In Zukunft Gleichstrom-Netze?

Hallo,

Wechsel- und Drehstrom hat sich durchgesetzt, weil er leicht zu transformieren und mit einfachen Maschinen mechanisch nutzbar gemacht werden konnte.

Diese Gründe verlieren an Bedeutung. Elektronische Spannungswandler beweisen von Steckernetzgeräten bis zu Bahnstromumrichtern ihre wirtschaftliche Überlegenheit. Drehzahlvariable Antriebe werden inzwischen von Wechselrichtern gespeist.

HGÜ existiert bereits. Wäre Gleichspannung in weiteren Netzebenen sinnvoll, z.B. in der Niederspannung?

Ich denke, elektronische Spannungswandler in den Ortsnetzstationen könnten billiger sein, als Trafos, wenn entsprechende Stückzahlen produziert werden.

Da die physiologische Wirkung bzw. Gefahr von Gleichspannung geringer ist, als von Wechselspannung, könnte man bei gleichem Sicherheitsniveau die Netzspannung anheben und damit die Übertragungsleistung bei gegebenem Leitungsquerschnitt erhöhen.

Soweit in elektrischen Geräten eine Spannungswandlung erforderlich ist, also sehr oft, wird diese billiger und arbeitet mit höherem Wirkungsgrad, weil Gleichrichter, Ladekondensator und (bei größeren Leistungen) die Leistungsfaktor-Korrektur entfallen kann.

Die Netzeinspeisung privater Kleinerzeuger wird erleichtert, weil keine Synchronisation mit der Netzfrequenz erfolgen muss.

Und das Thema Blindstrom ist erledigt, es fließt nur noch Wirkstrom über die Netze.

Nachteile:

Mechanische Schalter müssten wohl etwas robuster ausgelegt werden, weil kein Strom-Nulldurchgang einen Lichtbogen löscht.

Elektrochemische Korrosion muss beachtet werden.

Was meint ihr dazu?

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Werner Holtfreter
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Und wer bezahlt die ca. 100% der Haushaltsgeräte und Infrastruktureinrichtungen (Trafos usw.), die dann auf den Müll wandern müssten?

Viele Grüße, Torsten

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Torsten Schneider

Also schrieb Torsten Schneider:

Schauen wir mal:

- Ein Reihenschlussmotor (Universalmotor) läuft mit Gleichstrom genauso gut wie mit Wechselstrom. Also sind die allermeisten Haushaltsgeräte wie Mixer, Fön, Bohrmaschine u.ä. OK.

- Dem Licht ist es auch eher wurscht, egal ob Glühobst oder ESL. Letztere machen sich ihren hochfrequenten Wechselstrom eh selber.

- Heizende Einrichtungen wie Herde und Öfen juckt der Gleichstrom auch nicht.

- Bei Ekeltronik wird es unterschiedlich sein... wenn ein primärer Gleichrichter + nachfolgender Schaltwandler drin ist (etwa in PCs und modernen Wandwarzen), ist es auch wieder egal. Da könnte höchstens der primäre Gleichrichter ein thermisches Problem kriegen, weil 2 Dioden ständig leiten und die anderen zwei immer sperren.

Bleiben Geräte mit einem primären 50Hz-Netztrafo als Problemkinder - insbesondere also Audio/Video-Komponenten. Auch solche Gerätschaften, die mit Synchronmotoren laufen, wie etwa mechanische Schaltuhren.

Also: bei weitem nicht 100% der Geräte.

Allerdings ist Gleichstrom gleicher Nennspannung bei Berührung tendenziell gefährlicher als Wechselstrom, weil sich der Muskel nur einmal zusammenzieht und nicht mehr loslässt.

Ansgar

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Ansgar Strickerschmidt

Größere Maschinen (Kreissäge, Standbohrmaschine) laufen dann nicht mehr, wenn ein Kondensatormotor verbaut war.

AFAIR war da noch was mit "Elektrolyse". Kann mich da zwar auch falsch erinnern, aber bei Gleichstrom soll gerade eben diese besonders tückisch sein, da durch die Reaktionen im Körper wohl mitunter Stoffe entstehen, die noch Tage nach dem "Stromschlag" problematisch sein können.

Gruß

Manuel

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Manuel Reimer

Ist das wirklich so?

Dann müssen deine elektronischen Wandler "bidirektional" arbeiten können.

