Wind- und Solarkraftwerke als Regelenergieteilnehmer?

Hallo zusammen, ich bin gerade im Gespräch mit einem Volkswirt und es kam die Frage auf, ob Wechselrichter in Wind- und Solarkraftwerken in der Lage sind, zur Frequenzstabilisierung beizutragen. Modernere Windkraftwerke arbeiten ja generatorseitig nicht mehr netzsynchron und speisen via Wechselrichter ein. Ich sehe jetzt keinen Grund, warum die Wechselrichter nicht die "rotierende Masse" abbilden sollten oder gar noch besser in das System regelnd eingreifen können sollten.

Wie sehen die Spezialisten hier dieses:

  1. Geht es theoretisch?
  2. Wird das schon gemacht?

Bitte keine wilden Spekuationen in der Form "es müsste" oder "ich bin überzeugt, dass ..." Es reichen mir weniger Antworten von denen, die es sicher wissen ;-) Eventuell reicht mir auch ein Hinweis, wen man hier sinnvoller fragen kann.

Vielen Dank

Marte

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Marte Schwarz
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Moin, Marte,

Am 26.09.22 um 10:27 schrieb Marte Schwarz:

Ja. Konzepte wie droop control oder virtual inertia existieren seit mehr als 15 Jahren.

keine "wilde Spekulation", sondern eine begründete Vermutung: nein bezüglich der Momentanreserve (rotierende Masse). Dafür braucht man Speicher, die es AFAIR lokal in Windparks oder PV-Anlagen nicht gibt. AFAIR wird die Systemdienstleistung Momentanreserve auch nicht vergütet.

Für die Teilnahme am Primärregelleistungsmarkt muss man ein Leistungsband von mindestens ±1 MW bereitstellen, das werden Einzelanlagen/-Parks nur im Verbund eines virtuellen Kraftwerks aufbringen. Und auch dafür benötigt man Speicher - insofern ist folgerichtig, dass die Primärregelleistung von klassischen Regelblöcken und zunehmend von dedizierten Batteriespeichern erbracht wird.

Gruß, V.

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Volker Staben

Marte Schwarz schrieb am 26.09.22 um 10:27:

kommt drauf an...

Alle Einspeiser / Netzparallel Anlagen beherrschen heute diverse Modi zur Netzstabilisierung: Q(U), P(U), P(f), FRT (abhängig von der eingestellten Norm - in D AR-N 41xx).

Das ist aber alles im Subminutenbereich (eher Subsekunden).

Richtige Regelenergie wird für längere Zeit benötigt (z.B.

2x15min innerhalb von 24h). Da wird man ohne einen Speicher nicht auskommen. Solche Anlagen werden auch extra (einzeln) abgenommen und dann bei der BNA angemeldet. Nach Anmeldung müssen sie auch immer (wirklich immer - also unabhängig vom Wetter) die Regelenergie bereitstellen können, sonst gibts solche Strafzahlungen, dass das Geschäftsmodell kollabiert.
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Jan Schmidt

Am 26.09.2022 um 22:37 schrieb Jan Schmidt:

Auch Brennstoffe sind Energiespeicher. Kleine Maschinen sind bei Bedarf binnen weniger Sekunden am Netz. Das können zigtausende und mehr sein, um in Summe auch mit richtig Leistung ans Netz zu gehen. Damit könnte man selbst im zig-GW-Bereich arbeiten. Ist nur eine Frage der Organisation.

Man kann auch jedes Moped einzeln beim TÜV abnehmen lassen. Wäre aber ziemlich teuer und unpraktisch. Deshalb gibt es Bauartzulassungen, die dann nur noch alle zwei Jahre überprüft werden. Vergleichbares sollte sich auch mit massenhaft kleinen Stromerzeugern machen lassen, deren Abwärme dann gleich dort anfällt, wo sie auch gebraucht wird. Nicht auf der Grünen Wiese und auch nicht auf der Straße.

