"Moderne" Tribologie und Spätantike

(crossposting zu d.s.c und d.s.i.m., follow up zu d.s.i.m., bitte korrigieren, falls notwendig)

Liebe Experten,

ich habe eine Frage, bei der ich hoffe, dass mir sie jemand beantworten kann. Sie mag sowohl etwas albern wie etwas an den Haaren herbei gezogen klingen, daher die herzliche Bitte, den Disbelief-Meter für einen Augenblick auszuschalten. Einige von Euch mögen sich evtl. an eine verwandte Diskussion vor ein paar Jahren in de.alt.sci.geschichte-spekulativ erinnern, dies ist sozusagen eine Verfeinerung.

Ausgangsproblem: Ich schreibe einen Roman. In diesem Roman, einer wilden Zeitreisegeschichte, werden die Abenteuer eines kaiserlich-wilhelminischen Kriegsschiffes geschildert, dass kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges durch ein nicht weiter interessantes Phänomen in die Zeit der Spätantike gelangt und sich dort mit dem Römischen Reich kurz vor der Völkerwanderung auseinandersetzen muss. Details erspare ich Euch, sie sind für meine Frage nicht so wichtig. Das Genre nennt sich "alternative history", dort gibt es Millionen von vergleichbaren Settings.

Unsere tapferen Mannen beschließen, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern das Beste aus der Situation zu machen (womit der Spaß beginnt); dazu müssen sie ihr Schiff so lange wie möglich am Leben erhalten, da es ihr zentrales Machtmittel darstellt.

Bei besagtem Schiff handelt es sich um einen Kreuzer der alten BREMEN-Klasse, angetrieben durch Dreifach-Expansionsmaschinen, aber noch kein Turbinenkreuzer. Um das Teil am Leben zu erhalten, sind vor allem erstmal drei Dinge notwendig: 1. Was zum Befeuern, 2. Ersatzteile und 3. Öle und Schmiermittel (womit wir beim Thema wären). Natürlich sind noch allerlei andere Dinge wichtig, aber ich konzentriere mich jetzt mal darauf.

  1. ist leicht lösbar, die alten Kisten haben auch Holz zur Verfeuerung geschluckt, wenngleich der Wirkungsgrad natürlich schlecht war. Aber sowohl Holzkohle wie auch Steinkohle waren in der Spätantike nicht unbekannt, also no sweat. 2. ist ein Problem, das sich letztlich nur durch eine kleine industrielle Revolution lösen wird, ich lass das hier mal weg. Kommen wir zu 3.

Die damaligen Dampfmaschinen waren schon recht komplizierte Gebilde, und sie funktionierten mit Heißdampf. D.h. Schmierstoffe, die man sich naiv vorstellen könnte - Naturöle oder Wachs oder sowas - würden wahrscheinlich beim Gebrauch fix verkokeln und eher ein Problem, denn eine Lösung sein. Raffinierte Mineralöle sind demnach das Minimum (oder wisst Ihr was anderes?).

Meine Frage: Was ist _mindestens_ an technischer Ausstattung und chemischem Wissen notwendig, um kleine Mengen an raffinierten Mineralölen meinetwegen auch minderer Qualität herstellen zu können? (an Rohöl selbst heranzukommen ist kein Problem). Es geht mir nicht um eine große industrielle Produktion. Es geht mir auch nicht um Bedarfsdeckung, es geht mir um "Das Unvermeidliche ein paar Monate hinauszögern". Wichtig ist halt: Wir haben nur das Schiff - und ansonsten die Technik und die Ressourcen der Spätantike. Geht das überhaupt?

Hinweis: Ich bin für ein wenig "Handwedeln" offen. So lange ich meinen Lesern nicht verkaufen muss, dass der Marine-Oberingenieur an Bord nur den Tachyonenstrahl neu kalibrieren muss, und alles ist super, muss es nur einigermaßen authentisch wirken, nicht notwendigerweise im Detail nachvollziehbar oder absolut korrekt sein.

Für jede Antwort wäre ich sehr dankbar. Ich bin selbst kein Experte und würde mich über Reaktionen, die auch einem Laien verständlich sind, besonders freuen.

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Dirk van den Boom
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Bei einer Dampfmaschine halte ich Mineralöle als Schmierstoffe nicht für unbedingt nötig. Naturöle oder Wachse halte ich bei Dampfmaschinen nicht für grundsätzlich problematisch.

Ein interessanter Festkörperschmierstoff ist Blei als dünne Folie. Graphit(=Kohlestaub)-Fett-Gemische sind auch was nettes. Pech sollten sie auch im alten Rom schon gekannt haben.

