heute habe in der Zeitung gelesen, daß in Deutschland einige "Stromautobahnen" per Überlandleitung realisiert werden sollen (wegen den ganzen Öko-Energie-Erzeugungskram). Was mich jedoch verwundert hat war, daß diese anscheinend als Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen genutzt werden sollen, da weniger Verlustleistung.
Mit meinen bescheidenen Physikkenntnissen verstehe ich das aber nicht so ganz. Geht das wirklich? Macht das Sinn?
Gerade für hohe Ströme ist doch meines Wissens nach Wechselstrom sinnvoller, oder?
Wer kann mir das mal einfach erklären?
Jörg
PS: Kenntnisstand: Physik-LK und diverse Hardware-Vorlesungen an der Uni.
Ein Stromnetz zeichnet sich durch lange Leitungen aus. Diese wirken selbst mit 50Hz wie eine Antenne. Wellenlänge = Lichtgeschwindigkeit / Frequenz = 300.000.000 m/s / 50 Hz = 6000 km. Antennen werden meistens auf Lambda/4 getrimmt. Sind dann also nur noch 1500 km. Diese sind schnell beisammen. Außerdem gibt es noch induktive Verluste durch Metalle in der Nähe. In ihnen werden Wirbelströme induziert, die die Strukturen aufheizen und somit ebenfalls Energie aus dem System nehmen. Analoges gilt für das elektrische Feld im Zusammenhang mit polaren Substanzen.
Mit Gleichstrom wird das elektrische und das magnetische Feld nur einmal aufgebaut und steht dann mehr oder weniger unverändert. Mangels Frequenz ist die Wellenlänge sozusagen unendlich lang, keine wechselnden Magnetfelder erzeugen auch keine Wirbelströme und ein statisches elektrisches Feld polt auch nicht ständig die Dipole in begleitenden Substanzen um. Die Wechselstromverluste entfallen damit. Was bleibt, ist nur noch der Ohmsche Widerstand. Doch den hat der Wechselstrom ganz genauso.
Ob es in dem konkreten Fall Sinn macht, wird man aus dem Stand nicht beantworten können, aber generell gibt es das schon, das Stichwort für Google wäre HGÜ.
Vor allem für Leistungsübertragung durchs Meer ist das Standard, beispielsweise von Deutschland (Lübeck) nach Schweden oder von Italien nach Griechenland.
Nicht unbedingt. Google mal danach. Selbst Wikipedia gibt einiges Sinnvolles zu dem Thema her.
Ja, sonst würden die Pfennigfuchser es nicht machen.
Bis zu gewissen Spannungen. Dann ist wieder Gleichstrom "vorne".
Mit "Einfach" ist da nicht.
Nebenbei: Mittwoch hat ein Vertreter von TenneT (Stromverteilernetz in NL und Nord-West-DE) gesagt, das bis 2025 (?) 9-25GW an Windstrom aus Schleswig-Holstein + Küste (Offshore) erwartet wird. Die bestehenden Leitungen sind derzeit für weniger als 1GW ausgelegt.
das liegt am sogenannten Blindstrom, den gibt es nur bei Wechselstrom, aber nicht bei Gleichstrom.
So eine lange Freileitung hat eine beträchtliche Kapazität gegen Erde, bei einem Erdkabel wäre diese noch wesentlich höher. Wenn man an die Freileitung nur die Wechselspannung anlegt ohne am anderen Ende Strom zu entnehmen muß die Leitungskapazität laufend umgeladen werden. Dazu fliesst in der Leitung der sogenannte Blindstrom und verursacht auch Verluste. Da aber am anderen Ende kein Verbraucher hängt fliesst kein Wirkstrom der Energie zum Verbraucher übertragen würde.
Auch wenn ein Verbraucher am anderen Ende der Leitung hängt fliesst der Blindstrom weiter und verursacht weiter die Verluste. Die Leitung muß aber die (vektorielle) Summe aus Blind- und Wirkstrom aushalten, der nötige Blindstrom verringert so den übertragbaren Wirkstrom.
Bei der unbelasteten Leitung wäre der Blindstrom an der Einspeisestelle am grössten und würde über die Länge der Leitung immer mehr abnehmen. Im Extremfall einer sehr langen Leitung ist der Blindstrom schon so hoch wie der maximal zulässige Strom über die Leiterseile. Mit dieser zu langen Leitung könnte man also keine Wirkleistung mehr zum Verbraucher übertragen. Benutzt man Gleichstrom fällt der Blindstrom völlig weg.
