ISO 900x:2000 selber bauen

Hallo,

hat jemand Erfahrung im Aufbau eines Qualitätsmanagements nach ISO900x:2000 für ein kleines Ingenieurbüro (hier: 7 Mitarbeiter, Entwicklung von Systemlösungen und Kleingeräten für biologische Labore [1])?

Braucht man dazu unbedingt einen "Profi", oder kann man es durchaus auch selbst wagen?

Sind 2-3 Monate ein realistischer Ansatz, wenn man die Firma und deren Abläufe gut kennt und die Geschäftsführung

  • Mitarbeiter gewillt sind, mitzuarbeiten?

Ich [2] würd's mich eigentlich schon trauen, nur weiss ich nicht, welche Fallstricke ich womöglich übersehen habe...

Beschreibung und Analyse/Verbesserung von Prozessen gemeinsam mit den Beteiligten, textuelle/grafische Erfassung und die Darstellung in einem lesbaren Qualitätshandbuch sollte doch bei einer kleinen Firma eigentlich kein Problem sein.

Gibt es doch typische Knackpunkte, Tips & Tricks?

Für die Zertifizierung und nachfolgende Audits braucht man eine akkredetierte Stelle, das ist klar.

Danke!

Bernhard

[1] Es geht tatsächlich nur um DIN ISO 900x:2000, nicht um andere ggf. branchenspezifische Normen. [2] Dipl.Inf.(FH) mit > 6 Jahren post-studentische Berufserfahrung, gute Prozesskenntnisse der Abläufe in dieser Firma, Erfahrung in der Erstellung von Arbeitsanweisungen etc. für ein bestehendes QM-System (900x:1994) einer anderen Firma. Derzeit noch nicht ganz abgeschlossenes Teilzeit-Master-Studium "Systems Engineering" mit viel Inhalt zu Geschäftsprozessanalyse und -verbesserung. Im "Qualitätsmanagement" haben wir die 900x nur gestreift und schon gar nicht aus Sicht eines Beraters gesehen.
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Bernhard Nowotny
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Bernhard Nowotny schrieb:

Hallo Bernhard,

ich habe bei einem Automobilzulieferer mitgeholfen, damals als Student, ein solches System aufzubauen.

Während meines Studiums habe ich eine Vorlesung zum Thema Qualitätsmanagement gehört.

Das soll nicht heißen, dass ich alle Tricks und Kniffe kenne, habe aber eine recht gute Vorstellung von einem QM-System.

Ich würde sagen, dass man das auch selber wagen kann, nur braucht man auch ein Unternehmen, dass einen zertifiziert und das natürlich auch Beratungsleistung verkaufen möchte. Wenn man auf diese Hilfe verzichtet, könnte ich mir vorstellen, braucht man mehr als einen Anlauf bis zum Zertifikat.

Ich bin der Ansicht, dass man mit ein bischen Erfahrung keinen Experten braucht, eine Zertifizierung nach allen Spielregeln aber auch kein Kinderspiel sein dürfte.

Die ISO 900x ist doch schon nicht mehr aktuell, oder?

Sie wird abgelöst durch die IEC 61508, wenn ich mich in der Zahl nicht geirrt habe.

Grüße

André

P.S.: Läuft Dein Systems-Engineering-Studium an der Uni-Essen?

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"Best, André"

Soweit ich weiss, ist es dem Auditor verboten, auch noch Beratung anzubieten, weil dies doch zwangsläufig eine Parteienstellung hervorruft. Ob andere Personen der selben Zertifizierungsstelle das Unternehmen "beraten" dürften weiss ich aber nicht.

Dafür bekommt der Zertifizierer durchaus auch seinen Lohn und es ist gut denkbar, dass diese ein gewisses Auge zudrücken. Wenn er das Zertifikat zurückzieht, wird er damit vielleicht auch den Kunden verlieren. Zertifizierungsanstalten haben verschiedene Niveaus, und so ist, bei Überprüfung eines Lieferanten vielleicht nicht nur entscheidend, ob, sondern auch von wem er ISO-zertifiziert wurde.

Ich würde sagen, da ist es fraglich, ob man a) ein QMS aufbauen möchte, b) ein ISO-Zertifikat will oder c) ein QMS aufbauen, das der ISO entspricht. Ich hab schon von allen drei Varianten gehört...

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Die Seite sieht für mich eher so aus, als würde das "lediglich" eine übergeordnete Norm sein. Nicht mehr aktuell ist aber der Name 900x, es gibt nur mehr eine 9001:2000 mit Ausschlüssen, welche die früheren

9002 bis 9004 bildeten, und die 9004:2000, welche aber ebenfalls ein weitergehendes, für die Zertifizierung irrelevantes Werk ist.