Michael Dahms

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Michael Dahms

X-Post to dsc und dsim, fup2 dsc da ich dsim nicht lese...

Hmhm, ob ich darf?

Wenn du statt "nicht unbekannt" "unbekannt" meinst: Holzkohle ist relativ einfach zu produzieren. AAAABER in der Menge für ein Dampfschiff? Auweia.

Sollten nicht die wichtigsten Ersatzteile an Bord sein?

Jo.

Wie heiß?

Hm. Jenachdem was du damit schmieren möchtest:

Diverse Wellenlager, Gelenke und dergleichen dürften ja nicht so heiß werden und somit auch gut mit Rapsöl oder ähnlichem Schmierbar sein.

Technische Fette sind chmisch betrachtet Seifen von Mineralölen. Evtl. könnte man ja auch pflanzliche und tierische Fette verseifen. Als alkalisches Medium zum Verseifen würde ich es mit der Asche aus der Holzfeuerung des Kessels versuchen.

Ob in den großen Dampfmaschinen auch der Dampf geölt würde weiß ich nicht, allerdings kann ich mir das kaum vorstellen, weil sich das Öl beim "Dampfrecycling" im Kessel sammeln würde. Man könnte es natürlich mit Ölabscheidern trennen. HIer wären wir wieder bei ungeeignetet Ölen:

Diese emulgieren mit Wasser unter Hitze - "weißen Schlamm" kennt man ja unter anderem auch wenn bei defekter Kopfdichtung Kühlwasser mit dem Motoröl emulgiert. Könnte man dann durch "Verlustbetrieb" also verklappen des Maschinenabwassers lösen. Dabei wird aber der Kessel zügig verkalken, so man überhaupt Süßwasser in geeigneten Mengen an Bord schaffe kann.

Versuch macht kluch.

Man müsste natürlich vorher experimente macxhen, bevor man die Maschine versaut.

Naja. Wenn du es darauf anlegst könnte man mit einer einfachen Destille vielleicht schon was reißen. Bordeigene Schnapsbrennerei? Dazu gibt es eine "Sendung mit der Maus".

Naja. So ein Schiff ist ja schon wunderbar komplex.

Hm.

Ich bin nun auch kein Experte...

Gruß Patrick

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Patrick Kibies

Michael Dahms schrieb:

Hm. Die Dinger arbeiteten mit 350 Grad heißem Dampf. Bist Du Dir sicher, dass mir Naturöle da nicht sofort wegkokeln würden? Gut, bei den Getrieben etc. außerhalb der Heizkessel dürfte das hinhauen, aber das ist ja nicht alles.

Danke für den Tipp!!

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Dirk van den Boom

Michael Dahms schrieb:

Und wurde in der Antike bereits verwendet, konnte an Funden antiker Streitwagen nachgewiesen werden.

Gruß Dieter

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Dieter Wiedmann

Dirk van den Boom schrieb:

Hallo,

als man noch Wale gefangen hat wurden daraus auch technische Schmierstoffe hergestellt, sogar für Nähmaschinen und Uhren. Nach

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Rapsöl erst über 350 °C wobei es sich allerdings auch zersetzt.

Bye

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Uwe Hercksen

Uwe Hercksen schrieb:

Hm, aber Flammpunkt ab 300 C, das kann doch auch böse ausgehen, oder?

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Dirk van den Boom

Dirk van den Boom schrieb:

Wo kein Sauerstoff ist....

Gruß Dieter

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Dieter Wiedmann

Hei=DFdampf wurde zumindest bei Dampfloks im Zeitraum 1890-1910 eingef=FC= hrt. Gr=F6=DFtes Problem der damaligen Konstrukteure (herausragend Garbe) war Die Schmierung der Schieber und Zylinder... das wurde erst durch=20 Entwicklung neuer Hei=DFdampf=F6le behoben. Schlechte Karten.

Ich w=FCrde Deinen Chefingenieur beherzt an das Thema "wir bauen unsere Kessel auf Sattdampf um" rangehen lassen. Sattdampf hat naturgem=E4=DF ein erheblich niedrigeres Temperaturniveau als Hei=DFdampf (und damit=20 einhergehend niedrigeren Energiegehalt und Wirkungsgrad), aber die=20 Maschine m=FCsste mit reduzierter Leistung laufen. Die Anspr=FCche der Maschine an das Schmiermittel sind dann nat=FCrlich niedriger.

