Herkunftsbestimmung von Radionukleotiden

*Christoph Müller* wrote on Wed, 06-12-13 14:56:

Aus der "Welt" von gestern: (Intereressanterweise fehlen genau diese Absätze in der Onlineversion des Artikels, damit auch in den Suchfunktionen, und werden nur von genau dem gefunden, der voher weiß, wo sie stehen.)

Vor Sorglosigkeit warnt Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz. Die Kontamination könne bei Betroffenen auch zu Spätschäden führen, etwa zum Auftreten von Krebs in einem Jahrzehnt. Gefährdet sei man, sobald man in Kontakt mit dem Stoff gekommen sei. Es ist sehr mysteriös, denn die Messergebnisse werden nicht publiziert. Das macht mich auch gegenüber den deutschen Behörden misstrauisch , sagt Pflugbeil der WELT. Man wolle offenbar keine Hysterie schüren. Dies sei verständlich. Aber zumindest Fachleute sollten sich darüber austauschen können, denn über das Polonium sei noch nicht sehr viel bekannt. Momentan ist es Geheimwissen von Geheimdiensten , meint Pflugbeil. Er ist überzeugt, dass bewusst Spuren quer durch Europa gelegt wurden. Die radioaktive Substanz könne sehr einfach und sauber transportiert werden, eine dünne Glaswand reiche zur Abschirmung. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Geheimdienst so dilettantisch arbeite, deshalb müssten die Spuren bewusst gelegt worden sein. Wer dahinter stecke, ließe sich aber nur spekulieren.

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Axel Berger
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begin quoting, Axel Berger schrieb:

Welche denn?

Ach Gott, ach Gott ...

Es gibt wohl kaum etwas, das man über Polonium nicht weiß, einschließlich seiner Gefährlichkeit. Es hat als erste seine Entdeckerin, Marie Curie, umgebracht, danach auch noch ihre Tochter Irène Joliot-Curie, die etwa zehn Jahre nach einem Polonium-Unfall in ihrem Pariser Labor an Leukämie starb. (Ok, die Zeiten waren früher anders: Ich hatte mich kürzlich mit einem emeritierten Bremer Physikprofessor unterhalten, der mir erzählte, daß er als Student im Praktikum bei letzterer Frau Joliot-Curie Polonium extrahiert oder hergestellt (kann man durch Neutronenbestrahlung aus Bi gewinnen) hatte - das gewonnene Polonium wurde auf einer Silberfolie niedergeschlagen, die dann auf den Detektor gelegt wurde - anhand der Alpha-Energie wurde das Polonium nachgewiesen. Und natürlich hatte er diese "radioaktive" Folie anschließend als Souvenir mitgenommen und in seine Brieftasche gesteckt ... es ist inzwischen ziemlich komplett abgeklungen, und der Herr erfreut sich, soweit man das entsprechend seinem Alter so sagen kann, bester Gesundheit.)

Polonium ist eine recht beliebte Alpha-Quelle, weil wegen seiner fehlenden Gamma-Aktivität ziemlich ungefährlich. Es hat eine bekannte militärische Verwendung für die Auslösung von Beryllium-Neutronenquellen als Fissionsbombenzünder in Pu-Sprengsätzen: Als Kernsprengstoff bevorzugt war früher das relativ spontanfissionsfreie 239Pu, das bei seiner Zündung mit Hilfe einer Implosionsladung (äußere chemische Sprengstoffhülle) z. B. mit der "Sprenglinsentechnik" auf etwa das halbe Volumen komprimiert wird und dadurch spontan überkritisch wird - freie Neutronen lösen dann die Kettenreaktion aus, und die werden genau zum richtigen Zeitpunkt sehr einfach dadurch erzeugt, daß die Plutonium-Kugel als Hohlkugel hergestellt wird und bei der Kompression Be und Po im Zentrum in Kontakt gebracht werden.

(Spontane Spaltungen, wie sie in Reaktorplutonium aus länger bestrahltem U auftreten, führten früher zu Frühzündungen, weil die Kettenreaktion bereits einsetzte, als die implodierende Pu-Kugel noch nicht die gewünschte optimale Maximaldichte erreicht hatte - das haben die Atommächte aber inzwischen im Griff durch beschleunigte Implosionen, durch die man einen definierten yield der Fissionsladung auch bei Verwendung von Pu mit beliebig hohem Neutronenhintergrund erreichen kann. Leider macht genau das die großen Mengen an Reaktorplutonium, die sich inzwischen aufgrund der zivilen Kernenergienutzung angesammelt haben (ca. 2.000 t, die theoretisch für

125.000 Fissionssprengladungen ausreichen), noch zusätzlich gefährlich

- im Reaktorbetrieb wandeln sich mehrere Prozent des eingesetzten Urans in Pu um, so daß in jedem Reaktorjahr mehrere Atombomben erbrütet werden. Abgesehen davon, daß es bisher noch keine praktikablen Konzepte zur sicheren Aufbewahrung bzw. Endlagerung oder Vernichtung gibt, ist Plutonium als energiehaltiger Spaltstoff aber eigentlich auch zu wertvoll, um es zu vernichten, andererseits kann heute im Prinzip jeder einigermaßen begabte Physikstudent "die Bombe" bauen, wenn er das Plutonium zur Verfügung hat (und eine Anreicherung ist nicht erforderlich) - schwierig ...)

