Automatisierbarkeit von Fertigungsprozessen

Ich arbeite gerade an einem Vortrag zum Thema "Robotereinsatz bei der Klebstoffverarbeitung", der Ingenieuren, die den Prozess als Verantwortliche planen und begleiten sollen, Entscheidungskriterien zur Auswahl des passenden Robotersystems liefern soll. Im Grunde steht das Gerüst. Am Einstieg in das Thema 'Automatisierung' hänge ich aber etwas. Daher ein paar Fragen (allgemein, nicht allein auf die Klebtechnik bezogen):

  1. Welches sind die prinzipiellen Kriterien für die Automatisierbarkeit eines Prozesses?

  1. Wann macht eine Automatisierung Sinn? (es ist ja wohl so, dass nicht bei jedem Prozess, der nach (1.) die Kriterien zur Automatisierbarkeit erfüllt, sich die Automatisierung empfiehlt - gibt es mehr als finanzielle Gründe?)

  2. Welche Folgen hat die Automatisierung von Einzelprozessen in der Fertigung? (ich denke an den Gesamtprozess und die daran Beteiligten)
Über ein paar Tipps (evtl. auch Literaturhinweise) würde ich mich freuen. Vielleicht kann ich ja auch eine kleine Diskussion zu dem Thema anregen.

Danke! vb

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Volker Borst
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Hallo Volker

Im Grunde braucht es dafür keinen Vortrag. Das kann man in einem Satz zusammenfassen.

Ein Prozess ist genau dann automatisierbar, wenn die damit verbundenen Investitionen in einem Zeitraum rückerwirtschaftet werden können, die für den Auftraggeber akzeptabel ist.

Der Return-of-invest und zwar ausschließlich.

Andere Kriteren lassen sich immer auf den das finanzielle Kriterium zurückführen.

Beispiel: In irgend einem Prozess lassen sich nur durch die Automatisierung gewisse Qualitätsverbesserungen des Produktes durchsetzen. Dabei nehmen wir an, dass durch die Automatisierung das Produkt teurer werden würde.

Dann kommt es entscheidend darauf an, ob diese Verbesserung vom Produktkunden entsprechend honoriert wird. Würde der Kunde den Mehrpreis nicht zahlen wollen, dann wird im allgemeinen nicht automatisiert. Würde man trotzdem automatisieren, hätte der Mitbewerber, der nicht automatisiert einen Wettbewerbsvorteil.

Beispiel: Früher gab es Telefonistinnen, die ein Telefongespräch vermittelt haben. Mit der Automatisierung wurde einmal das Produkt auf der Herstellerseite preiswerter und - über den Wettbewerb - auch für den Kunden. Wenn man heute alle Telefongespräche in Europa über Telefonistinnen abwickeln wollte, dann würden wahrscheinlich alle Frauen Europas nicht mehr ausreichen, um den Arbeitsaufwand zu bewältigen. Und trotzdem waren damals sehr viele Frauen sehr schnell arbeitslos geworden

- mit den entsprechenden persönlichen Konsequenzen.

Automatisierung bedeutet im allgemeinen, dass ein Produkt preiswerter wird und zwar in der Herstellung. Die Folgen für die Beteiligten hängen extrem davon ab, wie der Kuchen verteilt wird. Eine "gesunde" Automatisierung ist also mehr eine, in der auch gefragt wird. "Was machen wir mit den Mitarbeitern, die hier freigesetzt werden?" Die Frage ist nur, ob dies eine Frage ist, die von den eingangs genannten Ingenieuren und Prozessverantwortlichen zu klären ist oder ob das eine gesellschaftliche Aufgabe ist.

Herzliche Grüße Wolfgang

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Wolfgang Uhr

Wenn die alle Frauen Europas im Fernmeldeamt auf der Arbeit wären, würde allerdings auch ein Großteil der Telefongespräche gar nicht geführt :-)

Gruß,

Michael

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Michael Hemmer

Wolfgang Uhr schrieb:

Nicht jeder Prozess d=FCrfte technisch automatisierbar sein, zumindest nicht ohne Qualit=E4tseinbusen: es w=E4re speziell im Labor sicher interessant wie man eine komplette Probenaufbereitung so automatisieren wollte, dass hinten ein aussagekr=E4ftiges Ergebnis herausk=E4me... Ich w=FCrde sagen technisch ist ein prozess dann automatisierbar, wenn er nicht so komplex ist, dass ein Mensch zur =DCberwachung und Durchf=FChrung ben=F6tigt wird... Ein Entwicklungsprozess etwa d=FCrfte nie Automatisierbar sein.