Martin

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Martin J

Martin J schrieb:

Interessant. Das wäre technisch machbar, auch mit "Bordmitteln"? Das genaue "Wie" ist gar nicht so wichtig für mich, mich interessiert mehr das "ob" und dann schaffen das die Jungs schon. Es soll halt nicht allzu abwegig klingen. Verminderte Leistung ist akzeptabel.

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Dirk van den Boom

Aber die Bauteile werden nicht so heiß. Und damit die Schmierstoffe auch nicht.

Michael Dahms

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Michael Dahms

Martin J schrieb:

Hallo,

aber Dampfmaschinen entstanden doch vor der Förderung und Raffinierung von Mineralölen. Walölprodukte hat man noch bis in die siebziger Jahre als Schmierstoffe eingesetzt, sogar in der Raumfahrt. Aus welchen Rohstoffen hat man denn die entwickelten neuen Heißdampföle gewonnen in der Zeit von 1910 bis 1914? In dieser Zeit hatten zwar die Engländer doch schon ihre Kriegsflotte von Kohle auf Ölfeuerung umgestellt, aber ob man da schon alle benötigten Schmierstoffe auf Mineralölbasis hergestellt hat?

Bye

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Uwe Hercksen

Sattdampf aus Hei=DFdampf zu machen (weil man den ja hat...) ist einfach: man spritzt solange Wasser in den Hei=DFdampf, bis dieses eingespritzte Wasser nicht mehr verdampft, sondern fl=FCssig bleibt. Dann hat man Sattd= ampf.

Ist der Unterschied Hei=DF- und Sattdampf =FCberhaupt klar? Wenn nein: Sa= ttdampf erzeugt man, indem man Wasser in einem abgeschlossenen Raum erhitzt. Es b= ildet sich Dampf, dessen Druck in einer festen Beziehung zur Temperatur im Raum= steht. F=FChrt man mehr Energie zu, steigt Druck und Temperatur, das fl=FCssige = Wasser wird leichter, der Dampf dichter. Bei einer bestimmten kritischen Tempera= tur (IIRC ca. 370 Grad) kann man Dampf und Wasser nicht mehr unterscheiden.

Typisch f=FCr Sattdampf ist, da=DF beim Entspannen sofort fl=FCssiges Was= ser entsteht,=20 der oben erw=E4hnten Beziehung gehorchend. Er k=FChlt sich beim entspanne= n ab, bei der dann entstehenden Temperatur ist der Dampfdruck niedriger und das "=FCbri= gbleibende" Wasser kondensiert.

Beim Hei=DFdampf ist das anders. Da wird Dampf weiter aufgeheizt, ohne da= =DF der Druck=20 steigt. Wenn dieser Dampf sich entspannt, wird er irgendwannmal zum Sattd= ampf. Man legt Hei=DFdampfmaschinen =FCblicherweise so aus, da=DF die Arbeitstemper= atur des entspannten Dampfs oberhalb der Sattdampfschwelle liegt, dadurch bleibt der Zylinder = trocken.=20 Wenn man in Hei=DFdampf Wasser spritzt, verdampft dieses und k=FChlt den = Dampf ab. Gleichzeitig steigt nat=FCrlich der Druck. Wenn Temperatur und Druck im Gleichgewicht = sind, bleibt das eingespritzte Wasser fl=FCssig.=20

Martin=20

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Martin J

Martin J schrieb:

Vielen Dank.

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Dirk van den Boom

Mit Sicherheit. Gerade Schmierstoffe (die man ja nicht in denselben Menge= n=20 braucht wie Brennstoffe) wurden schon l=E4nger aus Mineral=F6l hergestell= t.=20 Nat=FCrlich gab es hier ein l=E4ngeres Nebeneinander von mineralischen =D6= len und tierisch/pflanzlichen, auch Rizinus wurde noch bis in j=FCngste Zeit als Schmierstoff benutzt. Die Entwicklung mineralischer Hei=DFdampf=F6le ist eher auf 18xx anzusetzen, schliesslich wurden zu Beginn des

  1. Jhds schon gr=F6=DFerer Serien Hei=DFdampfloks gebaut (die P8 1906 war da durchaus nicht die erste).

Martin

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Martin J

Dirk van den Boom wrote:

