Moin!
Dieses Szenario wird uns seit ein paar Wochen vermehrt angedroht, also eher der Ausfall. Dem folgt doch hoffentlich bald ein Hochfahren. Aber was kann dabei im Detail passieren, und was spielt sich dabei ab?
Ich selbst war vor rund 20Jahren von einem größeren Stromausfall betroffen, rund 10.000 Einwohner und fast 24 Stunden. Die Ursache war damals die Mißachtung der (n-1)-Regel des Netzbetreibers.
Der Grund des Ausfalls war ein (zufälliger) Schaden in der einzigen Übergabestation zwischen den übergeordneten Netzen und dem Teilnetz des Stadtteils. Es war ein Freitag Abend im Hochsommer. Nach einer Stunde Ausfall waren offensichtlich Ersatzteile herbeigeschafft, und der Netzbetreiber versuchte mehrfach die Spannung einzuschalten. Dabei hatten sie sich ihre Ersatzteile gegrillt. Ich vermutete hier, daß aufgrund der sommerlichen Temperaturen und der Dauer von mind. 1 Stunde nahezu alle (Kompressor-)Kühlgeräte Bedarf hatten und mit Kommen der Spannung anlaufen wollten.
Ein von mir vermuteter Fehler war, daß bei den ersten paar fehlgeschlagenen Versuchen der gesamte Stadtteil mit einem Schaltvorgang "zurückgeholt" werden sollte. Die weiteren und dann erfolgreichen Versuche liefen mit etlichen Stunden Zeitverzug (Beschaffung von weiteren Ersatzteilen?) häppchenweise in kleineren Einheiten, vermutlich jeder 20kV-Ortsnetztrafo einzeln. Oder diese wenigstens in Gruppen. Mein Haushalt war im Bereich des letzten Abschnitts und knapp 24Stunden nach dem initialen Fehler erst wieder versorgt.
Wie wird das in den nächsten Monaten werden? Die Kompressorkühlgeräte sind weiterhin Standard, und die brauchen einen recht großen Anlaufstrom. Ähnlich die Umlaufpumpen in Heizungsanlagen. Dazu kommen heute viele billige Schaltnetzteile, die ebenso große Anlaufströme haben, aber nach 2-3 Halbwellen "zufrieden" sein sollten. Und dann gibt's heute Photovoltaikanlagen, die mehrheitlich nicht inselfähig sind und sich bei erster Gelegenheit zuschalten wollen.
Also im Detail und als Annahme: Strom weg seit >1h.
Das Einschalten des 20kV-Ortsnetztrafos bringt diesen aufgrund der Einschaltspitze an seine Grenze oder darüberhinaus. Im übergeordneten Netz macht sich diese Spitze bemerkbar ggf. bis zu den nächstgelegenen rotierenden Generatoren, die aufgrund der mechanischen Beanspruchung einen leichten Hüpfer hinlegen. Lokal im 230V-Netz sieht's in der ersten Sekunde wohl so aus, daß zwar die Netzfrequenz von Anfang an stimmt, aber die Spannung nicht gleich ins Toleranzintervall kommt. Kommt sie dort an, bemerken die Wechselrichter der PV-Anlagen die Rückkehr der erlaubten Werte im Netz und schalten ihre Leistung dazu. Dies passiert innerhalb eines kleinen Zeitfensters, denn so unterschiedlich wird die Auslegung und Konfiguration der diversen Wechselrichter kaum sein. Dabei wird der Ortsnetztrafo spontan entlastet. Folge: die Spannung auf Niederspannungsseite (230V) wird im Sekundenbereich nach Einschalten der Wechselrichter deutlich steigen.
Was kann im Detail dabei passieren?
Handelt es sich um einen regelbaren Ortsnetztrafo, kann dieser auf wechselnde Lasten angepaßt werden. AFAIK nur nicht im Sekundenbereich, denn die Schalter dürften zu langsam sein. D.h. den Trafo kann man nicht zur schnellen Spannungsregelung im 230V-Zweig heranziehen.
Produziert das Zuschalten der PV-Leistung ein Überschwingen der Spannung, schalten PV-Wechselrichter ab. Kann das im blödesten Fall zum Schwingen im Niederspannungsnetz unterhalb des Ortsnetztrafos führen?
Ist mein Netzsegement zwar versorgt, muß ich trotzdem mit deutlichen Spannungsschwankungen rechnen, die aufgrund Ab- und Einschaltmaßnahmen benachbarter Netzsegmente im Mittelspannungsnetz bemerkbar sind.
Ein Teil davon ist Vermutung, weil ich nicht besonders tief in der (aktuellen) Technik der Netzbetreiber drinstecke. D.h. Korrekturen erwünscht :-)
Gruß, Ralf