Die Isolierung einer Leitung muß für die Spitzenspannung (plus Sicherheitszuschlag) ausgelegt werden. Die ist aber bei Wechselstrom
40 % höher als die "mittlere" Spannung. Entsprechend teurer wird die Isolation. Das ist schon fast das ganze Geheimnis.
Dazu kommt, daß man Gleichstromleitungen mit beliebigen, zeitlich schwankenden Stromstärken betreiben kann, während Wechselstromleitungen nahe ihrer "natürlichen Leistung", die sich aus der Betriebsspannung und dem Wellenwiderstand der Leitung ergibt, betreiben muß, um die Entstehung bzw. den Verbrauch von Blindleistung und die damit verbundenen reaktiven Spannungsabfälle oder -anstiege (Ferranti-Effekt) auf der Leitung zu vermeiden. Deshalb muß man bei Laständerungen einzelne Wechselstromleitungen zu- oder abschalten, um eine günstige Lastverteilung zu erreichen, bei Gleichstromleitungen ist das nicht erforderlich.
Der Nachteil von Gleichstromübertragungen ist, daß man teure und relativ stark verlustbehaftete leistungselektronische Umrichter braucht und nicht mit vergleichsweise billigeren Transformatoren auskommt.
HGÜ hat an sich wenig mit "Ökostrom" zu tun - ihre breite Einführung fällt eher zeitlich zufällig damit zusammen, tatsächlich ist sie durch die rationelle Verfügbarkeit der Umrichterbauteile möglich geworden. Ein bißchen mag auch der Preisanstieg für Rohstoffe eine Rolle spielen
- Stahl und Kupfer für Trafos werden halt auch teurer, Halbleitersilizium eher billiger.
Beschränke Dich mit Deinen Äußerungen doch endlich mal auf Themen, von denen Du etwas verstehst. Die Abstrahlung von Wechselstromleitungen ist vernachlässigbar klein, und Wechselstromleitungen können beliebig lang gebaut werden.
Auch falsch. Das gilt nur für Kabel, nicht für Freileitungen - letztere werden nämlich im Gegensatz zu Kabeln nicht mit unternatürlicher, sondern mit ihrer natürlichen Lesitung betrieben. Auf See hat man keine Wahl - schwimmende Hochspannungsmasten gibt's nicht, Masten mit Fundamenten auf dem Meeresgrund nur ganz ausnahmsweise küstennah bei niedriegen Wassertiefen - hat schließlich keinen Sinn, einen 200 m hohen Hochspannungsmast auf den Meeresgrund zu stellen, der dann oben nur 50 m aus dem Wasser rausguckt.
Am Fri, 01 Jun 2012 16:26:24 +0200 schrieb Uwe Hercksen:
Das leuchtet mir ein. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie man bei derartigen Leistungen Wechsel- und Gleichstrom (möglichst verlustfrei) ineinander Umwandeln will zum Hoch- und Runterspannen.
Das Stichwort "HGÜ" mit entsprechenden Wikipedia-Links ist schon gefallen. Die Umwandlung erfolgt leistungselektronisch relativ effizient in den "Endstationen" der HGÜ-Strecke.
Hi Christoph, Du hattest geschrieben: "Mit Gleichstrom wird das elektrische und das magnetische Feld nur einmal aufgebaut und steht dann mehr oder weniger unver=E4ndert. Mangels Frequenz ist die Wellenl=E4nge sozusagen unendlich lang, keine wechselnden Magnetfelder erzeugen auch keine Wirbelstr=F6me und ein statisches elektrisches Feld polt auch nicht st=E4ndig die Dipole in begleitenden Substanzen um. Die Wechselstromverluste entfallen damit. Was bleibt, ist nur noch der Ohmsche Widerstand. Doch den hat der Wechselstrom ganz genauso."
Was ist dann der Unterschied bei den beiden Arten der Stromleitungen? Was veranlasst zum Bau von Gleichstromleitungen fuer die sogenannten Energie- autobahnen?
Kabel auch. Der Unterschied ist halt, daß der Wellenwiderstand der Kabel so niedrig ist, daß sie im natürlichen Betrieb ihre Stromtragfähigkeit überschreiten würden. Dadurch produzieren sie Blindleistung - Freileitungen im natürlichen Betrieb aber eben nicht.
(Es ist bemerkenswert, wieviele Leute in einer E-Technik-NG ohne die mindeste Ahnung schreiben.)
So die Theorie. In der Praxis macht man das, zumindest im Übertragungsnetz, nicht. Ist viel zu aufwändig und umständlich. Außerdem kommt dann (n-1) ins Spiel...
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