Wenn ein Prozess denn so einfach ist, dass er automaisiert werden kann Ack.

Auch Betriebssicherheit und/oder Ergonomie k=F6nnen ein Argument sein, dann ist es auch akzeptabel wenn die Geschichte kostenneutral abl=E4uft, dann kann einen auch mal eine gesetzliche Vorgabe zum automatisieren zwingen, technisch gesehen k=F6nnte man im KKW sicher auch von Hand die Brennst=E4be auswechseln...

Michael

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merwerle

Ich bin sicher, dass die Anzahl der Telefonate und die Anzahl der Frauen, die dafür notwendig sind, sich auf einem bestimmten stabilen Pegel einregeln würde. (Auf eine Aussage, ob hoch oder niedrig lasse ich mich jetzt nicht ein) Allerdings würde der Wirkungsgrad der Vermittlung stark zurückgehen, wenn der Vermittlung erlaubt würde, selbst Gespräche zu führen.

Nix für ungut

Günter

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"Günter Schütz"

Ist ja auch nicht. Solcher Bloedsinn kommt heraus, wenn BWLer den Ton angeben. Mich wuerde brennend interessieren, wie Wolfgang z.B. eine Blinddarmoperation automatisieren will.

Die Muehle laeuft ja andersrum: Ein Prozess wird faktisch genau DANN automatisiert WERDEN, wenn er 1. automatisierbar ist UND

  1. sich die Automatisierung in dem Sinne lohnt, den Wolfgang oben angegeben hat.

Ja - aber das ist im Einzelfall schwer abschaetzbar.

Ich habe es fuer voellig unmoeglich gehalten, dass man einer rein mechanischen Vorrichtung beibringen kann, einen Knoten in einen Zwirnsfaden zu binden. Im Industriemuseum Chemnitz steht aber ein solches Ding. Und das ist schaetzungsweise deutlich aelter als 100 Jahre.

Grusz, Rainer

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Rainer Ziegenbein

X-No-Archive: Yes

begin quoting, Wolfgang Uhr schrieb:

Ich glaube nicht, daß ein Europäer im Durchschnitt mehr als zehn Telefonate täglich tätigt. Und da normalerweise zwei daran beteiligt sind, käme das auf vielleicht 5 Telefonate pro Einwohner. Wenn für jedes 1 Minute Vermittlungsaufwand erforderlich wäre, dann kann eine Telefonistin pro Stunde den Tagesbedarf von 12 Einwohnern bewältigen bzw. pro 8-h-Schicht ungefähr 100 Bürger versorgen. Es müßten also maximal 5 % aller Frauen als Telefonistinnen arbeiten, wenn man den Anteil der Arbeitstage an der Lebenszeit berücksichtigt. Der Anteil ist von der absoluten Bevölkerungsgröße unabhängig.

Wieso "trotzdem"?

Das ist noch richtig.

Nch allgemeiner Einschätzung ist die Rationalisierung unvermeidlich, weil sie vom Wettberwerb erzwungen wird. Aus dem gleichen Grund wird der Kostenvorteil auch an die Kundschaft weitergegeben. Weil es bei Preisen nicht auf nominale Größen ankommt, heißt das im Endeffekt, daß eine bestimmte Produktmenge durch Rationalisierung mit weniger Arbeitsstunden produziert wird.

Über die gesellschaftlichen Folgen scheiden sich die Geister: die liberale Fraktion verweist auf das Saysche Theorem, nach dem sich unter Marktbedingungen jede Produktion ihre Nachfrage selbst schafft (es wird immer genausoviel Geld ausgegeben wie eingenommen) und sich die Wirtschaft daher automatisch zur Vollbeschäftigung hin bewegt. Im Endeffekt würde das bedeuten, daß die durch Rationalisierung freiwerdende Arbeitszeit genutzt wird, um neue und zusätzliche Produkte zu erzeugen, so daß das materielle Wirtschaftsvolumen bei nominell inflationsbereinigt in Gesamt-Arbeitsstunden gerechnet gleichbleibendem Bruttosozialprodukt zunimmt und dadurch die Rationalisierung allen zugutekommt.