Vor ca 6000 Jahren wurde in Mesopotamien an die Erdoberfläche hervorquellendes Erdöl genutzt. In Verbindung mit Luftsauerstoff entstand durch Verdunstung der leichtflüchtigen Bestandteile sowie Polymerisation und Oxidation sogenanntes Erdpech, besser bekannt als natürlicher Asphalt. Neben Mesopotamien, also dem heutigen Syrien, gab es das Zeugs noch in Deutschland irgendwo bei Hannover und in Polen. Durch Vermischen mit Sand und anderen Füllstoffen wie Schilf wurde das Erdpech zum Abdichten von Schiffen verwendet, aber auch insbesondere zum Zwecke der Mumifizierung. Bis ins 16 Jahrh. hinein waren diese Mumien sehr gefragt. Entweder wurde das Erdpech zurückgewonnen, oder aber gleich die ganze Mumie verarbeitet. "Mumie zu Schmiermittel" wäre für einen SF ein netter Gag, der Moralisten sich entrüsten ließe;-). Tatsächlich wurde mit Mumien nicht besonders liebevoll umgesprungen:

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Sie wurden u.a. "vermalt", besser das Mumienwachs wurde vermalt. Mehr zur Förderung von Erdpech in
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Erdöl diente auch schon früh zu Beleuchtungszwecken, z.B bei den Bayloniern. Der Wortstamm "naphta" (aus nabatu=leuchten) deutet noch heute auf diese Verwendung hin. Und war es nicht nicht Archimedes, der ölbetriebene Flammenwerfer konstruiert und auch eingesetzt haben soll? Bei den Römern gab es bereits Petroleum, sie nannten es "oleum petrae", was so viel wie "Felsöl" bedeutet. Ja und Petroluem kann man durch Destillation aus Erdopech gewinnen --> Mumien verheizen;-)

Wo, in welchen Mengen, zu welchen Preisen es gehandelt wurde, wäre ein Frage für d.s.g. Als Schmierstoff düfte die vorhandenen Mengen imho schon ausgereicht haben.

Grüße Harald

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Harald Maedl

Dirk van den Boom schrieb:

Die Situation dürfte ähnlich sein wie die des Kleinen Kreuzers "Königsberg", der im 1. Weltkrieg im Rufiji-Delta in Ostafrika Zuflucht gesucht hat. Die Maschine hat sich meines Wissens wochenlang mit Holz befeuern lassen. Ich würde mal in Geschichtsbücher schauen, wie die Mannschaft dort sich versorgt hat (ich schaue auch selbst mal nach, was ich zu Hause habe).

Als zentrales Machtmittel zur damaligen Zeit dürften die Feuerwaffen wohl genügen. Ein Kleiner Kreuzer verfügte zwar nicht über die schweren Kaliber der Großen Kreuzer oder gar Linienschiffe, aber hölzerne Galeeren wären wohl völlig machtlos dagegen gewesen. Auch hätte man vor der Küste liegend bequem Küstenstädte wie Ostia beschießen können; vielleicht wäre sogar Rom innerhalb der Reichweite gewesen (die betrug damals schon einige Kilometer).

MfG, Jürgen

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Jürgen Clade

Jürgen Clade schrieb:

Ja, die "Königsberg" war nicht der einzige Kleine Kreuzer. Es war, glaube ich, die "Emden", die sich in Südamerika u. a. auch mit Holzbefeuerung durchschlagen musste. Ich habe bewusst den Kleinen Kreuzer als Fahrzeugtyp gewählt, er war darauf ausgelegt, fern von Stützpunkten zu operieren und offenbar waren die Mannschaften alle von nicht unerheblicher Einfallskraft :)

Yeps, davon gehe ich auch aus. Das Problem ist natürlich, dass Rom letztendlich eine Landmacht ist, unsere Freunde aber eine Seemacht "sind". D.h. ich werde meine Protagonisten schon eine "politische Anbindung" suchen lassen müssen, d.h. sie müssen auf gescheite Art ihre Nützlichkeit für den Kaiser unter Beweis stellen. Da gab es um die Zeit ja wirklich genug zu tun...

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Dirk van den Boom

Harald Maedl schrieb:

Ja. Die Frage, an der sich hier aber die Geister scheiden, ist, ob dieses Schmiermittel tatsächlich bei einer Heißdampfmaschine universell einsetzbar sein wird. Manche sagen ja, andere sagen nein :)

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Dirk van den Boom

Dirk van den Boom schrieb:

Hallo,

für den Beweis der Nützlichkeit können sie aber schlecht eine nicht vorhandene Flotte eines gefährlichen Gegners des römischen Reiches zusammenschiessen... Aber zur Besetzung Englands wird man schon einige Schiffe zum Truppentransport gebraucht haben.

Bye

Reply to
Uwe Hercksen

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