Das Deutsche Gewölbemuseum recherchiert: die Gewöl be über den polygonalen Bauten des 19.Jahrunderts

Das Deutsche Gew=F6lbemuseum recherchiert: die Gew=F6lbe =FCber den polygonalen Bauten des 19.Jahrunderts

Als bekannt wurde, da=DF von Manchester aus Fertigh=E4user aus pr=E4fabrizierten Eisenteilen auf Schiffen nach Kalifor- nien verschickt wurden, ging man der Sache nach und entdeckte die fehlende Feuersicherheit dieser Bauten. Bei Wohnhausbr=E4nden waren offensichtlich etliche schwer zu Schaden gekommen. Man machte sich daraufhin Gedan- ken, ob es nicht besser w=E4re, neue Ideen vorzulegen, die anstelle der "eisernen H=E4user" propagiert werden k=F6nnten. Eigenartigerweise war es ein Arch=E4ologe, sein Name ist Braun, der sich f=FCr das Thema interessierte und eine Dis- kussion dar=FCber anzettelte. Auf einer Reise von Rom =FCber Kassel nach London suchte er nach kompetenten Ge- spr=E4chspartnern. In Kassel fand er einen, der sich f=FCr den Gegenstand interessieren lie=DF. Es war Henschel, der in Kassel eine Maschinenfabrik betrieb. Er schlug ein poly- gonales Bausystem vor, bei dem W=E4nde und Decken, ei- gentlich das ganze Haus, mit Formsteinen aus gebrann- tem Ton zusammengef=FCgt werden. Eine Fabrik in England nahm sich des Themas an. Die gesamten Formsteine samt Bauanleitung und Baupl=E4nen f=FCr das Haus sollten von England aus nach =DCbersee verschickt werden. Ziel war ein solides, feuerfestes und preiswertes Haus. Hen- schel hatte sich ausgerechnet, da=DF zur Senkung der Bau- kosten ein polygonales Bausystem von Vorteil sein mu=DF, da sich die L=E4nge der Au=DFenw=E4nde reduzieren lie=DF und fla- che =DCberw=F6lbungen mit feuersicherem Material, also mit Formsteinen aus gebranntem Ton, unaufwendig m=F6glich werden. Er entwarf als Beispiel ein Gasthaus, das im Grundri=DF aus sieben Sechsecken bestand. Dabei grup- pierte er sechs sechseckige R=E4ume um ein mittleres Sechseck:

"Das mittlere Sechseck, welches durch das Mauerwerk zu einer Rotunde gebildet ist, enth=E4lt im Zentrum eine ge- r=E4umige runde Treppe und um dieselben G=E4nge zur Kom- munikazion mit den sechs S=E4len. In den kleinen R=E4umen, die durch die Kreisform zwischen derselben und den Po- lygonecken gewonnen worden, sind Gasleitungen und Wasserzuf=FChrungen, Schachte f=FCr die Herauff=F6rderungen von Brennmaterialien, Sprachrohre nach dem Souterrain, wo sich die Bedienung und die Vorr=E4the befinden, F=F6rde- rungen f=FCr Speisen und Getr=E4nke und selbst Musiklei- tungsr=F6hren angebracht." (1)

Diese Idee des Fabrikanten Henschel war in der Mitte des

19.Jahrhunderts entstanden. Sie stand jedoch nicht allei- ne da. Engelhard hatte bereits zum Thema polygonaler Ar- chitektur gearbeitet und Entw=FCrfe gemacht. Er setzte sich mit Henschel in Verbindung und bekam den Grundri=DF f=FCr das angesprochene Gasthaus zugesandt, das Henschel entworfen hatte. Angeregt durch dessen Versuch, setzte Engelhard seine Bem=FChungen fort, eine "Polygonal-Archi- tektur" zu entwerfen. Grundri=DFe sind seinem Aufsatz vom Jahre 1852 beigegeben. Er diskutiert in seinem Aufsatz recht interessant die Vorteile polygonaler Baukunst und weist auch auf Probleme hin, die beim Entwurf vermieden werden sollten. Er hat verschiedene Grunds=E4tze aufge- stellt:

"Polygonale Zusammensetzungen k=F6nnen haupts=E4chlich in vier verschiedenen Formen vorkommen, einmal in cen- traler Gruppirung, d.h. in Vereinigung der Polygone um ei- nen Mittelpunkt, dann in linearischer Gruppirung in gera- der Richtung, ferner in linearischer Richtung nach bogen- f=F6rmiger oder gekr=FCmmter Richtung, und endlich in einer aus diesen verschiedenen Arten gemischten Gruppirung." (2)

Am vorteilhaftesten sind nach ihm polygonale Zusammen- setzungen, die um einen Mittelpunkt gruppiert werden. Da- zu braucht es jedoch Baupl=E4tze, an denen um solche H=E4u- ser offener Raum bleiben kann, der am besten zum Garten gestaltet ist. Gruppiert man Polygone nicht um einen Mit- telpunkt, ergeben sich eher Probleme.