Die Keynesianisten verweisen hingegen darauf, daß sich auch ein stabiles Marktgleichgewicht unterhalb der Vollbeschäftigung einstellen kann und darin die "Haves" gar nicht daran denken, ihre Arbeit auszuweiten (und das objektiv auch gar nicht können, weil die entsprechende Nachfrage fehlt) und dadurch den Konsum zu steigern, und die "Have-nots" nicht über die Mittel verfügen, um sich selbst durch zusätzliche Nachfrage in Beschäftigung zu bringen. Es tritt kurz gesagt ein Sättigungseffekt des Konsums auf, und das Saysche Theorem ist außer Kraft gesetzt.

Nun such Dir was aus, zieh Schlußfolgerungen und geh die neue Bundesregierung beraten ...

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz

Rainer Ziegenbein schrieb:

Der KLassiker w=E4re der Nassrasierautomat: vorher sind die GEsichter individuell verschieden....

Michael

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merwerle

X-No-Archive: Yes

begin quoting, snipped-for-privacy@aol.com schrieb:

Hihihi-huhuhu, ist das lustick ...

Demnächst kommt noch einer und erfindet eine automatische Autowaschstraße, *wieher*! (Hinterher sindse dann alle gleich, die Autos ... *brüll*)

(Oder gar Kartoffelschäl- und Krabbenpulmachinen ... also mal ehrlich: Die spinnen doch, die Ingenieure! Nur Handwerk hat goldenen Boden, weiß doch jeder ...)

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz

Hallo

Das setzt voraus, ass alle Frauen

a) wirklich 8h arbeiten wollen b) nie krank sind, nie Urlaub haben c) an anderen Berufen kein Interesse haben.

Herzliche Grüße Wolfgang

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Wolfgang Uhr

Hallo

Nun ich wußte nicht, dass die Blinddarmoperation ein Teilbereich des Themas "Robotereinsatz bei der Klebstoffverarbeitung" ist.

In dem Fall nehme ich meine Aussage natürlich zurück.

Bin Physiker. - Wie gesagt: Das automatische verkleben einer Blinddarmnarbe ist schwierig. Das gebe ich zu.

Herzliche Grüße Wolfgang

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Wolfgang Uhr

X-No-Archive: Yes

begin quoting, Wolfgang Uhr schrieb:

Dein Taschenrechner ist kaputt?

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz

ja - vergiss es einfach ...

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Wolfgang Uhr

"Wolfgang Uhr" schrieb im Newsbeitrag news:dhoo2g$gvb$ snipped-for-privacy@online.de...

Gabs da nicht was von Ratiopharm ? Oh, entschuldigung, das war von Loctide...

Grüße von Günter

PS: [makaber on]Auch wenn der Automat nicht gut arbeitet, schaut das Ergebnis danach immer gleich aus, was wiederum die Manschaft von der QS ziemlich freuen wird.(Zettel am großen Zeh und ziemlich cool...) [makaber off]

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"Günter Schütz"

Hallo Günther

Im Grunde ist auch diese Makabre Lösung eine mögliche Antwort. Es wäre in dem Fall der Preis der Automatisierung der Blinddarmoperation und hier wäre die Reaktion des Auftraggebers "unbezahlbar".

Was habe ich gesagt? Mit anderen Worten war es:

Ein Vorgang ist genau dann automatisierbar, wenn es mir gelingt, den Auftraggeber davon zu überzeugen - oder besser noch wenn er selbst davon überzeugt ist - dass die Automatisierungskosten in angemessener Zeit wieder erwirtschaftet werden können.

Der Preis für eine automatische Blinddarmoperation ist - bedingt durch das "menschlische Material" - ein hoher Ausschuss bzw. eine hohe Fehlerquote und damit eine hohe Zahl an Toten. Und damit ist der Preis für die Automatisierung zu hoch. Man ist also nicht in der Lage für diesen Prozess einen Kunden zu finden.

