Am 03.07.2007, 12:41 Uhr, schrieb Freimut Matheus :
Uih, und keiner hat den Weiterbetrieb des Kraftwerks oder gar die verwendete Energiebasis in Frage gestellt?
Mir geht das sowas von auf den Sack, wenn technische Flachpfeifen, wie es unsere Politiker nunmal sind, einen solchen ganz konventionellen Unfall als Argument gegen *Kern*kraftwerke missbrauchen. Wenn sie wenigstens so ehrlich wären und solche Single Points of Failure als Argument gegen *GROSS*kraftwerke jeglicher Couleur und für eine dezentralisierte Energieversorgung anführen würden. Aber nein - so weit denkt ja wieder keiner. Und nein, ich bin garantiert kein Freund von Kernenergie - man lese nur mal Frederic Vester: "Das faule Ei des Kolumbus".
Hmm, jetzt wo Du das erwähnst, ist damals irgendwie gar nicht an die Öffentlichkeit geraten. Aber die Kohleverstromung ist ja so oder so immer wieder Thema - auch ohne (un-)spektakuläre Vorfälle.
Diese Ablaufschilderung weicht aber nun erheblich von den anderen Darstellungen ab - derselbe Vorfall? Ohne zeitweilige Netztrennung ist der untersynchrone Lauf (wie heißt das denn nun - nicht zufällig Görges-Effekt?) eigentlich nicht denkbar.
Fein. Und dann nimm mal bitte zur Kenntnis, daß der Vorfall lt. Subject zu nicht unbedeutenden Schäden *im* Maschinenhaus geführt hat
- bei einer mit radioaktivem Primärdampf beaufschlagten Turbine halte ich das für ein meldepflichtiges Ereignis. Und es ist *allerdings* ein Argument gegen *Kern*kraftwerke, wenn real existierende solche so einen popeligen "konventionellen" Unfall trotz aller Beteuerungen über deren Sicherheit offensichtlich *nicht* sicher beherrschen.
*Dasselbe* kann natürlich auch bei Braunkohle und Co. passieren. Da hat man dann aber schlimmstenfalls anschließend ein geschrottetes Kraftwerk, wenn's hoch kommt, noch mit spektakulärer Dampfkesselexplosion, aber niemals nicht eine radioaktive Umweltverseuchung. Es geht bei der Kernenergie nun einmal sinnvollerweise nicht darum, was passiert *ist* (=welche konkreten Folgen aufgetreten *sind*), sondern darum, was hätte passieren
*können* bzw. keinesfalls passieren *dürfen*. Und zu letzterem zählen Brandschäden fernab vom "unkritischen" Brandherd im wesentlich heikleren unmittelbaren Maschinenbereich.
Über die IMHO erforderliche aufsichtsrechtliche Beauflagung beim KKK hinaus halten ich es angesichts des Sachverhalts für zwingend geboten, nich nur bei sämtlichen in Betrieb befindlichen KKW die Brandsicherheit der elektrischen Anlagen erneut zu überprüfen, sondern auch eine neue Sicherheitsstudie durchzuführen mit dem Ziel, solche "übersehenen" Risiken aufzuspüren und kritisch zu bewerten.
(So ein "sicherheitstechnischer GAU" ist ohne weiteres auch bei dezentralen Technologien denkbar - mal so ins Blaue phantasiert: Stell Dir Mini-WKK-Anlagen in Millionenstückzahlen vor, und nach ein paar Jahren kommt heraus, daß die bei der Verbrennung irgend so ein vorher nicht beachtetes heimtückisches langsamwirkendes Gift freisetzen, was dann hunderttausende von Opfern fordert. Generell ausschließen kann man so etwas nie.)
leicht übertrieben dargestellt. Solange die Welle nicht -kalt- ist, hat die Rotordrehvorrichtung i.B. zu sein, weil sich ansonsten die -Turbinenwelle- ungleichmäßig abkühlen kann und die Laufschaufeln an den Leitschaufeln anliegen könnten.