"Als zweckm=E4=DFigste Formen f=FCr polygonale Zusammen- setzungen erscheinen besonders Sechsecke und Acht- ecke, weil dieselben am leichtesten zusammen und mit anderen Formen gruppiren, jedoch k=F6nnen nach Umst=E4n- den auch andere Polygone sehr zweckm=E4=DFig sein; Drei- ecke und Vierecke rechnet man gemeinhin nicht zu den Vielecken, Dreiecke sind auch in der That wegen der spit- zen Winkel, die sie haben, unbrauchbar zu Wohnr=E4umen; /.../ Indessen k=F6nnen dreieckige R=E4ume doch zu anderen Zwecken als zum Wohnen nutzbar sein, viereckige Zim- mer k=F6nnen aber sehr wohl mit Polygonen, besonders mit Achtecken gruppirt werden, ja sie sind fast unentbehr- lich, wenn die Gruppirung nicht monoton sein soll. Auch die Kreisfigur kann in vielen F=E4llen mit den Vielecken kom- binirt werden." (3)

Am besten sieht man sich Grundrisse an, die in der Mitte des 19.Jahrhunderts f=FCr "Polygonal-Architektur" entwickelt wurden.

formatting link

Neben dem Grundri=DF f=FCr ein Gasthaus, vermutlich von Hen- schel entworfen, sind zwei weitere Grundrisse zu sehen. Einer hat als Umri=DF des Hauses ein Achteck erhalten. Im Innern sind vier Achtecke um ein kleines Quadrat grup- piert. Im Text ist der Grundri=DF so beschrieben:

"Gruppirung von vier Achtecken, f=FCnf Quadraten und acht verschobenen Sechsecken. Es ist hier der Grundri=DF vom unteren Stockwerke gegeben; die Achtecke sind Wohn- zimmer, Treppenraum und K=FCche in jedem Stockwerke; die mit Quadraten vereinigten Sechsecke sind zu Schlaf- zimmern bestimmt, und die vier =FCbrigen Sechsecke sind zu Arbeitskabineten geeignet. Die einspringenden R=E4ume zwischen den Sechsecken sollen kleine Terrassen bilden und mit Lauben (Veranden) bedeckt werden." (4)

Der dritte Entwurf, f=FCr ein Wohnhaus gedacht, besteht aus Achtecken und kleinen Quadraten und wurde um verscho- bene Sechsecke erg=E4nzt. Das Treppenhaus liegt im mitt- leren Achteck. Dazu ist gesagt:

"Die Treppe in der Mitte mu=DF durch ein Deckenlicht im Dache erleuchtet werden, der Gang um die Treppe gibt durch vier gr=F6=DFere Th=FCren Kommunikazion mit den acht- eckigen R=E4umen, und durch vier kleinere, =FCber denen sich kleine rosettenartige Oberlichter befinden, Zugang zu den vier abgetheilten R=E4umen" (5)

Zu den verschobenen Sechsecken wird formuliert:

"Die zwischen den vier Achtecken liegenden Sechsecke bilden in der Vereinigung mit den kleinen abgetheilten Rechtecken zweckm=E4=DFige Schlafzimmerformen, die acht einspringenden Winkel enthalten zwar wenig Raum f=FCr Terrassen, sind aber sehr geeignet, um mit Fruchtspalie- ren, welche darin gesch=FCtzt stehen, bedeckt zu werden." (6)

Die Grundrisse zeigen auf, da=DF sie zu ganz unterschied- licher Nutzung geeignet sind. Neben ihrer Eignung zum Wohnen, usw. hat die "Polygonal-Architektur", die da- mals entwickelt wurde, den Vorteil der Feuersicherheit. Denn es ist leicht, flache Gew=F6lbe =FCber die polygonalen R=E4ume zu mauern. Die zum Gew=F6lbebau und die gesam- ten Mauern verwendeten Backsteine machen aus Bau- werken feuersichere Bauten. Diese werden zugleich auch preiswert, wenn es f=FCr alle Stellen im Mauerwerk die dazu passenden Formsteine gibt.

"Hierbei wird nun viel gewonnen werden k=F6nnen, wenn man die Backsteine in Formen, die den polygonalen Zu- sammensetzungen entsprechen, verfertigen l=E4=DFt, z.B. Steine f=FCr die Bundst=FCcke des Geb=E4udes, in denen sich drei oder mehrere Mauerrichtungen vereinigen, auch schon f=FCr den Verband von zwei Mauern, die in einer an- deren als rechtwinkligen Richtung zusammensto=DFen. Eben so wird man k=FCnstliche Formen, die zangenartig ineinander greifen und eben dadurch, so wie auch weil ihre Umfassungslinien l=E4nger sind wie die gew=F6hnlichen Steine und also sich gegenseitig in den Schnittfugen gr=F6=DFere Reibungsfl=E4chen bieten, einen festeren Zusam- menhalt gew=E4hren." (7)

Interessant ist, da=DF bei den Backsteinen f=FCr die Gew=F6l- be sowohl an Gew=F6lbe "mit doppelten flach liegenden Backsteinen" nach Art der Konstruktion des Grafen d'Espie gedacht wurde, aber auch an die =FCblichen Keilsteingew=F6lbe aus "kantig stehenden Backsteinen". (8)

Engelhard meinte, da=DF es an den Bauarbeitern und ihren F=E4higkeiten liegen werde, was f=FCr eine Art des Gew=F6lbebaus gew=E4hlt werden wird. Um mit flachen Backsteinen Koh=E4sionsgew=F6lbe mit Gips zusammen zu kleben, brauche f=FCr diese Bautechnik erfahrene Maurer.