Als Beispiel sei hier nur unser Dorf genannt. Vergleichsweise viel Fotovoltaik aber kaum Industrie. Ich bin relativ sicher, dass das "Trafotürmchen" hier im Dorf an sonnigen Tagen durchaus auch mal "rückwärts" arbeiten muss um den eingespeisten Strom ins Mittelspannungsnetz zu "befördern".

Großer Nachteil ist weiterhin, dass die Zuverlässigkeit eines Trafos wohl kaum mit Elektronik zu erreichen ist. Ein guter Trafo hat einen vergleichsweise hohen Wirkungsgrad und besteht eigentlich nur aus Metall, Lack und Öl. Eventuell noch Porzellan für Isolatoren. Wertig gebaut hält sowas ewig.

Auch vergisst du ganz, dass wir ein 3-Phasiges Netz haben, was den Betrieb von Asynchron-Motoren (Drehstrom-Motoren) ermöglicht. Gerade die Industrie macht da viel Gebrauch von und bei weitem nicht jede Maschine braucht einen Frequenzumrichter.

Gruß

Manuel

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Manuel Reimer

Gemeint ist vermutlich das elektrische und magnetische Wechselfeld. Kann gut sein, dass ein konstantes Feld weniger Probleme macht als ein Wechselfeld. Ich bin gottseidank nicht elektrosensibel, will es aber für Andere nicht ausschließen.

Schwieriger wird's bei direktem Körperkontakt. Da dürfte man mit Gleichstrom eher schlechtere Karten haben. Die Muskeln ziehen sich einfach zusammen und niemand lässt los. Wechselstrom hat wenigstens Nulldurchgänge, so dass ich eine größere Chance sehe, im Falle eines Unfalls davon wieder los zu kommen.

Bei der Gelegenheit: sollte wer auf die verwegene Idee kommen, mit den Fingern prüfen zu wollen, ob Saft auf der Leitung ist oder nicht, dann wenigstens mit der Außenseite der Finger. Die Muskeln zum Faustballen sind nämlich stärker als die zum Öffnen derselben. Greift man mit der FingerAUSSENseite an die Leitung und kriegt eine gewischt, dann ballt sich automatisch die Faust und man ist binnen Millisekunden weg von der Leitung und außer Gefahr. Andersrum greift man zu und klebt dann sozusagen am Draht. Dann wird's schnell richtig gefährlich. Gilt auch für Wechselstrom.

Wieso? Die liefern einfach eine etwas höhere Spannung. Das Netz zieht sie schon wieder auf Normalmaß, wenn kein richtig dicker Brummer einspeist.

Metall oxidiert, wird rissig und bricht. Insbesondere mit permanenter mechanischer Belastung, der die Trafowicklungen ausgesetzt sind. Das auch noch mit Nulldurchgängen. Sowas mag kein Werkstoff besonders gern. Kontaktkorrosion infolge unterschiedlicher Metalle ist nicht sehr vorteilhaft. Lacke verspröden, blättern ab, bilden Taschen für Feuchtigkeit und fördern damit die Korrosion des zu schützenden Metalls. Öl zersetzt sich, bildet mit Wasser Seifen, wird zäh und behindert den Wärmetransport, für den es eigentlich eingesetzt wird. Das Zeug fließt durch sämtliche Undichtigkeiten raus und ist meist auch noch eine ziemliche Umweltsauerei.

Du siehst - selbst ein simpler Trafo hat viele Gründe, weshalb er ausfallen kann.

Elektronik geht meistens durch defekte Kondensatoren über den Jordan. Diese gibt's allerdings in sehr unterschiedlichen Bauarten. Muss ja kein Elko sein, der austrocknet oder dessen Elektrolyt sich chemisch zersetzt. Oder man wechselt sie in regelmäßigen Abständen einfach aus. Nach dem Trafo muss man auch immer wieder mal schauen.

Dieses Argument tritt allerdings mit den immer häufiger werdenden Frequenzumrichtern zusehends in den Hintergrund.

Hat man einen, dann schadet er aber meistens auch nicht. Die Welt wird sowieso immer komplexer.

Das viel gewichtigere Argument hat Torsten schon gebracht: die vielen vielen Endgeräte, die sich nicht mal so eben nebenbei mal umrüsten lassen. DAS ist ein RIESEN Akt, der auch noch eine Übergangszeit vorsehen muss, so dass manche Häuser z.B. noch 20 Jahre weiterhin mit Wechselstrom zu versorgen sind. Evtl. mit Wechsel- und Gleichstrom gleichzeitig im Haus. Denke, dass man vor dieser Herausforderung noch lange die Finger davon lassen wird.