Man kann dabei in drei Richtungen spekulieren:

- Unfall bei der Handhabung bzw. dem Transport

- Terrorismus (Verbreiten von Furcht und Schrecken)

oder eben:

- im Netzjargon: ein Joe-Job;

heißt: genau das soll die Öffentlichkeit über die "bösen Russen" denken.

Falls das Polonium aus "seriösen Quellen" wirklich noch nicht mit einem "Isotopen-Fingerprint" versehen worden sein sollte, wäre letzteres ein wichtiger Grund für die Produzenten, einen solchen zu verwenden. Schließlich kann sich jeder, der Zugang zu einem Kernreaktor hat, sich Polonium 210 auf sehr einfache Weise beschaffen, notfalls an Kontrollen vorbei: Man braucht lediglich in einem Forschungsinstitut arbeiten, das Experimente mit Neutronenstreuung macht (recht beliebt bei Werkstoffwissenschaftlern zur Strukturanalyse) und dann mit den Untersuchungsproben etwas Wismut einschmuggeln - merkt wahrscheinlich keiner, denn Stahl wird durch Neutronen kaum aktiviert, also werden die bestrahlten Proben auch nicht besonders als kontaminiert behandelt.

Es kann keineswegs als bewiesen gelten, daß das Attentat-Po wirklich aus Beständen des russischen Geheimdienstes stammt, selbst dann nicht, wenn dieser nachweislich damit tötet. Leider habe ich vom Bundesamt für Strahlenschutz noch keine Antwort zur Frage nach "Fingerprints".

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz

Ralf Kusmierz schrieb:

Die Zeiten waren andere, die gefaehrlichkeit von Alpha-Strahlern bleibt!

Ein dummer Student, ein noch duemmer Professor wenn er nicht auf die Gefahr seines dummen Handelns hinweisst.

Das ist voelliger Quatsch. Alpha-Strahlung (Teilchen) sind extrem gefaehrlich weil sehr Massereich, Energiereich. 20 mal gefaehrlicher als Gamma-Strahlen.

Gelangt der Alpha-Strahler in den Koerper kommt es zu extremen Schaedigungen an den Zellen. Das sagt mein Physik Schulwissen.

Nachschlagewerk: Ein im Organismus durch Einatmen oder Aufnahme mit der Nahrung eingelagerter Alphastrahler ist sehr sch=E4dlich, da in diesem Fall nicht die toten Hautschichten, sondern lebende Zellen gesch=E4digt werden. Insbesondere die Anreicherung eines mit Alphastrahlung zerfallenden Nuklids in einem Organ f=FChrt zu einer hohen Belastung dieses Organs, da dabei eine hohe Strahlendosis ihre sch=E4digende Wirkung auf kleinem Raum und auf wichtige K=F6rperzellen aus=FCbt (Strahlenkrankheit).=20

Patrick Schelauske

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patrick.schelauske

Ralf beschränkt sich vermutlich auf das Wesentliche. Welche Gefahr eigentlich? Daß ein Dieb die Folie klaut und verschluckt?

ICEs sind 1000 mal schwerer als ein Fiat Punto. Und?

Sagt es Dir auch, wie man eine Folie, von deren Poloniumgehalt man weiß, in den Körper gelangt? Die Brieftasche taugt jedenfalls als Castorbehälter.

Zitiere bitte mit ordentlicher Quellenangabe. Das hat der Autor verdient.

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Raimund Nisius

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begin quoting, snipped-for-privacy@gmx.de schrieb:

Ich möchte Dich darauf hinwei_s_en, daß "hinweisen" in zivilisierten deutschsprachigen Regionen mit stimmhaftem s gesprochen und folglich auch nicht mit Doppel-s geschrieben wird; "weißen" dagegen schreibt man ebenfalls nicht mit "ss" (aussser CH), sondern mit ß. (Nein, nach der ARS auch, nicht nur in richtigem Deutsch.)