HC

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Hans-Christian Grosz

FH München

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Nur zu empfehlen!

Servus,

Bernhard

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Bernhard Nowotny

In meinem Fall: Ziel ist b) und deshalb vorher c).

Interessant, danke...

Die mir vorliegende Schrift vom Bay.Staatsmysterium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie "QM in KMU" spricht von der Normenreihe ISO 9000:2000, die die Normen DIN EN ISO 9000 ("QMS - Grundlagen und Begriffe"), 9001 ("QMS - Anforderungen") und 9004 ("Leitfaden zur Leistungsverbesserung") enthält. Stand: Juli 2001. Habe ich kürzlich erst aktuell von der IHK Obb. zugesandt bekommen.

Servus,

Bernhard

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Bernhard Nowotny

Hans-Christian Grosz schrieb:

Das mag ja sein, nur kenne ich den Fall, dass das zertifizierende Unternehmen gleichzeitig Hilfestellungen bei der Einführung von Iso 9000 gegeben hat. Und wenn es nicht der gleiche Mann ist, der als Auditor seinen Job macht. Es kann auch eine Tochtergesellschaft des zertifizierenden Unternehmens sein. Wie man das Kind nennt, spielt dabei keine Rolle.

Man kann nicht einfach ein ISO-9000-System aufbauen, also viel Papier bedrucken und wegheften, und das nicht mit Leben füllen. Die Mitarbeiter müssen das System durch z. B. KVP aktiv am Leben erhalten. Wenn die Mitarbeiter sich nicht an die Spielregeln halten und ISO 9000 für Schwachsinn halten, wird die Sache sich nicht positiv auswirken.

Gleiches gilt für TQM.

Die Autohersteller wollen die neue Norm schon 2004 umsetzen, weil sich einiges im Bereich Produkthaftung geändert hat. Die neue Norm beinhaltet die Zuverlässigkeit und die Bestimmung der Ausfallrate wesentlich stärker als es vorher der Fall gewesen ist. Eigentlich wurde darauf vorher so gut wie gar nicht geachtet.

Nach den neuen Gesetzen soll es erforderlich sein, bei Klärung eines Schadenfalls vor Gericht, die Zuverlässigkeit des Bauteils entsprechend des SIL-Levels nachzuweisen.

Darüber gibt es viel zu schreiben. Dies soll jetzt genügen.

Grüße

André

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"Best, André"

Das ist in meinem Fall keine grosse Gefahr. Erstens kennen die Mitarbeiter QM-Systeme aus der Vorgänger-Firma und arbeiten bei der Entstehung des neuen Systems auch mit (es gibt bereits einige Überlegungen/Dokumente). Zweitens unterstützt (um nicht zu sagen: erzwingt) unser PPS-System definierbare Prozessabläufe. Drittens sind alle hochmotiviert, was den Fortbestand der Firma angeht (und es hängen ggf. Kundenaufträge von einer erfolgreichen Zertifizierung ab) - nachdem alle an der Gründung beteiligt waren/sind. Eigentlich gute Voraussetzung, Blockierer haben wir jedenfalls keinen.

Welchen Problemen könnte ich als unerfahrener (aber kreativer...), aus den eigenen Reihen kommender QM-Aufbauer noch begegnen?

Inwieweit wird das in nächster Zukunft auf andere Branchen als Automobilhersteller Auswirkung haben? Ist das ein Ersatz für die ISO 9000? Bevor ich jetzt alles in die ISO 9000 investiere...

Danke,

Bernhard

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Bernhard Nowotny

Mathematische Formulierung:

Eine Zertifizierung ist weder notwendig noch hinreichend

"Notwendig" ist klar: WENN man alles so machen würde, wie mit einem gerahmten Stück Pappe be-'Urkundet', dann _braucht_ man diese Pappe nicht. Wenn es nicht ein paar Auftraggeber gäbe...

"Hinreichend" sollte auch klar sein: DIe Definitionen sind_nie_ aus- reichend, um "echte Qualität" zu bescheiben und zu fordern...

Gruss, Holger

PS: Einmal in einem zertifiziertem Unternehmen unterrichtend habend: Nach 3 Monaten war der anfangs nötige Papierkrieg 'vergessen' und vorbei...

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Holger Petersen

Wenn ich dem Seminar glauben darf, dann soll die neue Norm die ISO 9000 ablösen. Ich kenne auch einen Automobilzulieferer, der sich schon nach dieser Norm zertifizieren lässt.

Ich würde mich z. B. beim TÜV nach dem Stand der Dinge erkundigen. Ev. können die eigenen Kunden dazu auch eine Meinung haben.