Man war sich also im deutschsprachigen Kulturraum zu dieser Zeit bewu=DFt, da=DF mit Flachziegeln sehr trag- f=E4hige und leichte W=F6lbungen ohne Schalung gemauert werden konnten. Interessanterweise war die Idee der Polygonal-Architektur in der Mitte des 19.Jahrunderts entstanden, um an der Stelle der eisernen Fertigh=E4user aus Manchester, die nach Kalifornien verschickt worden waren, eine Systembauweise einzuf=FChren, die nicht nur preiswert und haltbar, sondern auch feuersicher war. Wenn man also um das Jahr 1850 bereits an eine Ein- f=FChrung der Flachziegelgew=F6lbe in Nordamerika dachte, so geschah dies Jahrzehnte vor dem Technologietrans- fer durch Rafael Guastavino, der im Jahre 1887 mit dem Flachziegelgew=F6lbebau in den USA begann.

Die Besch=E4ftigung mit der Polygonal-Architektur des

19.Jahrhunderts bot also eine gro=DFe =DCberraschung. In Wien und in der deutschsprachigen Fachwelt war die Gew=F6lbekonstruktion mit Flachziegeln mit dem Namen des Grafen d'Espie verbunden. Dieser hatte diese Bau- technik im Roussillon angetroffen. =DCblicherweise wird diese Bauweise seit dem Ende des 19.Jahrhunderts "a la catalana" genannt, weil sie aus Katalonien ihren Weg nach Madrid gefunden hatte und in der spanischen Hauptstadt sehr bewundert wurde. Die katalanische Bauweise hatte also zu dieser Zeit noch nicht ihren Na- men.

Die Polygonal-Architektur warf damals keine Probleme auf, weil alle Details und jedes Problem dieser Architek- tur beherrscht wurden. Schwierigkeiten kamen anders- woher. Denn h=E4tte man diese Architektur in Europa ge- baut, w=E4re es zu einer Abl=F6sung baugeschichtlich ge- wachsener Architekturformen durch eine ganz neue Art zu bauen gekommen. Engelhard warnte also vor Aus- w=FCchsen, die mit der Polygonal-Architektur aufkommen konnten.

"Wer in der heutigen Bauart alle seither =FCblichen For- men verwerfen und andere noch nie da gewesene an ih- re Stelle setzen wollte, der w=FCrde einem deutschen Schriftsteller gleichen, welcher ein Buch nicht in deut- scher Sprache Sprache schreiben wollte, weil sie alt und abgedroschen w=E4re" (9)

Engelhard wollte eine moderate Architekturgestaltung der Fassaden, die "richtig motivirt und naturgem=E4=DF" ist. "Was nur neu ist, um neu zu sein", hielt er f=FCr ver- fehlt.

Zu unserer =DCberraschung gibt es also mitten im 19.Jahr- hundert eine ganz neue Architektur, die deswegen poly- gonal ist, weil sie preiswert, sehr haltbar und feuersicher sein sollte. Man m=FC=DFte herausfinden, ob diese Ideen f=FCr eine "Polygonal-Architektur" Verwirklichung fanden. Es w=E4re interessant zu wissen, wo damals Engelhard ge- lebt hatte, und ob sich seine Zeichnungen der Polygo- nal-Architektur in irgendwelchen Archiven erhalten haben. Wichtig w=E4re es auch zu wissen, welche Fa- brik in England den Brand der Formsteine f=FCr die Poly- gonalbauweise =FCbernehmen wollte, ob diese Formstei- ne gebrannt wurden und ob jemals mit diesen Steinen in Europa oder in =DCbersee eine Polygonal-Architektur aufgebaut wurde.

K.L.

Dieser Text von Karl-Ludwig Diehl wurde in

formatting link
formatting link
Diskussion gestellt. Der Autor ist =FCber folgende Emailadresse erreichbar: baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen: (1) zitiert aus: Engelhard: Polygonal-Architektur. S.139-

146 und Zeichnungen auf S.147 in: Allgemeine Bauzei- tung. Wien, 1852. S.139 (2)-(3) zitiert aus: Engelhard, wie vor, S.140 (4) zitiert aus: Engelhard, wie vor, S.145f. (5)-(6) zitiert aus: Engelhard, wie vor, S.146 (7) zitiert aus: Engelhard, wie vor, S.143 (8) siehe im Zusammenhang: Engelhard, wie vor, S.143 (9) zitiert aus: Engelhard, wie vor, S.145
Reply to
Karl-Ludwig Diehl
Loading thread data ...

PolyTech Forum website is not affiliated with any of the manufacturers or service providers discussed here. All logos and trade names are the property of their respective owners.