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Christoph Müller

Am 28.06.11 16.45, schrieb Werner Holtfreter:

Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, dürfte eine ziemlich perfekte Verkörperung der Zahl null sein.

V.

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Volker Staben

Am 28.06.2011 17:48, schrieb Ansgar Strickerschmidt:

Sofern da keine Elektronik eingebaut ist, die z.B. mit 5 Volt läuft. Drehzahl- und Temperaturregler machen das aber des Öfteren so.

Glühobst ja. ESL - da würde ich mich nicht drauf verlassen.

Die Schalter dazu juckt das allerdings gehörig. Der Lichtbogen bei Gleichstrom bleibt nämlich sehr viel länger stehen als per Wechselstrom. Deshalb steht in den meisten Datenblättern von mechanischen Schaltern, was sie mit Gleich- und was mit Wechselstrom vertragen. Mit Wechselstrom vertragen sie deutlich mehr.

Wäre unangenehm genug, weil das zu Ausfall führen würde.

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Christoph Müller

Und was ist mit den himmelvielen Leuchtstoffröhren, die eine Drossel als Vorschaltgerät haben? Die ist ja bei Gleichstrom auch sehr wirkungsvoll. ;)

Viele Grüße, Torsten

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Torsten Schneider

Ich kann dir aus eigener, schmerzvoller Erfahrung versichern, dass man auch bei Wechselstrom nicht loslassen kann. Die Strommarken an meiner Hand sind heute noch zu sehen. (Es floss nichts über das Herz, dennoch erschütterte ein gewaltiges, äußerst schmerzhaftes Rütteln meinen damals kindlichen Körper. Ich konnte nicht sprechen oder schreien, aber glücklicherweise merkte jemand nach ein paar Sekunden, was los war und zog den Stecker.)

Der Grund, warum der Bereich der Kleinspannung bei Gleichspannung höher hinauf reicht, als bei Wechselspannung liegt daran, dass Wechselstrom über das Herz geleitet, zum Herzmuskelflimmern führen kann.

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Werner Holtfreter

Der im am privaten Kleinerzeuger zwar nicht, aber in der Ortsnetzstation bei höherer Einspeisung schon! Guter Hinweis.

Hab's nicht vergessen, ich schrieb bereits, dass Drehstrom mit "einfachen Maschinen mechanisch nutzbar" ist.

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Werner Holtfreter

"Wer zahlt?" ist eine politische Frage. Ich habe keine Hoffnung, dass sinnvolle Reformen in Deutschland noch möglich sind, egal ob es um das Stromnetz oder Steuern geht. Aber Prof. Kirchhof probiert es ja auch wieder. Vielleicht setzt es China um - das eine oder das andere.

Wie es gehen könnte, zeigt die Umstellung von 110 V auf 220 V in einigen Städten in den 50er Jahren:

Schon Jahre vorher lieferte die Industrie bereits Geräte, deren Versorgung sich umschalten lässt. Was sich nicht umschalten lässt, wird über einen Spartrafo versorgt oder durch Neuanschaffung ersetzt.

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Werner Holtfreter

Kein Widerspruch.

Dennoch interessiert mich, wie ein Netz reagiert, bei dem man Leistung nicht mehr einspeist, in dem man die Frequenz anzuheben versucht, sondern die Spannung. Ist das nun besser oder schlechter?

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Werner Holtfreter

Schlechter. Wenns besser wäre, wäre es so realisiert.

V.

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Volker Staben

--Schnipp

Und da U=R*I ist müssen die Letungsqueschnitte erhöht werden. Das Thema hatten T.A.Edison und Westinghouse/Tesla auch schon. Warum ist wohl in den USA das Gleischstromnetz verschwunden?

Gruß Manfred

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Manfred Kuhn

Christoph Müller tut geschreibselt haben:

Mit Gleichstrom wird das alles viel lustiger: Dann zeigt der Kompass alles mögliche an, nur nicht Norden.

Das Gegenteil ist der Fall: Bei Wechselstrom mit möglichst so ca.

60Hz ist der ideale Krampfstrom, sauberer Gleichstrom führt nur zu einem kurzem Zucken der Muskeln. Dafür sind die Spätfolgen von Gleichstrom schlimmer, die Elektrolyseprodukte können noch nach Tagen zu einem Nierenversagen o.ä. führen.