Hat man Überkapazitäten, kann man es sich leisten, nur die Anlagen anzuwerfen, die ihre Abwärme auch noch sinnvoll verwerten können.

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Christoph Müller

Am 27.09.22 um 11:24 schrieb Christoph Müller:

Bei der Primärregelung geht es um eine unmittelbare Änderung der eingespeisten Wirkleistung in Abhängigkeit von der momentanen Netzfrequenz. Da sind selbst "wenige Sekunden" deutlich zu langsam.

in Bezug auf die Teilnahme am Regelleistungsmarkt ist dieser Hinweis nicht relevant. Jeder Teilnehmer muss das Präqualifikationsverfahren einzeln, vollständig und erfolgreich durchlaufen.

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V.

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Volker Staben

Hi Volker,

Warum disqualifizierst Du Dich eigentlich freiwillig ?

Marte

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Marte Schwarz

Am 26.09.22 um 10:27 schrieb Marte Schwarz:

Ja, sind sie. Sehr gut sogar, allerdings nur auf kurzer Zeitachse.

Die Nordex Windräder hier bei uns in der Nähe machen genau das. Da wird einfach das innere Drehfeld ein wenig beschleunigt oder gebremst. Damit kann die Schwungmasse als kleiner Energiespeicher genutzt werden.

Bei Solar geht es nicht so gut. Da hat man keinen Energiespeicher. Dafür kann der Wechselrichter binnen Sekundenbruchteilen zwischen 0 und MPP regeln.

Ich war kürzlich in so einem Windrad drin.

Marcel

P.S. Der Wechselrichter für das innere Feld macht einen Höllenlärm.

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Marcel Mueller

Am 29.09.22 um 19:53 schrieb Marcel Mueller:

Die Möglichkeit besteht. Wie groß ist die dadurch zur Verfügung gestellte Regelleistung? Wie lange kann sie aufrecht erhalten werden? Und ist die Regelleistung überhaupt ausreichend, um im Sinne des Topics als Regelleistungseinspeiser fungieren zu können?

In welchem Bereich wird die Rotordrehzahl verändert? Welche Auswirkungen hat das auf Gesamtwirkungsgrad, Ertrag, Pitchregelung und Verschleiß? Aus welcher Motivation heraus wird das gemacht - AFAIK wird das nicht vergütet?

Ich habe auch schon von der Idee gehört, durch bspw. Umpumpen von Flüssigkeiten oder Verlagerung von Massen das Rotationsträgheitsmoment der Rotoren von WKAn zu ändern ...

Gruß, V.

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Volker Staben

Am 04.10.2022 um 10:43 schrieb Volker Staben:

Die ALLER über Wechselrichter einspeisenden WKAs?

Wenn man sie alle zusammen zählt? Ist ja das gleiche Netz.

Ich würde einen spezialisierten Professor aus Flensburg fragen.

Ohne Massenträgheitsmoment ist das ziemlich uninteressant. Man will ja wissen, wie viel RegelENERGIE man verfügbar hat. Ist die Regelenergie von besonderer Bedeutung, dann sollten die Flügelenden mit z.B. Blei- oder Stahlgewichten ausgerüstet werden. Die Flügelspitzen pflügen durchaus mit 600 km/h bis 800 km/h durch die Luft. W=1/2*m*v^2 Vermutlich kann man die Energie bis vielleicht 20 km/h noch nutzen. Zu schnelles Abbremsen dürfte allerdings nicht sehr empfehlenswert sein, weil dann Flügel, Gondelbefestigung und Turm schnell an ihre Grenzen kommen. Eine Frage der Dimensionierung.

Das müssen die Hersteller bzw. Auftraggeber beantworten. Beide zusammen dimensionieren die Anlage.

Manche Dinge fallen auch heute noch kostenlos an. Wenn die Regelleistung allerdings nicht vergütet wird, man dieser auch keine erhöhte Aufmerksamkeit widmen. Dann gibt's nur die Regelleistung, die mit der nicht darauf optimierten Anlage kostenlos anfällt.