Im übrigen: Was glaubst Du denn wohl, welche Aktivitätsmengen man so in Praktika handhabt? Die dort üblichen Mengen könnte man höchstwahrscheinlich gefahrlos aufessen. Und rauchen tust Du vernünftigerweise auch nicht? Es gibt ernstzunehmende Ansichten, daß der Lungenkrebs der Raucher auf die Inhalation des sich im Tabak anreichernden natürlichen Poloniums mindestens teilweise zurückzuführen ist (und wenn das wahr ist, dürfte Rauchen deutlich ungefährlicher sein, wenn man dafür jahrelang gelagerte und deswegen "abgeklungene" Tabakwaren verwendet).

Das ist voelliger Quatsch. Grundsätzlich macht's die Menge (Energiedosis), die Ionisierungsdichte (LET) ist nur ein zusätzlicher Faktor.

Eben, und auch nur dann. Während sich Gamma-Strahlen ausgesprochen schlecht abschirmen lassen und von außen in den Körper eindringen, genügt zur Abschirmung von Alpha-Strahlung ein Blatt Papier - die Brieftasche hat sicher dicke ausgereicht.

Meines mir auch; daß man Komposita wie "Physik-Schulwissen" mit Bindestrich schreibt, sagt Dir das Deine aber nicht?

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Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz

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begin quoting, Raimund Nisius schrieb:

Und selbst, wenn ...

Soviel Aktivität ist das eigentlich nicht. In der Vorlesung hatte der Prof. (der nicht, ein anderer) Thorium-Glühstrümpfe angeschleppt (nein, eigentlich gibt es die nicht mehr) und an einem Geiger-Müller-Zählrohr plaziert, um uns das Ticken vorzuführen, direkt vor meiner Nase. Na und?

Die theoretische Gefahr wäre natürlich gewesen, daß sich durch Abrieb poloniumhaltiger Staub bildet und zu Kontaminationen führt, aber bei den fraglichen Mengen: und wenn schon ...

Und jetzt weiß er immer noch nicht, was "Qualitätsfaktor" bedeutet.

Einfach aufessen ;-/

ACK

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz
*Ralf Kusmierz* wrote on Fri, 06-12-15 01:26:

Du hast gesehen, wer da zitiert wurde? Wenn selbst der nicht erfährt, was und wieviel in der Wohnung tatsächlich gemssen wurde, dann finde ich das seltsam. Und wenn eben der sagt, solche Spuren könnten kaum anders als mit Absicht entstehen, dann nehme ich auch das ernst.

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Axel Berger
*patrick.schelauske* wrote on Fri, 06-12-15 11:29:

Für Physik Schulwissen ganz ordentlich. Aber erstens muß ebendas passieren und zweitens ist "in den Körper" zu präzisieren. Wenn es knapp 24 h lang durch den Darm wandert und dann hinten/unten wieder austritt, dann tut es nicht viel.

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Axel Berger

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begin quoting, Axel Berger schrieb:

Ja.

Was ist denn SP für ein "der", daß er Einblick in irrelevante Meßdaten haben müßte?

Inwiefern? Was glaubst Du denn wohl, welchen Zweck die Maßnahmen hatten? Dekontamination?

Mitnichten! Es ging um Spurensicherung - guckt mal, ob ihr irgendwo dieses Putinium findet.

Und das ist ein sehr mühseliges Unterfangen: Gerade, *weil* das blöde Zeug ein reiner Alphastrahler ist, nützt es rein gar nichts, mit dem Zählrohr durch die Landschaft zu marschieren und das Knattern zu belauschen, vielmehr muß man die ganze verdammte Dreckshütte quadratzentimetertweise mit dem Staubpinsel scannen und jeden einzelnen Wisch einzeln auf Alphastrahler untersuchen, und jedesmal, wenn man was gefunden hat, war es dann gewöhnlich doch nur Fallout (was Du erst weißt, wenn Du das Energiespektrum hast oder den Dreck durch das Massenspektrometer geschoben) - was meinst Du wohl, wie stinksauer die Leute vom Meßtrupp sind, und dann auch noch die ganzen unterbelichteten Sensationsjournaillisten an den Hacken ...

Wenn Du kommentarlos standrechtlich erschlagen werden willst, dann frag doch enfach mal einen von den Typen nach Meßergebnissen.

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut ...

Dem Herrn Pflugbeil scheint ein wenig lebenspraktisches Wissen über die Dämlichkeit von Zeitgenossen abzugehen - wer tritt denn freiwillig in die Hundescheiße und verteilt die dann über den Teppich? Trotzdem passiert sowas dauernd, *ohne* Absicht - der Vergleich mit dem sensorisch nicht wahrnehmbaren Radionuklid drängt sich irgendwie auf.

Gruß aus Bremen Ralf

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Ralf Kusmierz

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