde, sondern statt dessen mit AQ02 der Generatorabgang zum Trafo AT02. (Mündlich erklärte mir das Informationszentrum Kernenergie, das sei auslegungsgemäß geschehen.)
Meiner Vermutung nach stellt sich der Unfallablauf etwas anders als seitens des Betreibers angegeben dar: Begonnen hat der Störfall mit der Differentialschutzanregung des Trafos AT01, wahrscheinlich aufgrund eines Durchschlags in der Ölisolierung. (Ein solcher überspannungsbedingter Durchschlag ist kein völlig unwahrscheinlicher Vorgang, mit dem ist jederzeit zu rechnen - trotz dessen relativer Seltenheit ist der Differentialschutz des Transformators dazu da, gerade auch derartige Ereignisse unverzüglich zu detektieren - und durch eine Kurzunterbrechung (Abschalten der Spannungszuführung für Sekundenbruchteile) leicht zu beheben: Die Gasblasen im Kurzschlußkanal verschwinden nach der Stromunterbrechung unverzüglich, das Öl wird wieder voll isolierfähig.) Der Differentialschutz öffnete auch unverzüglich die oberspannungsseitigen Leistungsschalter AC01, aber (IMHO /fälschlich/) nicht den korrespondierenden unterspannungsseitigen Generatorschalter AQ01, sondern statt dessen den anderen, nämlich den zu AT02 führenden AQ02.
Damit war der Fehler natürlich nicht isoliert. Er wurde entweder (trotz Schnellentregung, falls die überhaupt ausgelöst wurde) vom zum Eintrittszeitpunkt unter Vollast laufenden Generator gespeist, der wegen des geöffneten Schalters AQ02 seine Leistung auch nicht mehr über den zweiten Trafo ans Netz abgeben konnte und möglicherweise an seinen Klemmen sogar Überspannung annahm, oder gar durch einen unterspannungsseitig aufgenommenen Kurzschlußstrom, der über AT02 dem Netz entnommen wurde und dann im weiteren zur Distanzschutzanregung und Fallen von AC02 führte - die Generatorschalter sind nämlich Lastschalter und haben kein Kurzschlußausschaltvermögen. Beides wären Auslegungs- oder Ausführungsfehler!
Die ununterbrochene Fehlerspeisung führte dann zu starker Gasentwicklung und Erwärmung und Druckanstieg im Isolieröl, die letztlich den Ölbehälter aufplatzen und das Isolieröl austreten ließ, das sich dann, wahrscheinlich begünstigt durch den brennenden Hochleistungslichtbogen, sofort entzündete - bei annähernd einem Gigawatt Einspeisung findet eine solche "selbstverursachte" Ölbehälterexplosion natürlich auch in Sekundenbruchteilen statt. (Selbstverständlich habe ich zu dieser Vermutung die Aufsichtsbehörden detailliert informiert!)
(Bitte Antworten nur in die jeweils sinnvolle NG.)
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Subject: Ihre Nachfrage zum Trafobrand in Krümmel Date: Fri, 24 Aug 2007 13:06:47 +0200 From: " snipped-for-privacy@vattenfall.de" To: Ralf Kusmierz Reply-To: snipped-for-privacy@vattenfall.de Content-Type: multipart/signed; protocol="application/x-pkcs7-signature"; micalg=sha1; boundary="----70112C632EBC0BC1391B8740A83C4BD4"
Sehr geehrter Herr Kusmierz, vielen Dank für Ihre Nachricht vom 14.07.2007. Zu Ihrer Frage bezüglich der Abschaltung des zweiten unbeschädigten Trafos: Es wäre tatsächlich möglich gewesen, das Kraftwerk nur mit einem Trafo zu fahren, dann im Teillastbetrieb. Aus Sicherheitsgründen hat man sich jedoch dazu entschieden, während des Brandes auch den zweiten Trafo vom Netz zu nehmen, da sich die Löscharbeiten als langwierig herausgestellt haben, weil viel Öl verbrannt ist.
Ihre Fragen bezüglich des Leistungs- und Generatorschalters haben wir zur Beantwortung an die Experten im Kernkraftwerk Krümmel weitergeleitet. Da dort gerade die Revision durchgeführt wird, bitten wir Sie um Verständnis, dass die Bearbeitung gegebenfalls einige Zeit dauern wird.
Bitte entschuldigen Sie die verzögerte Antwort auf Ihre E-Mail.
Mit freundlichen Grüßen
Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH
Kommunikation
Überseering 1222297 Hamburg
Tel. +49 800 439 6624
snipped-for-privacy@vattenfall.de
Bezug:
------ Date: Sat, 14 Jul 2007 04:27:52 +0200 To: snipped-for-privacy@vattenfall.de From: Ralf Kusmierz Subject: Nachfrage zu Trafobrand KKK
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe Ihre Darstellungen des Störungsereignisses im Kernkraftwerk Krümmel im Internet gelesen, dazu aber Nachfragen.
Mir ist nämlich nicht klargeworden, wieso es zu einer Abschaltung des unbeschädigten Trafos AT02 kam bzw. nicht nur der fehlerbehaftete und brennende Trafo AT01 ober- und unterspannungsseitig aus dem Netz herausgeschaltet wurde.
Es stellt sich die Frage, ob eine RESA nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn nur einer der beiden im Leistungsbetrieb parallelgeschalteten Maschinentrafos entfallen wäre - das hätte zwar zu einer kurzzeitigen Überlastung des funktionierenden Trafos führen können, was aber von der Generatorregelung unverzüglich zu beheben gewesen wäre. Im Ergebnis hätte dann der Reaktor vorläufig im Teillastbetrieb mit halber Leistung weiterlaufen können sollen.
Auf S. 2 des Berichts steht, durch die Differentialschutzanregung seien der Leistungsschalter AC01 und der Generatorschalter AQ02 ausgeschaltet worden; letzteres müßte ein Fehler sein, denn zur Isolierung von AT01 müßten AC01 und AQ01 ausgeschaltet worden sein. Es handelt sich aber offenbar nicht um einen Tippfehler, denn AQ02 wird auf S. 4 wiederholt.
Nach der im weiteren gegebenen Darstellung hat der Differentialschutz lediglich AC01 abgeschaltet, nicht aber AQ01. Warum? Es ist doch klar, daß ein fehlerbehafteter Trafo nicht mehr vom Generator gespeist werden darf. Waren die Steuerleitungen für AQ01 und AQ02 vertauscht?
Insbesondere ist mir nicht klar, wieso nach dem Abschalten von AT01 noch eine Distanzschutzanregung stattfinden konnte. Oder ist auch im Bereich des Trafos AT02 ein Fehler aufgetreten?
Mit freundlichen Grüßen R. Kusmierz
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(Offen ist übrigens ebenfalls noch die Frage nach der Frischdampfmenge, s. Msg.-IDs , .)
Gruß aus Bremen Ralf