Machen kann man viel. Wenn's nicht gewollt wird, wird's auch nicht bezahlt und deshalb dann auch nicht gemacht.

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Christoph Müller

Hallo Christoph,

Ich bin sogar der Meinung, dass dadurch besser und mehr Regelenergie im Sinne der trägen Masse zur Verfügung gestellt werden dann, also mit starrer Kopplung. Bei starrer Kopplung ist nur eine minimale Drehzahländerung nutzbar, mit Wechselrichter kann man die Rotationsenergie über einen viel weiteren Drehzahlbereich ausnützen.

Das bleibt eine spannende Frage, insbesondere welche Leistungen darf man da erwarten?

Hol den doch mal hier rein.

Viel Masse wird man am Rotorblatt nicht haben wollen, jedenfalls nicht mehr als unbedingt nötig.

Das ist ein großes Problem. Ich bin erst gestern wieder an einem neu angelegten Sonnenfeld vorbeispaziert. Alles gen Süden ertragsoptimiert aufgeständert, als ob wir um die Mittagszeit zu wenig Solarleistung hätten ...

So ist es. Die finanziellen Anreize gehen immer noch in die falsche Richtung. An der Tanke hat man das mit den zeitvariablen Preisen problemlos gefressen, am Strommarkt darf das nie sein.

Marte

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Marte Schwarz

Im Prinzip ja. In der Praxis sind Festigkeit und Materialbelastung schon jetzt aufwendige Optimierungsaufgaben. Wenn überhaupt, möchte man Flügel leichter machen, nicht schwerer.

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Axel Berger

Die Drehzahl wird leistungsoptimiert gefahren. Mit der Trägkeit kann ich eine kurze Spitze für eine oder wenige Sekunden abgeben. Danach gibt die Anlage weniger Leistung her als sie könnte und sollte. Um die Drehzahl wieder hochzufahren muß ich die Ausgangsleistung sogar noch weiter wegnehmen.

Es wurde hier schon mehrfach vorgerechnet, daß die Kosten für die Schalt- und Regeleinheiten im Haushaltsbereich selbst dann nicht reinkommen, wenn es Pfennigartikel werden.

Selbst an der Tankstelle ist der Effekt begrenzt. Ich tanke dann, wenn ich gerade daran vorbeifahre und die Zeit habe. Wenn ich zur optimalen Zeit extra aus dem Haus gehen, den Wagen aus der Tiefgarage holen und gezielt hinfahren würde, wäre jede Ersparnis weg.

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Axel Berger

Am 04.10.22 um 11:46 schrieb Marte Schwarz:

Genau das würde mich auch interessieren. Deswegen hatte ich exakt diese Frage gestellt.

:-)

Gruß, V.

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Volker Staben

Am 04.10.22 um 11:35 schrieb Christoph Müller:

Wenn man die wie skizziert zur Verfügung gestellte Regelleistung EINER WKA wüsste, dann sollte die Multiplikation mit 30 oder 400 kein Problem sein.

??

Ich bin mir nicht sicher, ob der das wüsste. Er könnte die Leistung mit begründeten Annahmen sicherlich abschätzen - genau so, wie Du das könntest.

auch das könnte man abschätzen. Wenn hier aber offensichtlich jemand mitschreibt, der behauptet, dass konkrete WKA sich so wie hier diskutiert verhalten, dann weiß derjenige vielleicht auch Konkreteres.

Es muss auch sinnvoll sein. Nicht alles, was denkbar ist, ist sinnvoll.

Gruß, V.

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Volker Staben

Am 26.09.2022 um 12:54 schrieb Volker Staben:

In WKAs hat man den Speicher doch als rotierende Masse des Rades verfügbar. Ob die darin gespeicherte Energie in Bezug auf die Nennleistung des Windrades vergleichbar mit der in einem AKW-Generator ist, mag ich nicht beurteilen.