Herzliche Grüße Wolfgang

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Wolfgang Uhr

Wolfgang Uhr schrieb:

Die Frage war nicht wann ein Klebeproze=DF automatisierbar ist sondern wann prinzipiell ein Proze=DF automatisierbar iat... Wie gesagt fallen mir einige Prozesse ein die ich prinzipiell nicht f=FCr automatisierbar halte: Entwicklungsprozesse, Fehlersuche, Chirurgische Eingriffe, Nassrasur Allen gemein ist: es erfordert eine Menge Kontrolle durch den Operator diese Pozesse durchzu=FChren und viele kleine Entscheidungen die zum Teil schnell getroffen werden m=FCssen, da ist heute noch jegliche Rechnerkapazit=E4t und intelligente Programmierung =FCberfordert.

Und auf die zweite Frage: Wann wird ein automatisierbarer Proze=DF automatisiert? Wenn es sich rechnet...

Sicher ein angewandter Physiker... zumindest kein Theoretiker: die verwechseln im allgemeinen nicht notwendige und hinreichende Bedingung und arbeiten lieber mit kugelf=F6rmigen H=FChnern...

Michael (auch Physiker)

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merwerle

Hallo

Gegenfrage: Ist Fußballspielen automatisierbar?

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Es ist alles eine Frage der Entwicklungskapazitäten, die man investieren möchte und ggf. kann.

Ja - Festkörperphysik und Kristallographie.

Herzliche Grüße Wolfgang

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Wolfgang Uhr

Wolfgang Uhr schrieb:

Einmal ein Wettbewerb im Simulieren... Simulation ist heute ein wichtiges tool, aber da es eben nicht das komplette "Echte Leben" darstellt kommt man nie ohne des experiment aus.

Und der Wettbewerb mit den Robotern: Weiviele davon gingen aufrecht und konnten mit einem Fu=DF einen pr=E4zisen Pass spielen?

Roboball ist was anderes als Fussball, soweit ich mich erinnere eher mit "Motorball" zu vergleichen...

Ich bleibe dabei: es gibt ettliche Prozesse, die mit dem heutien Stand der Technik nicht automatisierbar sind, etwa alles bei dem Kreativit=E4t eine Rolle spielt.

Michael

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merwerle

Hallo Michael

Full ack

Aber der Denkansatz mit dem Auftraggeber, der es bezahlen können muss und wollen soll, der ist deswegen trotzdem richtig. Wenn ich eine Anfrage bekomme und dann sage. "Das interessiert mich, ich denke, dass ich so etwa 75 Jahre für die Entwicklung brauche mit einem monatlich abrechenbaren Gehalt von 5.000 Euro!". Wie groß wären dann meine Chancen, den Auftrag zu bekommen? Und bei den Konditionen kann ich im Grunde *jeden* Auftrag annehmen - zumindeste wenn er bezüglich des Gehalts an die Inflationsrate angebunden ist.

Wenn man in die Grenzbereichdiskussion einsteigt - was ist automatisierbar und was nicht - dann braucht man ein in diesem Grenzbereich gültiges Modell. Und das habe ich genannt.

Jemand, der sich auf eine Roboter-Baureihe x spezialisiert hat, der kommt bei einem bestimmten Prozess zum Automatisierungspreis xp und jemand, der y vertreibt zum Automatisierungspreis yp. Nehmen wir weiter an, x wird vom Hersteller nur in den USA vertrieben und y nur in Europa und nehmen wir weiter an, dass der yp wesentlich höher liegt as xp. Dann kann die Aussage resultieren, dass in Europa der entsprechende Prozess nicht automatisierbar ist und in den USA dagegen schon.

Das hat nichts mit der Fähigkeit der Ingenieure zu tun, mit der Intelligenz der Amerikaner und der Dummheit der Deutschen, dass hat nur damit zu tun, dass in dem einen Fall eine Technik zur Verfügung steht und im anderen Fall nicht.

In China zum Beispiel ist der für einen Arbeiter erreichbare Stundenlohn deutlich niedriger als hier. Von daher wird dort erst viel später die Stufe erreicht, bei der eine Automatisierung wirklich lohnt. Niemand kauft sich eine Maschine für 100.000 ? um 30 ? Löhne im Monat einzusparen. In Deutschland dagegen würden vergleichbare Arbeitskräfte vielleicht 10.000 ? pro Monat kosten und der Preis für die Maschine wäre nach weniger als einem Jahr wieder erwirtschaftet. Ein Engagement des Automatenherstellers in China wäre also wenig sinnvoll. Der Prozess ist nur hier automatisierbar.

Herzliche Grüße Wolfgang Uhr

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Wolfgang Uhr

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