X-No-Archive: Yes
begin Thread
Moin,
ich wollte mal ein instruktives Beispiel für eine eher banale Fehlerursache mitteilen.
Die im Dezember veröffentlichte Kinderkrebsstudie über Krebserkrankungen in der Umgebung von Kernkraftwerken stellt Berechnungen über die Abhängigkeit des Wohnungsabstands Erkrankter vom nächstgelegenen Kernkraftwerk an. Für diese Berechnungen braucht man offenbar die geographischen Positionen der Wohnungen und die der Kernkraftwerke, dann kann man die Abstände ausrechnen.
In der Studie ist eine Liste der Koordinaten der 16 Kernkraftwerke im Gauß-Krüger-System im dritten Meridianstreifen (GK3) angegeben, lt. der Autoren mit einer Genauigkeit der Standorte von 10 Metern (Referenzpunkt ist jeweils der Fußpunkt des Abluftkamins, mit dem die (genehmigten) radioaktiven Emissionen der KKW verdünnt werden - die geographischen Positionen der Wohnungen wurden angeblich mit einer mittleren Genauigkeit von 25 m bestimmt. Das Gauß-Krüger-System ist ein rechtwinkliges Koordinatensystem, die Koordinaten bestehen jeweils aus einem "Rechtswert" (in Ost-Richtung) und einem "Hochwert" (in Nord-Richtung) in der Einheit Meter).
Für das (stillgelegte) Kernkraftwerk Lingen sind in der Studie die GK3-Koordinaten [3384566, 5818441] angegeben - diese Koordinaten sind aber falsch, richtig wäre [3384639, 5818005], was einen Lageunterschied von ca. 442 m ausmacht und damit weit außerhalb der Toleranz liegt (die Positionen der anderen 15 Anlagen sind korrekt angegeben).
Das IMBEI an der Uni Mainz, das die Studie angefertigt hatte, hatte kürzlich eine Informationsveranstaltung zu der KiKK-Studie durchgeführt. Im Anschluß daran habe ich eine der Autorinnen gefragt, wie es denn zu der Panne gekommen wäre - sie wußte davon aber gar nichts, obwohl ich das dem IMBEI bereits vor geraumer Zeit mitgeteilt hatte, sondern meinte, das IMBEI hätte die Daten vom Bundesamt für Strahlenschutz als GK2-Koordinaten erhalten und nur ins GK3-System umgerechnet. Ich habe dann mal die korrekten GK3-Koordinaten rücktransformiert ins GK2-System und erhalte als Ergebnis [2588411,
5817445] - das waren wohl mutmaßlich diejenigen Koordinaten, die das IMBEI vom BfS erhalten hatte.Wie kam es nun zu den falschen Zahlen?
Das sieht man, wenn man die falschen GK3-Koordinaten aus der Studie mit den (richtigen) GK2-Koordinaten vergleicht: Die letzten vier Ziffern des falschen GK3-Hochwerts stimmen nämlich mit den letzten vier Ziffern des GK2-Rechtswerts überein. Ich nehme an, daß die Teilübereinstimmung kein Zufall ist, sondern sich jemand beim Übertragen der Zahlen vertan hat.
(Und als Warnung für alle Anwender: Es gibt immer jemanden, dem so etwas auffällt, und zwar dann, wenn es zu spät ist, besonders dann, wenn die falschen Zahlen auch noch plausibel aussehen, z. B. beim Plotten: Das nächstgelegene Kernkraftwerk Emsland am gleichen Standort ist gut 2 km entfernt von Lingen, da sieht ein um 400 m verschobener "Plotpunkt" durchaus "richtig" aus. Also bitte *nie* Zahlen irgendwo "abschreiben", sondern *immer* per past© übertragen!)
Gruß aus Bremen Ralf