Aber bei WKA gibt es in Form der rotierenden Masse des Rotors definitiv einen (kleinen) Speicher.

Viele Windräder haben dann zusammen einen großen Speicher.

Michael

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Michael S.

Am 04.10.2022 um 10:43 schrieb Volker Staben:

Ich probiers mal mit einer Milchmädchenrechnung, um die Größenordnungen herauszufinden: Ein 75m langer WKA-Flügel wiegt 15t.

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--- Milchmädchenrechnung Anfang ---

Annahme: Die rotierende Masse von 45t konzentriert sich auf etwa halbem Radius und bewegt sich dort mit 50m/s.

Dann haben wir eine gespeicherte Energie von

0,5 * 45000kg * 50m/s * 50m/s = 56mJ = 15,5kWh Von dieser Energie könnte man z.B. 10% als Regelenergie zur Verfügung stellen, also 1,5kWh. Ruft man diese in einer Sekunde ab, wären das 5,5MW.

Das liegt in der gleichen Größenordnung wie der Nennleistung der WKA. Multipliziert man das mit 30000 Anlagen in Deutschland wären das 165GW für eine Sekunde.

--- Milchmädchenrechnung Ende ---

Ich mag hier leicht Faktor 10 oder mehr zu hoch liegen, aber interessant wäre der Vergleich mit den konventionellen rotierenden Massen in Deutschland. Hat da jemand Zahlen?

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Michael S.

Am 04.10.22 um 16:37 schrieb Michael S.:

begründete Annahmen sind erlaubt - danke!

Im Sinne des Topics "Regelenergieteilnehmer" müssen Einspeiser, die am Primärregelleistungsmarkt teilnehmen wollen, das zugesicherte Leistungsband für 15 Minuten halten können. Eine WKA könnte demnach also grob etwa 6 kW Primärregelleistung beisteuern, wenn man so die Rotationsenergie des Rotors nutzen würde - mehr als zwei Zehnerpoptenzen unterhalb der Untergrenze von 1 MW.

Der Vergleich ist IMHO nicht zielführend. Die rotierende Masse des Netzes bezieht sich ja auf die Momentanreserve, nicht auf die (Primär)Regelung. Das sind zwei verschiedene Baustellen.

V.

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Volker Staben

Am 04.10.2022 um 19:02 schrieb Volker Staben:

Meine Milchmädchenrechnung bezog sich tatsächlich auf die Momentanreserve und das Milchmädchen erweckt den Eindruck, als könnten WKAs da gut mit dem konventionellen Kraftwerkspark mithalten, sofern man das umsetzt. Die Primärregelung mit der rotierenden Masse von konventionellen Generatoren oder WKAs umzusetzen, auf die Idee ist hier noch keiner gekommen, oder?

Michael

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Michael S.

Hi Axel,

So ein Quatsch. Das zahlt doch ohnehin der Kunde.

Deshalb funktioniert das Spiel ja und schafft einen gewissen Ausgleich der Belegungsspitze. Was an der Tanke eher weniger wegen Anreizsteuerung passiert, hätte bei Solareinspeisung entscheidende Steuereffekte, was die Rentabilität von Ost-West-Ausrichtungen betrifft.

Marte

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Marte Schwarz

Hallo Volker,

Es mag sein, dass die hier anwesenden Unwissenden wieder die falsche Begrifflichkeit verwenden. Hier ging es die ganze Zeit über um die berühmten rotierenden Massen, welche angeblich nicht unwesentlich zur Stabilisierung des Netztes beitragen sollen und die damit verbundene Frage, ob diese rotierende Masse von modernen Windkraftanlagen nun gestützt wird oder nicht, zumal die wenigsten WKA drehzahlsynchron mit dem Netz gekoppelt sind. Um die 15 Minuten-Regelreserve geht es dabei auch bei konventionellen Kraftwerken offensichtlich nicht.

Das war hier bisher auch nie das Thema.

Marte

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Marte Schwarz

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