Grüße

André

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"Best, André"

Die Frage habe ich zuallererst auch gefragt...daraufhin wurde das Thema zunächst zurückgestellt. :)

Aber mittlerweile gab es Sales-Kontakte, die ISO-Zertifizierung voraussetzen - warum auch immer. Ob daraus überhaupt Aufträge werden, ist jedoch nicht klar. Nur ohne Zertifikat brauchen wir dort nichtmal ein Angebot abgeben. Deshalb will Cheffe das jetzt abgeklärt haben - und da gehört auch dazu, ob es realistisch möglich ist, das selbst zu machen anstatt einen (teureren) externen Anbieter zu bezahlen. Deshalb mein Posting hier...

Servus,

Bernhard

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Bernhard Nowotny

Diese Problematik klingt bekannt, und das klingt grundsätzlich nach einer mehr-oder-weniger hingeschusterten Lösung, mit der man grad und grad durch die Audits kommt, daher auch meine ursprüngliche Frage mit a, b und c als Möglichkeiten. Ich schätze mal, der pragmatische Ansatz ist da eher, weniger auf das QMS an sich, sondern primär auf die Zertifizierung zu schauen.

Ich habe von einem Auditor schon mal gehört, dass ihm ein Kunde ins Gesicht sagte "Die ISO ist uns eigentlich egal, wir wollen nur das Zertifikat, und damit das Logo auf den Unterlagen". Euer Fall klingt eher in diese Richtung...

Möglich wirds wohl sein, in 2-3 Monate ein normgerechtes QMS "überzustülpen", allerdings zumindest für dich dürfte das ein Vollzeitjob sein und die jährlichen Überwachungsaudits sind dann immer wieder ein Grund für Bauchweh :)

HC

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Hans-Christian Grosz

Jein. Prinzipiell arbeiten wir bereits nach vorgegebenen Abläufen (unser PPS-System erzwingt das und die Leute machen gerne mit), es fehlen halt noch diverse Extras und festgeschriebene Merkmale (Qualitätskontrolle, Verbesserungsprozesse etc.).

Primäres Ziel ist aber tatsächlich das Logo... Da muss ich wohl noch deutlicher auf den eigentlichen Sinn der Sache hinweisen.

Vollzeitjob wär ja OK, Bauchweh nicht (aber da bin ich stabil, seit mein Blinddarm raus ist)... :)

Servus,

Bernhard

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Bernhard Nowotny

Bernhard Nowotny schrieb:

Grundsätzlich gilt: die 9000:2000 gibt lediglich Empfehlungen, macht aber keine Vorschriften. Das bedeutet, daß das Handbuch durchaus mit

20 Seiten auskommt. Darin können, gerade bei einem Kleinunternehmen wie diesem, vermutlich alle Kernprozesse ausreichend beschrieben werden. Alles was nicht dazugehört, kann entfallen. Es ist lediglich zu argumentieren, daß die selbst definierten Qualitätsziele damit erreicht werden können.

Die Norm ist nichts anderes als die Niederschrift des "gesunden Menschenverstandes". Es gibt keine Dogmen! Klare Antwort: ja, jeder der strukturiert denken kann und der die internen Abläufe kennt, sollte auch in der Lage sein, ein QM-System aufzubauen. Gegenüber einem Externen hat er den Vorteil, die Unternehmensprozesse besonders gut zu kennen. Externe Berater stülpen deshalb nicht selten einem Unternehmen nichts anderes als ein Musterhandbuch mit ergänztem Firmenlogo über. Es liegt auf der Hand, daß ein solches Handbuch nicht akzeptiert wird und dann nur zum Audit wieder rausgekramt wird. Kein Wunder, daß die Norm in Verruf geraten ist! Dabei steckt sehr viel Potenzial darin, das aber meist vergeudet und nicht erkannt wird!

Viel Zeit ist dies nicht, aber wenn die Abläufe bereits stimmig sind und nur noch dokumentiert werden müssen, ist dies sicher zu schaffen. Insbesondere dann, wenn alle Mitarbeiter und auch die GF mitziehen.

Es gibt keine Fallstricke. Es sollten aber Argumente für Fragen des Auditors vorhanden sein, warum dieses oder jenes Element nicht berücksichtigt sei. Übrigens: auch ein QMH nach alter Fassung ist nach der 9000:2000 zertifizierungsfähig. Wichtig ist allerdings, daß die definierten Q-Ziele mit Kennzahlen belegt, also "gemessen" werden können, um das Erreichen von Verbesserungen feststellen zu können.