Es hat einfach keinen Sinn, einen Reaktor nach Netzabwurf weiterlaufen zu lassen - was soll der denn dann noch machen? Den Fluß wärmen? (Wäre technisch wohl möglich: Die Wirkungsgrade liegen bei ca. 30 % (oder weniger), d. h. ohne Tubinenlast würde der Wärmeeintrag um ca. 40 % ansteigen - technisch vielleicht machbar (immerhin muß die Nachkühlung mit einer Wärmeleistung zunächst fast in Höhe der Nennleistung zurechtkommen), aber wirtschaftlich vollkommen sinnlos.)
Wenn man wüßte, daß das Netz nur kurzzeitig weg ist, wäre ein Reaktorweiterbetrieb mit sehr verminderter Leistung wegen der Vermeidung der Xenonvergiftung vielleicht sinnvoll (falls das überhaupt funktioniert), andererseits ist es unnötig: Nach kurzen Unterbrechungen hat sich noch nicht viel 135Xe gebildet, und bei längeren ist es egal, denn nach zwei Tagen hat die sich auch von alleine erledigt.
Deine Darstellung ist die Richtige. Uns wurde damals das Ganze nur sehr bruchstückhaft erzählt, die Informationspolitik war ja sehr zurückhaltend und ich habe nur aus dem Gedächtnis wiedergegeben. Die Konsequenz aus diesem Unfall, den nachträglichen Einbau von Generatorleistungsschaltern habe ich aber selbst mitgemacht - zumindest in Jänschwalde.
In boxberg und Hagenwerder ist dasselbe gemacht worden, man hat sogar überlegt, die Dreiergruppen an den 210MW-Maschinen aufzulösen und jedem Generator einen eigenen Leistungsschalter zu spendieren. Allerdings hat dieser Denkprozeß eine Weile gedauert, und als er abgeschlossen war, gabs keine DDR mehr und das Ende der 210 MW Blöcke war abzusehen.
Hätten es nicht "Notfallauslöser" auch getan? (Ich denke an sowas wie sprengstoffgefüllte Rohrstücke, die als "Sicherungen" dienen und im Notfall gezündet werden und den Strom unterbrechen - an sich sind Leistungsschalterausfälle doch sowas von unwahrscheinlich, daß ein billiges Fallbacksystem doch vollauf ausreichen sollte. Ja, ich weiß, daß die Bögen in Hochspannungssystemen *sehr* lang werden können, aber Sand löscht auch ganz gut.)
Wie macht man es eigentlich aktuell (z. B. in Krümmel)?
Ich denke mal, das man an die Möglichkeit eines solchen Falles nicht im geringsten gedacht hat. Die später eingebauten Generatorleistungsschalter an den 500er Blöcken wurden, wenn mich mein Gedächtniss nicht ganz im Stich lässt, auf der Primärseite des BTs, also in den 20kV-Generatorableitung angeordnet. Das war spannungsmäßig wesentlich besser zu beherrschen, aber wohl auch den baulichen Gegegbenheiten geschuldet. Zum anderen: Leistungsschalter in der nötigen Auslegung waren knapp und teuer, wurden ja aber trotzdem gebraucht, Also kam man auf die Idee der Gruppenbildung von Generatorn, die über einen LS geschaltet wurde. Wenn dann ein Generator ganz vom Netz sollte, gabs ein Dreiergruppenmanöver: Alle drei Blöcke runterfahren, LS in der Schaltanlage aus, Blocktrenner öffnen, restliche Zweiergruppe synchronisieren, LS ein, Blöcke hochfahren.
Keine Ahnung, ist weit weg :), Lubmin hatte aber wohl echte LS in den Generatorableitungen.
Das Argument zieht aber gegen alle neu eingeführten Technologien, gerade kommt die Nanotechnologie in den Ruf genau sowas zu fabrizieren. Mit der Größe der Anlagen hat diese Problematik eher nichts zu tun.
Klar: Da "Zurück auf die Bäume, ihr Affen" auch keine Lösung ist, kann im Zuge des technischen Fortschritts ganz unvermeidbar immer irgend so etwas passieren. Verwerflich ist nur, wenn sich dann herausstellt, daß im Rahmen einer sorgfältigen und fachgerechten Risikoanalyse solche Probleme erkenn- und vermeidbar gewesen wären.
PolyTech Forum website is not affiliated with any of the manufacturers or service providers discussed here.
All logos and trade names are the property of their respective owners.