Wenn in einem Netzabschnitt hinter einem Unidirektionalwandler 100kW benötigt werden und Solaranlagen 120kW liefern, kann der Wandler so lange 0W liefern wie er will, die Spannung steigt bis die zusätzlichen 20kW verbaucht werden. Und wenn es Lichtbögen dank Überspannung sind.

Trafowicklungen sind idR vergossen.

Magnetostriktion hat eine quadratische Kennlinie.

Wo kommt sowas in einem Trafo vor?

Das ist nur bei Trafos im Freien ein Problem. Das sind nur relativ wenige.

Gegen Wasser gibt es Trockenpatronen an der Belüftung des Ausgleichgefäßes. Wenn sich das Öl mehr als nur geringfügig zersetzt, gibt es meist Entladungen im Trafo, wenn man dann nichts macht, ist bald die Kacke am Dampfen (vgl. Trafobrand in Krümmel

Ein Trafo sollte unbedingt dicht (bis auf die kleine Entlüftungsöffnung am Ausggleichbehälter) sein, sonst ist er bald leer. Die "Grüße von Monsanto" mussten schon lange entsorgt werden, heute hat man da flüssige Parafine (ähnliche Zusammensetzung wie Heizöl, nur viel sauberer) oder biologisch abbaubare Ester drin.

Es müssten zu viele Geräte entsorgt werden, wenn in 30 Jahren umgestellt würde und ab morgen keine reinen Wechselstromgeräte mehr in den Handel kämen. Und diese Geräte müssen sicher aus dem Verkehr gezogen werden, weil diese nicht gegen die Auswirkungen von Gleichstrom geschützt sind. Es ist garantiert nicht lustig, wenn einem der Elektrorasierer in der Hand in Flammen aufgeht.

Dazu käme, dass die Hauselektrik angepasst werden muss, entweder gibt es einen neuen Steckdosentyp oder alle 16A-Sicherungen müssen gegen 10A-Typen ersetzt werden.

Wer abschätzen will wie lange so eine Umstellung dauert, kann ja mal nachschauen, wie lange die Umstellung auf Wechselstrom in den USA gedauert hat. Ja, sie ist seit ein paar Jahren abgeschlossen.

Matthias

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Matthias Kordell

Nun, die Spannung in einem weit verzweigten und weitmaschigen Netz zu definieren gelingt etwas so gut wie die Temperatur in einer Fabrikhalle zu messen, wenn man eine Zahl haben will. Die Frequenz dagegen ist ortsunabhängig. Die wird in einem engen Bereich vorgegeben und beim Einspeisen achtet man auf die Phasenlage.

Norbert

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Norbert Hahn

4-Leiter 230/400 V 100 A übertragen pro Leiter 3 * 230 * 100 / 4 = 17250 W

Wie im Thread schon erklärt, ist Wechselspannung gefährlicher als Gleichspannung. So gelten AC 25 V und DC 60 V gleichermaßen als ungefährlich. Nehmen wir den Faktor 60 / 25 = 2,4 zur Neufestsetzung der Haushalt-Netzspannung:

230 V * 2,4 = 550 V (Man könnte wohl auch noch höher gehen.) 2-Leiter 550 V überträgt pro Leiter 550 * 100 / 2 = 27500 W

Erhöht man die Spannung jedoch nicht, fällt man zurück:

2-Leiter 230 V überträgt pro Leiter 230 * 100 / 2 = 11500 W

Durch ein Dreileiter-System, bei dem man zwei verschiedene Spannungen abgreifen kann, kann man wieder etwas aufschließen, aber da man gegenüber dem Drehstrom einen aktiven Leiter weniger hat, kommt man an die Effektivität der Drehstromleitung nicht ganz heran:

3-Leiter +230/0/-230 V überträgt pro Leiter 2 * 230 * 100 / 3 = 15333 W

Dieses System hat den Vorteil, dass bei symmetrischer Last der Neutralleiter stromlos ist und folglich keine Spannung an ihm abfällt. Nur braucht man dann aufwändigere Wandler.

(Übrigens steigt die Leitungseffektivität bei 4, 5, 6...-phasigem Wechselstrom immer weiter aber mit abnehmender Steilheit an, wie man sich leicht ausrechnen kann. Aber drei Phasen scheinen ein guter Kompromiss zum steigenden Aufwand zu sein.)

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Werner Holtfreter

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