So ist es! Und: je dünner das Handbuch, umso mehr Akzeptanz wird es bei allen Mitarbeitern finden und umso mehr Nutzen bringt es! Das Unternehmen, in dem ich z.Zt. tätig bin, hat 1700 Mitarbeiter in aller Welt. Das QMH umfasst 30 Seiten, die Zertifizierung wurde anstandlos erteilt.

Wesentliche Frage aus Sicht des Auditors: können die definierten Ziele bei Anwendung der dokumentierten Prozesse erreicht werden oder nicht? Wer aus dieser Fragestellung heraus das System aufbaut, kann eigentlich nichts falsch machen!

Gruss Peter

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Peter.Wolter

Thomas Budich verlautbarte:

Ja, die Zieldefinition "Qualität ist uns egal" wäre offenbar zertifizierungsföhig.

Michael Kauffmann

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Michael Kauffmann

Solange es mit Kennzahlen nachweisbar ist...? :) Cool!

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Bernhard Nowotny

On 28 Jul 2003, Michael Kauffmann Ja, die Zieldefinition "Qualität ist uns egal" wäre offenbar

Solange dies im Rahmen von ISO9000ff geschieht: ja. ISO9000ff hat mit Qualität (wenn man diese als einen bestimmten »guten« Standard definiert) nur sehr wenig zu tun. ISO9000ff ist marketingtechnisch sehr wirksam (und hat für viele Arbeitsplätze bei Zertifierungsfirmen gesorgt), der wirkliche Nutzen (der angeblich zumindest mittelfristig unter anderem eine Kostenreduktion im Betrieb sein soll) stellt sich wohl nur bei den wenigsten ein. Manchmal denkt man, daß zertifizierte Firmen nur aus Schadenfreude nur noch möglichst ebenfalls zertifizierte Lieferanten haben möchten, und nicht aus Qualitätsbewußtsein heraus.

KP

Reply to
Karl Pflästerer

snipped-for-privacy@12move.de (Karl Pflästerer) schrieb:

Das stimmt. In den meisten Fällen ist ja der Beweggrund für die Zertifizierung ausschließlich der Druck des Kunden. In diesen Fällen ist aber jeder investierte Euro verschwendet, weil der eigentliche Sinn gar nicht erkannt und nur aus Zwang heraus gehandelt wird. Wie soll sich denn dann ein Nutzen, z.B. Kosten- oder Zeitreduktion einstellen?

Marketingtechnisch bringt die Zertifizierung schon lange nichts mehr. Nach dem Zertifikat krähen heute nur noch wenige.

Interessanter Gesichtspunkt! :-)

Reply to
Peter.Wolter

On 30 Jul 2003, Peter.Wolter snipped-for-privacy@12move.de (Karl Pflästerer) schrieb:

Das stimmt schon, aber selbst bei Firmen, wo dies nicht allein auf Kundendruck geschah, stellt sich der Mehrwert nicht ein.

Dafür wurden zum Teil gut funktionierende firmeninterne Qualitätssicherungssysteme über Bord geworfen.

Ein weiteres problem ist IMO auch, daß so ziemlich alles und jeder nach ISO9000ff zertifiert werden kann, wobei manche ISO-Elemente sehr großzügig ausgelegt oder umdefiniert werden um sowohl einen chemischen Großbetrieb als auch ein Ingenieurbüro nach der gleichen Norm zertifizieren zu können. Das trägt nicht gerade zur Akzeptanz einer Norm bei.

IIRC war deren ursprüngliche Intention in England (oder Großbritannien?) ein Schutz der dortigen Industrie (sozusagen ein umgekehrtes »Made in Germany«); daher wurden dort die Zertifikate reihenweise per Post verschickt. Eine Folge ist, daß Audits von Kunden bei Lieferanten in Betrieben weiterhin an der Tagesordnung sind, weil sich fast niemand auf die Aussagekraft der Zertifikate verläßt.

Wenn diese Audits von Fremdfirmen durchgeführt werden, die /zufällig/ auch Betriebsberatungen anbieten und die Auditoren durchblicken lassen, daß sie den momentanen Stand für überarbeitenswert erachten (natürlich unter ihrer Mithilfe), spätestens dann, verkommt dies alles zu einer Farce.

s.o. für einige der Gründe. Gegenüber Endverbrauchern bringt ein Aufkleber »Qualitätssicherungssystem nach ... zertifiert von ...« eventuell schon manches.

Vielleicht ist schon die Benamung »Qualitätssicherungssystem« falsch bzw. ungünstig, da man mit Qualität meist etwas Gutes, über dem Durchschnitt Stehendes betrachtet. Dies ist hier aber nicht gemeint. Ein Standardsicherungsunddokumentationssystem wäre vielleicht korrekter und beugte Falschinterpretationen vor.

KP

Reply to
Karl Pflästerer

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